Seit Monaten darf sich die AfD über Umfragehochs im Osten des Landes freuen. Bei "Markus Lanz" (ZDF) behauptete Journalist Marc Felix Serrao nun, dass vor allem die Ausgrenzungsstrategie der Bundesregierung zum Erfolg der AfD beigetragen hat. Er plädierte deshalb für eine stärkere Einbindung der Partei.

Eine Kritik
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Der politische Fokus liegt aktuell auf den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland. Während sich die AfD jüngst über Umfragehochs freuen durfte, fürchten traditionelle Parteien wie SPD und Grüne ein Wahl-Desaster. Bei "Markus Lanz" (ZDF) erläuterte Journalist Marc Felix Serrao, warum er eine Ausgrenzung der AfD im politischen Geschehen nicht für richtig hält.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

In Brandenburg, Thüringen und Sachsen wird schon bald ein neuer Landtag gewählt. Die drei Wahlen werden aufgrund des massiven Umfragehochs der AfD als besonders wichtig eingestuft, da ein Wahlsieg der Partei den Osten des Landes nachhaltig verändern könnte. ZDF-Moderator Markus Lanz nahm dies am Donnerstagabend zum Anlass und debattierte mit seinen Gästen über die Frage, ob AfD-Fraktionschef Björn Höcke der neue Ministerpräsident in Thüringen werden könnte und ob eine Zusammenarbeit zwischen AfD und traditionellen Parteien möglich wäre.

Das sind die Gäste

  • Hasnain Kazim, Autor: "Dass die AfD jetzt so eindeutig stärkste Kraft wird, das ist ein Ost-Phänomen"
  • Marc Felix Serrao, Journalist: "Ich glaube nicht, dass die Demokratie wackeln würde, wenn die AfD mitregieren würde"
  • Anna Lehmann, Journalistin: "Herr Höcke ist ein Faschist und der darf auch als solcher benannt werden"
  • Dirk Oschmann, Publizist: "Der erste September ist in seiner Bedeutung gar nicht zu ermessen"
Hasnain Kazim, Anna Lehmann, Marc Felix Serrao, Dirk Oschmann
Markus Lanz disktuierte am Donnerstagabend mit (v.l.n.r.) Hasnain Kazim, Anna Lehmann, Marc Felix Serrao und Dirk Oschmann. © ZDF / Markus Hertrich

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Mit Blick auf das Stimmungsbild in Ostdeutschland sagte Hasnain Kazim: "Die Menschen ticken schon insgesamt allgemein anders." Der Autor befürchtete deshalb, dass die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen die Unterschiede zwischen Ost und West deutlich aufzeigen werden, denn: "Die AfD gibt es auch im Westen, (...) aber dass sie jetzt so eindeutig stärkste Kraft wird, das ist ein Ost-Phänomen. Ich glaube, das hat damit zu tun, wie wir Nationalsozialismus aufgearbeitet haben im Westen anders als im Osten."

Gleichzeitig stellte Hasnain Kazim klar, dass er mittlerweile viele AfD-Wähler besser verstehe und nicht mehr per se ausgrenzen würde, da man mit ihnen "ganz normal reden" könne. Eine Aussage, die Markus Lanz stutzig machte: "Das klang wie die Schilderung eines Zoo-Besuchs, ein bisschen." Journalistin Anna Lehmann stimmte zu: "Das hat so etwas Exotisierendes. Man kommt in den Osten und stellt fest: 'Huch, das sind ja Menschen und man kann mit denen reden und die ticken auch ähnlich und sind auch nicht alle Nazis'. Natürlich ist das so!" Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte: "Sind wir da jetzt schon wieder mittendrin in der Klischee-Maschine Ost-West?"

Publizist Dirk Oschman nickte vorsichtig und erklärte: "Es gibt einen viel größeren Stadt-Land-Unterschied im Osten als im Westen." Der Osten habe zudem ein viel größeres "Armuts-Risiko", was nicht ohne Folgen bleibe: "Die AfD ist die deutsche Populismus-Variante. Insofern verhält sich der Osten, wenn man das jetzt im internationalen Vergleich sieht, nicht besonders auffällig. Es wird ja über Jahre hinweg so getan, als sei der Osten ein singulärer Sonderfall, wo ganz besonders merkwürdige Leute leben, vielleicht auch eine eigene Spezies", so Oschmann.

Lanz ergänzte prompt: "Und Sie sagen, der Sonderfall ist dann demzufolge der Westen?" Während Oschmann zustimmte, fügte Journalist Marc Felix Serrao hinzu, dass "ein ganz entscheidender Grund für die Erfolge der AfD im Osten" jedoch auch "die aktuelle Regierungspolitik in Berlin sein" könne. "Also es geht nicht nur um das Unrecht, was dem Osten widerfahren ist oder auch nicht, sondern auch um ganz aktuelle Politik", betonte Serrao energisch.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Im Gespräch mit Markus Lanz machte Dirk Oschmann auf die Vergangenheit Deutschlands aufmerksam: "Wir leben in einem Zusammenhang, der 1933 angefangen hat. Man muss die historische Langzeitperspektive mit im Blick haben, um zu verstehen, warum wir an dem Punkt sind, an dem wir sind und um zu verstehen, warum Deutschland im spezifischen Sinne nie vom Faschismus befreit worden ist." Eine Aussage, die Hasnain Kazim fassungslos machte: "Sie meinen ernsthaft, Deutschland ist vom Faschismus nicht befreit worden und wir leben in einem faschistischen Staat?!"

Oschmann schüttelte mit dem Kopf, sagte aber, dass man nicht behaupten könne, "dass wir das Problem losgeworden wären". Lanz wollte deshalb in Bezug auf die kommenden Landtagswahlen wissen, wie man mit einem Sieg der AfD am besten umgehen sollte. Journalist Marc Felix Serrao antwortete ehrlich, dass "die Ausgrenzungsstrategie" in Form der Brandmauer nicht funktioniere, da die AfD vor zehn Jahren noch bei zehn Prozent in Thüringen lag und sie jetzt "auf die 30" zusteuere. "Das Land steht kurz vor der Unregierbarkeit", glaubt Serrao, der hinzufügte, dass die AfD in fünf Jahren "vor einer absoluten Mehrheit stehen" könnte. Der Journalist forderte daher, dass die traditionellen Parteien "statt auf die Ausgrenzung" der AfD besser "auf die Einbindung" setzen sollten.

Laut Serrao wäre es zudem sinnvoller, die AfD "zum Regieren zu zwingen", da es einfacher sei, "vom Spielfeldrand irgendwie immer nur alles besser zu wissen", anstatt die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. "Ich glaube, das würde die Partei vor erhebliche Probleme stellen", mutmaßte er. Anna Lehmann zeigte sich jedoch skeptisch: "Ich bezweifle, dass die AfD nur dadurch stark geworden ist, dass man sie ausschließt." Die Journalistin hielt zudem nichts von der Einbindung der AfD ins politische Geschehen. Sie machte deutlich: "Herr Höcke ist ein Faschist und der darf auch als solcher benannt werden."

Ein Argument, das Lanz nicht überzeugte: "Trotzdem wollen 30 Prozent diese Partei wählen." Auch Marc Felix Serrao konterte, dass er in der AfD noch "keine faschistischen, antidemokratischen Programme" oder "eine politisch gewalttätige Partei" sehe. Stattdessen warnte er: "Die Deutschen neigen im Umgang mit dieser Partei (...) ein wenig zur Hysterie und das bekommt ihnen nicht gut." Anna Lehmann hielt dagegen und sagte, es handle sich um "ein höchstrichterliches Urteil, das besagt, Herr Höcke darf als Faschist bezeichnet werden". Darauf antwortete Serrao trocken: "Das ist doch schön, wir sind ein Land mit Meinungsfreiheit."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz nahm sich am Donnerstag viel Zeit, um zu verstehen, wieso sich viele Menschen im Osten des Landes besonders der AfD verbunden fühlen. Besonders angeregt debattierte er dabei mit Marc Felix Serrao, der unter anderem die These aufstellte: "Ich glaube nicht, dass die Demokratie wackeln würde, wenn die AfD mitregieren würde."

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Markus Lanz wollte am Donnerstag auch wissen, warum sich viele junge Menschen im Land radikalisiert zu haben scheinen. Marc Felix Serrao antwortete ehrlich: "Da gibt's wahrscheinlich viele Gründe. Einer ist sicherlich die Erfahrung durch die Corona-Zeit. (...) Ich glaube, die Jungen haben mit am meisten darunter gelitten. Das sorgt für eine Entfremdung von den etablierten Parteien." Anna Lehmann ergänzte dazu: "Ich glaube, das hängt auch sehr stark mit der Demografie zusammen." Laut der Journalistin sei der Osten "massiv von Abwanderung bedroht". Hinzu komme, dass der Osten "zum Teil vermännlicht" sei. "Es gibt Regionen, wo auf 140 Männer nur 100 Frauen kommen. (...) Da bildet sich eine Kultur heraus, wo es cool ist, rechts zu wählen", so Lehmann. Ein Argument, das Hasnain Kazim so nicht akzeptieren wollte: "Ich glaube auch, dass diese Art, wie Sie argumentieren, dazu führt, dass die Leute dann sagen: 'Entschuldigung, es werden die Probleme nicht erkannt'."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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