Ein Jahr nach den Flutkatastrophen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz blickte Markus Lanz mit seinen Studiogästen zurück und zog Bilanz: "Was haben wir gelernt?", wollte er am Donnerstagabend wissen. In seiner Verteidigungshaltung vergriff sich CDU-Innenminister Reul an einer Stelle im Ton. Sonderlich erfolgreich war die Ursachenforschung von Lanz im Anschluss leider nicht.
Vor einem Jahr ereignete sich eine der schlimmsten Naturkatastrophen der deutschen Geschichte. Bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 wurden hunderte Existenzen und Infrastruktur zerstört, über 130 Menschen ertranken. Das Engagement von Freiwilligen war beispiellos, trotzdem hat die Region um die Ahr ein neues Gesicht.
Das ist das Thema bei "Lanz"
Am Jahrestages der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ließ
"Was haben wir, was hat das Land daraus gelernt?", wollte Lanz wissen und diskutierte mit seinen Gästen über die Existenznot der Flutopfer, den Stand des Wiederaufbaus sowie die Rolle des Klimaschutzes. Weitere Fragen: "War die Flut damals wirklich nicht vorhersagbar? Würden die Alarmketten heute funktionieren?"
Das sind die Gäste
- Herbert Reul (CDU): "So richtig begreifen tut man es, wenn man an diesem Krater steht. Wenn man an der Staumauer steht, wenn man die nicht mehr vorhandene Straßen sieht", sagte der NRW-Innenminister über die Auswirkungen der Flutkatastrophe. Die Hauptaufgabe sei: "Die Informationen, die Leute haben, die sich mit dem Wetter auskennen, an die zu bringen, die Entscheidungen treffen", befand Reul. Die Informationen müssten schnell kommen und verständlich sein. "Was nützt Ihnen denn der Hinweis '200 Liter in zwei Tagen'?", fragte er. Die Daten müssten so erklärt werden, dass man einschätzen könne, was zu tun sei.
Peter Wohlleben : "Mir war klar, es gibt ein gewaltiges Hochwasser an der Ahr, aber ich habe natürlich nicht mit einer Flutwelle gerechnet", gab der Bestseller-Autor und Klima-Experte zu. Schuldzuweisungen seien deplatziert, man müsse aber Ursachenforschung betreiben. "Mir fehlt die Diskussion, was machen wir, damit das Wasser nicht mehr unten ankommt", sagte Wohlleben. Wald könne Hochwasser nicht verhindern, aber er könne den Wasserabfluss extrem binden. "Wir arbeiten viel zu wenig am Wasserhaushalt", hielt Wohlleben fest.- Maria und Thomas Dunkel: Mutter und Sohn berichteten vom dramatischen Hochwasser im nordrhein-westfälischen Erftstadt. "Ich weiß, dass es wieder passieren kann und deshalb stehe ich bei jedem großen Regen am Fenster und schaue, wo das Wasser hinläuft", berichtete Maria Dunkel. Sie habe Schlafprobleme seit der Flut. "Wir sind nicht gewarnt worden", klagte sie. Sohn Thomas sagte: "Der Hochwasserschutz war unzureichend". Die Anträge für finanzielle Hilfe seien "unlösbar" für seine Eltern gewesen. "Ich habe für den Antrag vier Stunden gebraucht", so Dunkel.
- David Fuhrmann: Der Feuerwehrmann aus Dernau stellte fest: "Dernau steht heute erstaunlich fest zusammen, aber es gibt auch Unmut. Man hat unbürokratische Hilfe versprochen, aber die ist nie gekommen." Die Katastrophe sei noch immer unvorstellbar, es liege noch viel Arbeit vor der Stadt. "Den Menschen hätte über alle Kanäle klargemacht werden müssen: 'Leute da kommt was, das habt ihr so noch nicht gesehen'", meinte Fuhrmann.
Das ist der Moment des Abends bei "Lanz"
Lanz war im Modus Ursachenforschung und wollte der Frage "An welchen Stellen hat es damals gehapert?" auf den Grund gehen. Im Einzelgespräch mit Innenminister Reul erinnerte er noch einmal an die Vorhersagen vom Europäischen Flutwarnsystem. "Warum hat das nicht funktioniert?"
"Ich bin kein Wetterfrosch", begann Reul seinen Satz. Lanz kritisierte sofort die der Situation unangemessenen Formulierung: "Das heißt nicht Wetterfrosch, das heißt Meteorologe, Herr Reul!". Reul korrigierte sich daraufhin: "Die Fachleute für Wetterkunde haben unterschiedliche Meinungen gehabt." Die Daten seien zu kompliziert formuliert gewesen. "Aber Sie haben doch Fachleute in Ihrem Stab!", kommentierte Lanz von der Seite. Es gebe zu wenig Warnsysteme, versuchte Reul noch einmal einen anderen Ansatz. "Wir haben alle gedacht, Katastrophen finden im Fernsehen statt, aber nicht bei uns", so der Innenminister.
Das ist das Rede-Duell des Abends bei "Lanz"
"Es gab unterschiedliche Meldungen im Laufe dieser Tage", sagte Reul, kurz nachdem Wohlleben betont hatte, dass "dunkelrote Warnungen" Schlimmes hatten erahnen lassen. Zwischenzeitlich habe der Deutsche Wetterdienst vermeldet, es würde wieder besser. "So eindeutig war das alles nicht. Wir brauchen noch bessere Vorhersagensysteme", sagte Reul. Die Meldungen müssten dann in brauchbare Informationen und Handlungen umgesetzt werden.
Wohlleben widersprach: "Ich glaube nicht, dass wir bessere Vorhersagen brauchen. 24-Stunden-Vorhersagen sind schon sehr genau, 12 Stunden ist eigentlich perfekt. Das da konnte man vorhersagen." Die Lage habe sich über den Tag entwickelt, sie sei nicht schlagartig gekommen. "Auf der Datenbasis, die wir hatten, hätte das besser gemacht werden können und kann man besser machen, ohne dass sich die Vorhersage verbessern muss", war sich Wohlleben sicher.
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz gab den Berichten der Flutopfer an diesem Abend viel Raum. "Wie haben Sie das erlebt?", war eine seiner meist gestellten Fragen. Die Berichte sorgten für Mitgefühl und Bedrücken und verdeutlichten den Ernst der Lage. Zwar war Lanz hartnäckig mit seiner Frage "An welcher Stelle sind die entscheidenden Fehler passiert?", doch es schien, als sei im Studio niemand in der Lage, sie seriös zu beantworten.
Der einzige mit politischer Verantwortung im Studio war Herbert Reul – und der hatte vor einem Jahr seinen Urlaub im Zuge der Flut abgebrochen. Er konnte zur Vorhersagbarkeit der Situation deshalb nur mäßig viel beisteuern.
Das ist das Ergebnis bei "Lanz"
Markus Lanz betonte es immer wieder: "Ich frage nicht nach Schuld, ich frage nach Fehlern im System." Stellenweise war es dann trotzdem ein "Schwarzer-Peter"-Spiel. Reul kritisierte Meteorologen und Medien, Maria Dunkel beschwerte sich über Bundeswehr und Landespolitik.
Bedauerlicherweise fiel eine Frage, die zu Beginn der Sendung aufgeworfen worden war, ganz unter den Tisch: "Wie kann Politik Vertrauen zurückgewinnen?". Wichtige Erkenntnis: Die Traumata sitzen noch immer tief, der Zusammenhalt beeindruckt weiterhin. Zu kurz kam die klimapolitische Antwort auf die Katastrophe.
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