- Hauptthema bei Maischberger: Die enormen Geländegewinne der ukrainischen Streitkräfte.
- Ist das "Wunder von Charkiw" schon der Wendepunkt im Krieg? Braucht die Ukraine jetzt noch mehr Waffen vom Westen?
- Das Studio fand keine eindeutigen Antworten – gab dafür den "Weißen Elefanten" im Raum aber einen Namen.
In den vergangenen Tagen sind den ukrainischen Streitkräften große Geländegewinne im Nordosten des Landes gelungen. Dabei konnten sie 20 Ortschaften befreien, darunter beispielsweise die Stadt Isjum. Beobachter zeichnen vor allem die russische Kampfmoral und die Überdehnung der Kräfte verantwortlich. Der Wendepunkt im Krieg? Eins von vielen Themen bei
Das ist das Thema bei "Maischberger"
Maischberger griff die jüngsten Entwicklungen im Ukraine-Krieg auf und sprach mit den Studiogästen über den Befreiungsfeldzug von Charkiw, der viele Militärexperten überrascht hatte. Kann die Ukraine dieses Momentum weiter nutzen? Ist der Wendepunkt gekommen oder wird Putin nun zu taktischen Atomwaffen greifen? Außerdem diskutierte Maischberger mit ihren Gästen über Waffenlieferungen, Atomkraftwerke und den Tod der Queen.
Das sind die Gäste
- Andrij Melnyk: Der Noch-Botschafter der Ukraine in Deutschland sagte: "Ziel ist es, noch vor dem Winter so viele Gebiete wie möglich zu befreien. Ich hoffe, dass die ukrainische Armee die Russen auch in Zukunft so überlisten kann, wie das in den letzten Tagen geschehen ist." Die westlichen Waffen hätten dabei einen erheblichen Beitrag geleistet. "Es lohnt sich, uns weiterhin zu unterstützen", betonte Melnyk. Die Wahrscheinlichkeit, dass Putin nun taktische Atomwaffen einsetzt, hielt er für gering. "Er setzt auf Einschüchterung. Angst ist seine größte Waffe", so Melnyk.
- Carlo Masala: Der Militärexperte befand: "Es ist ein grandioser militärischer Erfolg, den wir da am Wochenende gesehen haben." Die russischen Verteidigungslinien seien in rasanter Geschwindigkeit kollabiert. "Ob es ein Wendepunkt im Krieg ist, wird sich in den nächsten Tagen zeigen", so Masala. Es hänge davon ab, ob es den Russen gelinge, eine neue Verteidigungslinie aufzubauen. "Russland hat irrsinnig große Probleme", war sich Masala sicher. Trotzdem könnte man sich in zwei Monaten schon wieder in einem Stellungskrieg wiederfinden. Zum Thema Kriegspartei sagte er: "Wir setzen keinen Fuß auf ukrainischen Boden mit jemandem, der eine Waffe in der Hand hält." Dadurch sei man im klassischen Sinne keine Kriegspartei.
- Anthony Glees: Der britische Politikwissenschaftler sagte: "Mit dem Tod der Queen ist für uns in Großbritannien ein Zeitalter zusammengebrochen. Sie war wirkliche eine Mutter der Nation". Die Königin sei ein goldener Faden gewesen, der durch das Leben der Briten geführt habe. Es bleibe ein Geheimnis, was sie über Politik gedacht habe. "Für Charles wird die große Schwierigkeit sein, sich aus der Politik zu halten", wähnte er.
Walter Sittler : Der Schauspieler sprach sich für mehr Waffenlieferungen aus. Man könne erst verhandeln, wenn Russland aus der Ukraine raus sei. Zur deutschen Politik sagte Sittler: "Die Regierung ist sehr getrieben, sie tut mir ehrlich gesagt leid". Die Entlastungspakete allerdings kritisierte er. "Die die gar nichts oder wenig haben, müssen sehr viel mehr bekommen", forderte er.- Hannah Bethke: "Es ist noch zu früh, von einer Wende zu sprechen", sagte die Journalistin von "Zeit Online" mit Blick auf den ukrainischen Befreiungsfeldzug im Nordosten des Landes. Sie sei zurückhaltend, auch, was Waffenlieferungen anbelange. "Ich traue mich noch nicht, da so hoffnungsfroh draufzugucken", gab sie zu.
- Stephan Stuchlik: Der ARD-Hauptstadtkorrespondent sagte zur Offensive der Ukraine: "Es ist ein psychologischer Schlag gegen das Putin-Regime". Zu den Schreiben von Moskauer Politikern, die den Rücktritt von Putin fordern, sagte Stuchlik: "Ich habe schon so oft Kollegen schreiben hören, dass ist der Anfang vom Ende des Systems Putin". Das revolutionäre Potential in Moskau und St. Petersburg sei recht hoch, aber Russland bestehe nicht nur aus Großstädten. Die Menschen außerhalb der Städte in Regionen wie Sibirien hielten Putin am Leben.
Das ist der Moment des Abends bei "Maischberger"
"Das ist der Elefant im Raum", befand Stuchlik, als es um die Frage ging, ob Deutschland bereits Kriegspartei sei oder wann es dazu werde. "Das ist die große Frage, über die im Moment keiner debattiert", sagte der Journalist. Es werde nicht richtig über die Gefahr einer Eskalation und eines Atomkriegs debattiert. "Ich habe große Bedenken, dass die Argumentation der Bundesregierung, so, wie sie im Moment läuft – die sich auf Kleinigkeiten, Offensivwaffen, die Schwächung der Nato-Ostflanke und möglicherweise 'wir tun nichts, bevor es die anderen tun', lange durchhalten lässt", sagte er. Man müsse über das große Thema reden und nicht über Kleinigkeiten – die Gefahr eines dritten Weltkrieges.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Es ging beim Rede-Duell um ein altes Thema, das nun aber wieder neuen Aufwind erfährt - Waffenlieferungen. Schauspieler Sittler sagte: "Man hat zwei Positionen. Wenn man keine Waffen schickt und die Ukrainer vielleicht tatsächlich von Russland überrannt und eingenommen werden, dann verlieren Millionen Menschen ihre Freiheit. Wenn man Waffen liefert, wird es viel Schaden anrichten, es werden Menschen umkommen". Was immer man tue, man mache einen Fehler. Um die Werte, die wir haben, zu verteidigen, hätte man aber keine andere Wahl. "Und dann so viel wie möglich, damit es möglichst schnell zu Ende ist" , forderte er und erntete Applaus.
Da schaltete sich Journalistin Bethke ein: "Ich finde, dass bestimmte Reflexe über die Situation der Waffenlieferung sich in der Diskussion gerade wiederholen", sagte sie und fuhr fort: "Ich würde Ihnen widersprechen, dass es zwei Positionen in der derzeitigen Debatte gibt." Es sei hingegen eine eindimensionale Debatte, in der vermittelt werde, man müsse für Waffenlieferungen sein. "Und wenn man irgendetwas daran differenziert oder relativiert, wird man ganz schnell in die Ecke gedrängt, Putin-Propagandist zu sein oder ähnliches", ärgerte sie sich. Man müsse mehrere Sichtweisen zulassen.
So hat sich Sandra Maischberger geschlagen
Maischberger machte am Dienstagabend eine gute Figur. Ihre Fragen waren inhaltlich fundiert. So fragte sie beispielsweise: "Ist jetzt der Wendepunkt im Krieg gekommen?" oder "Warum telefoniert der Kanzler jetzt mit Putin?" und "Bröckelt die Unterstützung in Russland?".
Ihr Glanzmoment des Abends kam aber erst, als Militärexperte Masala eine mögliche Generalmobilmachung der Russen kommentierte. Er sagte: "Da ist zwar viel dann Personal da, aber ich sag mal: Da ist auch viel Kanonenfutter dabei". Maischberger reagierte prompt: "Das ist ein wirklich hässliches Wort!". Masala entgegnete: "Aber so muss man es sagen. Das sind junge Männer, die zwei drei Wochen ausgebildet werden an der Waffe und nicht kämpfen können."
Das ist das Ergebnis bei "Maischberger"
Der Abend bei Maischberger offenbarte, dass Streit über die Kleinigkeiten immer noch die ganz großen, ungeklärten Fragen überdeckt. Ab wann sind wir Kriegspartei und was bedeutet das? Bis zu welchem Punkt liefern wir Waffen? Wie groß ist die Gefahr eine atomaren Eskalation und eines Dritten Weltkriegs?
Doch auch, wenn diese "Weißen Elefanten" bei Maischberger einen Namen bekamen, war die Suche nach Antworten doch eher müßig. Ein Ergebnis zwischen den Zeilen: Die Bundesregierung muss ihre Ukraine-Politik noch besser erklären.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde berichtet, Andrij Melnyk sei ehemaliger Botschafter. Stattdessen ist richtig, dass Andrij Melnyk aktuell noch Botschafter ist (Stand: 14. September 2022).
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.