Ist die geplante Krankenhausreform von Karl Lauterbach zu Recht höchst umstritten? Bei "Markus Lanz" erklärte der Bundesgesundheitsminister, warum seine Pläne unabdingbar seien, um ein "unkontrolliertes Kliniksterben" zu umgehen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das deutsche Gesundheitssystem gilt seit Jahren als politischer Sanierungsfall. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant nun, die Krankenhauslandschaft grundlegend zu reformieren. Bei "Markus Lanz" verteidigte er am Donnerstag seine umstrittenen Pläne und geriet dabei mit dem ZDF-Moderator und einer Journalistin aneinander - ließ zuletzt aber mit einer "Ansage" aufhorchen.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Unzählige Kliniken schlagen in Deutschland schon seit Monaten wegen akuten Personalmangels, steigender Preise bei Arzneimitteln sowie mangelnder Qualität Alarm. Wie ist das Krankenhauswesen in Deutschland zu retten? Gesundheitsminister Karl Lauterbach verteidigte bei "Markus Lanz" seine Pläne, ab dem kommenden Jahr die Krankenhauslandschaft zu reformieren. Außerdem versprach er die rasche Einführung der elektronischen Patientenakte.

Das sind die Gäste

  • Bundesgundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist sich sicher: "Mit der Reform kann man nicht nur viel Geld sparen, sondern das wird viele Menschenleben retten."
  • Cordula Tutt, Journalistin, fragt: "Was ist denn, wenn dann auf dem Land kein Krankenhaus mehr ist?"
  • Der Pharmakologe Roland Seifert blickt sehnsüchtig zurück: "Früher galt Deutschland als 'Apotheke der Welt'."
  • Johann Georg Goldammer, Feuerökologe, stellt fest: "Die Waldbrand-Saison, die wir früher mal kannten, die gibt es nicht mehr."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Zu Beginn der Sendung erklärte Markus Lanz, dass das deutsche Gesundheitssystem derzeit rund 300 Milliarden Euro pro Jahr koste. "Und trotzdem sind die Deutschen nicht gesünder", konstatierte der ZDF-Moderator. Nun plant Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach laut Lanz eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge sowie eine umfassende Krankenhausreform.

Während Journalistin Cordula Tutt den Zustand des Gesundheitswesens als "Armutszeugnis" beschrieb, erklärte SPD-Politiker Lauterbach, dass die von ihm geplante Reform "seit 10 bis 15 Jahren überfällig" sei, denn: "Wir kommen in ein unkontrolliertes Kliniksterben. Die Qualität ist schlecht." Der Gesundheitsminister hoffe deshalb, dass die Reform bereits im Januar 2024 in Kraft treten werde. "Wir werden das Gesetz über den Sommer schreiben", kündigte Lauterbach an. Die Grundstruktur der Reform steht laut dem Gesundheitsminister bereits. Der SPD-Mann warnte gleichzeitig: "Ohne die Reform würden wohl 25 Prozent der Krankenhäuser sterben."

Lauterbach wolle deshalb einheitliche Qualitätskriterien schaffen und die Krankenhausfinanzierung sowie Krankenhausplanung der insgesamt 1.719 deutschen Kliniken optimieren. "Wenn künftig mehr ambulant gemacht wird, wird es weniger unnötige Krankenhausaufenthalte und Eingriffe geben", rechnete Lauterbach vor. Der Gesundheitsminister versprach weiter: "Mit der Reform kann man nicht nur viel Geld sparen, sondern das wird viele Menschenleben retten."

Dies sah Cordula Tutt kritisch, die darauf aufmerksam machte, dass in Dänemark nur 3 Prozent der Herzinfarkt-Fälle im Krankenhaus versterben würden, während es in Deutschland 8 Prozent sein sollen. Genau an diesem Problem wolle er ansetzen, insistierte Lauterbach, und die Krankenhäuser künftig in drei Qualitätslevel einordnen, die entsprechend vergütet werden sollen. "Diese Reform ist eine Qualitäts-Reform", versprach der SPD-Politiker.

Lauterbach erklärte im Gespräch mit Lanz, dass er mit seiner Reform künftig nicht nur die Leistungen, sondern auch die Qualität der deutschen Kliniken mit einer interaktiven Karte öffentlich machen wolle. Während eine grüne Farbe beispielsweise eine gute Qualität der Behandlung verspreche, zeige eine rote Farbe, dass keine zufriedenstellende Leistung gewährleistet werden könne. "Nach einer Übergangsphase bezahlen wir nicht mehr, wo die Qualität schlecht ist", legte der Gesundheitsminister offen dar. Lauterbach weiter: "Wenn ich in vielen Bereichen Probleme habe, dann wird das Haus sich nicht halten können."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Um diese Aussage entbrannte bei "Markus Lanz" eine Grundsatzdiskussion, denn der ZDF-Moderator befürchtete: "Das ist survival of the fittest (dt.: "Überleben der Stärksten", Anm. d. Red.), ein sehr darwinistischer Ansatz." Lauterbach wollte das Entsetzen nicht verstehen und stellte klar: "Das ist ja kein Pranger, wenn Sie darstellen müssen, ob Sie Qualität haben."

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Lanz ließ jedoch nicht locker und unterstellte Lauterbach, dass er über einen geschickten Umweg versuche, sein Image nicht zu beschädigen: "Man macht sich als Politiker natürlich nicht wirklich beliebt und populär, wenn man sagt: 'Euch mach ich zu!' Der Umweg ist: Wir stellen fest, ihr seid in dem Bereich schlecht und dann passiert, was passiert." Lanz kritisierte weiter: "Das ist ein natürlicher Tod, der eintritt, ohne dass man selber das Messer führen wird." Diesen Vorwurf wies der SPD-Mann entschieden von sich und versprach: "Das ist eine ehrliche politische Verbesserung unseres Krankenhauswesens. (...) Wir müssen die Patienten schützen, und wir müssen die Qualität auch öffentlich machen. Das ist doch keine Trickserei!"

Dennoch wollte Lauterbach nicht ausschließen, dass durch die Reform auch Kliniken über kurz oder lang geschlossen werden müssen. Im Gespräch mit Lanz sagte er jedoch trocken: "Diese Schließungs-Diskussion ist für mich nicht so spannend." Lanz konterte prompt: "Für die, die da arbeiten, schon."

Cordula Tutt merkte zudem an, dass die Reformpläne große Nachteile für Menschen auf dem Land haben könnten, denn: "Was ist denn, wenn dann auf dem Land kein Krankenhaus mehr ist? (...) Was für ein Angebot bauen wir dann dort auf?" Tutt sprach in dem Zusammenhang vor allem die Älteren und wenig mobilen Bürger auf dem Land an, die eine große Furcht hätten, "abgehängt zu sein". Gleichzeitig kritisierte sie die bereits sehr hohen Krankenversicherungskosten, die sich auf rund 16,2 Prozent des Bruttolohns belaufen sollen. "Und trotzdem kommen wir damit nicht aus", beklagte Tutt.

Lauterbach reagierte darauf mit einem überraschenden Versprechen: "Wir werden dafür sorgen, dass im Jahr 2025 80 Prozent der Deutschen die elektronische Patientenakte haben." Auch Lanz schien von der Aussage überrascht zu sein und antwortete skeptisch mit den Worten: "Das ist eine Ansage."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz gelang am Donnerstagabend eine angeregte Diskussionsrunde, in der vor allem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mehrmals aus der Reserve gelockt wurde. Im Gespräch mit Lanz musste sich der SPD-Politiker zu seinen Reformplänen äußern und sah sich wegen vieler kritischer Nachfragen mehrmals in die Ecke gedrängt. Der ZDF-Talker trat dabei gewohnt meinungsstark auf.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Das deutsche Gesundheitswesen steht vor grundlegenden Veränderungen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach verteidigte bei "Markus Lanz" seine Reformpläne und versprach, dass er mit seinem neuen Gesetz ein "unkontrolliertes Kliniksterben" aufhalten könne. Noch scheint ein breiter gesellschaftlicher Konsens für seine Pläne allerdings in weiter Ferne zu sein.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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