Frank Plasberg redet eine Spaltung des Landes herbei und fragt in der letzten Ausgabe des Jahres von "Hart, aber fair": "Sprachlos, verständnislos, wütend: Wie gespalten ist Deutschland?". Eine Antwort darauf gab es freilich nicht. Aber eine Lösung.

Christian Vock
Eine Kritik

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Frank Plasberg ist ein eifriger Mann. Während die Kolleginnen Maischberger, Illner und Will in der letzten Woche vor Weihnachten bereits die Schondecken über ihre Talksessel gelegt haben, will Frank Plasberg noch einmal Antworten haben. Doch was fragt man so zum Jahresende?

Plasberg und seine Redaktion haben sich diesmal für etwas Gefühltes entschieden: die Spaltung des Landes. Neben der wurden auch gleich eine Sprach- und Verständnislosigkeit ebenso wie eine Wut ausgemacht. Also, wie gespalten ist Deutschland?

"Hart aber fair": Mit diesen Gästen diskutierte Frank Plasberg:

  • Dirk Roßmann, Unternehmer und Gründer der Drogeriekette Rossmann
  • Michel Abdollahi, NDR-Moderator und Journalist
  • Annette Behnken, evangelische Pastorin, spricht seit sechs Jahren "Das Wort zum Sonntag"
  • Claus Strunz, Journalist
  • Antje Hermenau, Politikberaterin, aktuell für die Freien Wähler in Sachsen

Wie sinnvoll war das Thema?

"Wie gespalten ist Deutschland?", lautet das Thema der jüngsten Ausgabe von "Hart, aber fair". Für Plasberg und seine Redaktion stand also schon vor Sendungsbeginn fest, dass Deutschland überhaupt gespalten ist, es sollte im Folgenden demnach nur noch um das Wie gehen.

Nun kann man natürlich leicht behaupten, dass Deutschland gespalten sei. Die Frage ist nur, was Plasberg unter "gespalten" versteht.

Dass die Menschen mit Mistgabeln aufeinander losgehen? Dass man lediglich anderer Meinung ist? Dass es in Deutschland nur die eine und die andere Meinung gibt? Ein Graben, der nur Pro und Kontra kennt und nichts dazwischen?

Laut Sendungsbeschreibung soll Deutschland genau so aussehen: hier die einen, dort die anderen.

"Arm gegen Reich, Ost gegen West, Fremdenhass gegen Multikulti: Deutschland 2018 ist gespalten. Leben wir zwar in einem Land, aber in unterschiedlichen Welten?" ist auf der "Hart, aber fair"-Webseite zu lesen. Grautöne, ein Dazwischen, Menschen, die Dinge differenziert sehen, scheint es bei Plasberg nicht zu geben.

Warum ist diese scheinbare Haarspalterei um Definitionen wichtig? Warum sollte man bereits Begriffe wie "gespalten" genauer betrachten? Weil gerade die folgende Diskussion zeigte, dass immer dort, wo die Differenzierung fehlt und man im gefühlten Bereich argumentiert, man auch am weitesten von einer Lösung entfernt ist.

Genau die suchte Plasberg aber ebenfalls: "Wie können wir lernen, einander wieder zuzuhören?"

Darüber wurde diskutiert

Hasskommentare im Netz, Seehofers Aussage, die Migrationsfrage sei die Mutter aller Probleme, über Chemnitz, den Osten, Armut, sozialen Wohnungsbau, die Aufgabe der Politik und der Kirche, Ausländerfeindlichkeit und so weiter.

Auch wenn es um ein scheinbares Potpourri an Themen ging, kreiste die Diskussion immer wieder um das Gebot der Differenzierung. Die, das würde jeder in der Runde unterschreiben, sei wichtig – nur ging kaum einer mit gutem Beispiel voran.

Claus Strunz beispielsweise sieht bei der Migrationsfrage eine "Kategorisierung von Kritikern", um dann wenig später selbst zu kategorisieren: "Ich sehe ein Totalversagen der Erklär-Kultur unserer Politik. Es wird nicht erklärt oder debattiert, sondern diffamiert", diffamiert Strunz einen ganzen Berufsstand, ohne ein einziges Beispiel zu nennen. Stattdessen folgt der bezeichnende Satz: "Das ist jedenfalls meine Wahrnehmung."

Pauschalkritik an der Politik übt auch Hermenau. Für sie wirft die "Migrationsfrage" nur ein Licht auf die Alltagsprobleme der Menschen: "Der Migrationsschub 2015 hat wie eine Lupe gewirkt, unter der die Bürger ganz viele Dinge erkennen konnten, die ihnen sowieso schon auf den Nägeln brennen. Jetzt kommen noch mehr dazu, und die Probleme verschärfen sich."

Die Schuld liegt auch für Hermenau bei der Politik: "Die jetzige Regierung unter Frau Merkel hat Probleme angehäuft, aber die Probleme wurden nie gelöst. Es gibt einen Aktionismus in der Politik, aber im Kern wurde nicht gründlich gearbeitet."

Das mag stimmen, doch vergisst Hermenau dabei die große Mehrheit der Deutschen, die Sorgen um Rente, Wohnraum, Bildung und Co. eben nicht mit der Migrationsfrage verbindet.

Der selbstkritikunfähigste Moment des Abends

Gleich zu Beginn stellt Frank Plasberg fest, dass alle zustimmen, dass der Ton rauer geworden sei. Plasberg will nun von jedem Studiogast wissen: "Was ist Ihr persönlicher Anteil daran?"

Claus Strunz ist als Erster dran und antwortet nach dem Prinzip 'Man muss die Schuld auch mal bei den anderen suchen': "Ich tue mich schwer, meinen Anteil festzustellen. Ich hab ja nichts anderes getan, als Dinge klar benannt."

Die Zurechtweisung kommt von Michel Abdollahi: "Herr Strunz ist ja völlig selbstkritikunfähig gewesen. Er hat gar keinen Anteil an gar nichts gehabt mit dem, was er sonst so macht."

Wie Selbstkritik geht, zeigt Abdollahi dann gleich im Anschluss, als er an der Reihe ist: "Ich habe in der Debatte ab und zu ein bisschen überreagiert, weil mich das so unglaublich wütend gemacht hat."

Wie sieht die Lösung aus?

Reden. Hier erzählt Michel Abdollahi von den vielen Hassmails, die er bekommt und von einem Phänomen: "Je schlimmer die Nachricht ist, umso besser ist es, zu antworten, weil die Menschen dann sehen, dass da ein Mensch dahinter sitzt. Dann sind sie meistens peinlich berührt und entschuldigen sich für das, was sie getan haben." Abdollahis Fazit: "Das alles zeigt mir, das Reden die beste Wahl ist. Aber es ist auch die mühsamste."

Raum zum Reden will die Kirche geben, wie Annette Behnken erklärt: "Austausch, Zuhören und Verstehen. Da sehe ich durchaus eine Rolle der Kirche, dafür Räume zu schaffen."

Die Erkenntnis des Abends

Ist Deutschland gespalten? Ja natürlich – wie jedes andere Land auch. Die Diskussion machte aber noch einmal deutlich, dass es eine Spaltung, also viele unterschiedliche Meinungen, schon immer gab, der Ton, mit dem man miteinander redet, aber rauer geworden zu sein scheint.

Was zu diskutieren also lohnt, ist die Frage, was sich in der Diskursführung geändert hat. Gleichzeitig lohnt sich auch einmal der Blick darauf, ob die Verantwortung, wie von Strunz und Hermenau oft behauptet, wirklich immer bei der Politik liegt.

Das Fazit

Es muss der "Hart, aber fair"-Redaktion klar gewesen sein, dass es auf die Frage "Wie gespalten ist Deutschland?" keine Antwort geben kann. Wie hätte die auch ausfallen sollen? 113? 5 Minuten und 30 Sekunden? 20 Kilo? Mit welcher Einheit misst man Spaltung?

Erst, als es wenige Minuten vor Schluss noch ganz kurz um Armut ging und Plasberg vorführte, dass die 50 reichsten Deutschen so viel Vermögen haben wie die Hälfte der Gesamtbevölkerung, wurde Spaltung greif-, weil zählbar.

Natürlich, das gehört auch zu einer freien Diskussion dazu, darf man auch einmal seine gefühlte Wahrheit kundtun, kann man im Eifer des Gefechts nicht immer zu jedem Argument die passende Statistik liefern. Aber man sollte es zumindest versuchen.

Sonst, auch das zeigte die Diskussion zwischen den Zeilen, argumentiert jeder mit seiner Gefühlslage und es gewinnt der, der am lautesten schreit.

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