Boris Palmer stand in der Kritik, während eines Wortgefechts mit Demonstranten das "N-Wort" sowie unzulässige Judenstern-Vergleiche genutzt zu haben. Bei "Markus Lanz" äußerte sich der Tübinger Oberbürgermeister nun zu seinem Parteiaustritt bei den Grünen und den Folgen des Rassismus-Eklats.
Er löste einen handfesten Skandal aus, als er vor einem Gebäude der Goethe-Universität das rassistische "N-Wort" benutzte. Seither war es ruhig um
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Im Mai hatte Boris Palmer seinen Austritt bei den Grünen verkündet, nachdem er Ende April in Frankfurt am Main einen Eklat ausgelöst hatte. Am Rande einer Migrationskonferenz war er damals mit einer Gruppe Menschen aneinandergeraten, die ihn mit seiner Verwendung des "N-Worts" konfrontierten.
Ein Schwarzer fragte ihn dabei, ob er ihm das Wort ins Gesicht sagen könne, worauf Palmer das rassistische Wort wiederholte. In seinem ersten großen Talkshow-Auftritt seit seiner Auszeit erinnerte sich der Tübinger Oberbürgermeister an die Situation und erklärte, was er daraus gelernt hat.
Das sind die Gäste
- Michael Roth, SPD-Außenpolitiker: "Ich will mal den Kanzler etwas in Schutz nehmen."
- Eva Quadbeck, Journalistin: "Dieses viele Gestreite sorgt ja dafür, dass sich die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich von den Ampelparteien abwenden."
- Boris Palmer, parteiloser Tübinger OB: "Das war ein schwerer Fehler von mir, das darf mir nicht passieren."
- Alice Bota, Osteuropa-Expertin: "Ich glaube nicht, dass Streit die Ursache für den Erfolg der AfD ist, sondern eher der Eindruck von Inkompetenz."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Eklat im April, Partei-Austritt im Mai, Auszeit im Juni: Markus Lanz wollte am Donnerstagabend vom stets nahbaren, aber auch provokanten und jähzornigen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer und dessen Absturz wissen: "Was hat dazu geführt? - "Ich war für mich an einem toten Punkt", sagte Palmer. "Ich habe nach dem x-ten Shitstorm jetzt einen gehabt, der war auch für mich persönlich so schlimm, dass ich gesagt habe, ich muss jetzt irgendwie mal raus aus dieser Mühle. Ich schaffe das auch nicht mehr, das zermürbt mich."
Die damalige Situation erklärte der einst beliebteste Kommunalpolitiker des Landes so: "Ich komme an und werde von einer Gruppe begrüßt mit einem Sprechchor: 'Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda'." Das sei dann "extrem schnell eskaliert, weil ich dann nach kürzester Zeit auf diesen Sprechchor gehört habe, ich sei ein Rassist. (...) Dann ging's um die Verwendung des Wortes, das ich heute nicht sagen werde." Der parteilose Politiker ergänzte: "Dann habe ich einen (...) objektiv völlig unzulässigen Vergleich mit dem Judenstern gezogen."
Palmer wurde daraufhin vorgeworfen, den Holocaust relativiert zu haben. Eine schwerwiegende Anschuldigung, die den ehemaligen Grünen-Politiker zum Nachdenken zwang. "Das war ein schwerer Fehler von mir, das darf mir nicht passieren", gab Boris Palmer zu. In Deutschland gebe es schließlich "aus gutem Grund eine rote Linie".
"Man darf, egal wie, keine Vergleiche dieser Art machen, weil es dann immer jemanden gibt, der eine üble Absicht hat und wirklich den Holocaust relativieren will, die Nazikeule relativieren will", führte Palmer aus. Um das Passierte zu verarbeiten, holte sich der Politiker Hilfe von einem Coach. "Diese Impulse, da so überzureagieren, die habe ich. Und die Frage, die besser zu kontrollieren, hat sich mir gestellt", erklärte Palmer.
Für den Oberbürgermeister gehe es darum, "Techniken der Selbstbeherrschung" zu trainieren. Zudem gab sich Palmer geläutert - teilweise zumindest. "Wenn ich den Eindruck habe, dass das tatsächlich der Fall ist", entschuldige er sich gerne bei den Menschen, die er beleidigt oder gekränkte habe. Was er auch schon gemacht habe. "Wenn ich den Eindruck habe, die Verletzung wird nur instrumentell vorgetäuscht, um damit Macht über andere auszuüben, tue ich es nicht." Letzteres sei nämlich ein großes Problem "in unserer Diskurskultur".
Für den Schritt zur Selbstreflexion erntete Palmer Applaus von Journalistin Quadbeck: "Respekt dafür, wenn man mit über 50 Jahren nochmal so aus seinem Job und auch aus der Öffentlichkeit rausgeht." Vor allem die Fähigkeit Palmers, sich selbst zu reflektieren, bewundere sie, da "auf sich selbst zu schauen" immer schwer sei.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Weniger Komplimente wurden in der Sendung verteilt, als es um die Ampelregierung ging. Laut Journalistin Eva Quadbeck wurde während der jüngsten Klausurtagung in Meseberg nicht "das glaubwürdige Signal" gesendet, dass man jetzt wirklich "eine Art Neustart" versuche. Das "viele Gestreite" sorge schließlich auch dafür, dass sich die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich von den Ampelparteien abwenden. "Das "Vertrauen in die Fähigkeiten der demokratischen Parteien" sei in weiten Teilen verloren gegangen.
Osteuropa-Expertin Alice Bota lenkte daraufhin den Blick auf Olaf Scholz. Ihrer Ansicht nach liege der Fehler vor allem im Nicht-Handeln des Kanzlers. "Mein Eindruck ist, dass sehr viele Konflikte ausgetragen werden öffentlich, weil er sie nicht entscheidet", sagte Bota. Sie fügte wütend hinzu: "Ich glaube nicht, dass Streit die Ursache für den Erfolg der AfD ist, sondern eher der Eindruck von Inkompetenz."
In dem Zusammenhang musste auch Boris Palmer zugeben: "Ich bin mit der Regierung unzufrieden, aber ich wüsste auch nicht, wen ich sonst wählen soll (...) Alle Angebote sind gerade nicht adäquat." Neben der politischen Misere sehe Palmer auch einen "geradezu toxischen Cocktail" bestehend aus brenzligen Themen wie dem Mangel an Fachkräften oder der fehlenden Digitalisierung. "Wir erdrosseln uns selber (...) Das Problem dieses bürokratischen Überhangs wird sich am Ende möglicherweise dadurch lösen, dass die Papiere einfach liegenbleiben. Es ist niemand mehr da, um sie zu lesen", sagte Palmer, der sich wiederholt über eine "Überregulierung" beschwerte und von Firmen berichtete, die ihm "direkt ins Gesicht" sagen würden: "Wir können in Deutschland nicht mehr wachsen, das geht gar nicht mehr."
SPD-Außenpolitiker Michael Roth könne mit "Untergangsszenarien für Deutschland überhaupt nichts anfangen" und stellte zudem klar: "Ich will mal den Kanzler etwas in Schutz nehmen." Doch Eva Quadbeck ließ nicht locker und sagte, dass ein Streit in der Sache generell in Ordnung sei, aber "wenn er so ist, dass er eigentlich nur noch dafür da ist, sich gegenseitig zu torpedieren, dann hat eine Ampelkoalition ein Problem. Und die Umfragewerte zeigen, dass die Ampel genau dieses Problem hat." Roth schoss prompt zurück: "In einer Demokratie, die auf Streit beruht, sollte man nicht Streit per se in Zweifel ziehen."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz stellte am Donnerstagabend treffende Fragen und schaffte es, den parteilosen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer mehrmals aus der Reserve zu locken. Der Moderator ließ nicht locker und konnte somit sicherstellen, dass Palmer ganz offen über seinen Rassismus-Skandal Ende April sprach.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Ende April löste Boris Palmer in Frankfurt am Main einen Eklat aus, nachdem er vor einer Migrationskonferenz das rassistische "N-Wort" benutzte und unzulässige Vergleiche zum Judenstern zog. Bei "Markus Lanz" stellte sich Boris Palmer am Donnerstagabend der Kritik und erntete dafür Applaus von den übrigen Gästen. © 1&1 Mail & Media/teleschau
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.