Endlich wird wieder gestritten im deutschen Fernsehen: Frank Plasberg spricht mit seinen Gästen bei "Hart aber fair" über die Frage, was wir noch sagen dürfen und was nicht. Dabei geht es durchaus emotional zu.
Man kann es mutig oder fragwürdig finden: Während ganz Europa unter steigenden Corona-Infektionszahlen leidet, nimmt sich
Das Thema erweist sich als Glücksgriff. Erstens nehmen zur Abwechslung nicht die üblichen Verdächtigen im Fernsehstudio Platz. Zweitens ist es erfrischend, wenn mal über etwas anderes als Corona und Krisen debattiert wird. Und drittens ist das Thema wie gemacht für eine Talkshow.
Im Studio wird diskutiert wie seit Monaten nicht mehr. Und weil zu diesen Fragen jeder eine Meinung hat, dürfte die Sendung auch den Blutdruck von vielen Zuschauenden nach oben getrieben haben.
Wer sind die Gäste bei "Hart aber fair"?
Stefanie Lohaus: Sprache bestimme unser Denken und unsere Gefühle, erklärt die Gründerin des feministischen "Missy Magazine". Sie setzt sich deshalb für diskriminierungsfreie Sprache ein. "Vor der Gewalt kommt immer die Sprache."
Stephan Anpalagan: Der Journalist findet es richtig, bestimmte Wörter aus dem Wortschatz zu streichen, wenn sie andere Menschen diskriminieren. Das sei in Deutschland alles andere als ungewöhnlich – auch außerhalb der Sprache. "Es gibt den Knigge, es gibt Benimmregeln. Und wenn Sie sich auf einer Feier danebenbenehmen, dann werden Sie nicht mehr eingeladen."
Svenja Flaßpöhler: Rechtlich dürfe man vieles sagen – doch politisch, moralisch und "sittlich" habe eine Verengung stattgefunden, sagt die Chefredakteurin des "Philosophie-Magazins": "Wenn ich eine dem Mainstream nicht angemessene Position, eine unbequeme Position vertrete, werde ich sehr schnell als rechts und damit indiskutabel gelabelt."
Jan Weiler: Der Schriftsteller findet es falsch, die Sprache von Diskriminierung befreien zu wollen. Denn die Sprache selbst sei unschuldig. "Wir fangen an, uns übergriffig übereinander zu stülpen und zu verhaken." Dagegen müsse man sich wehren.
Andrew Onuegbu: Der aus Nigeria stammende Koch hat sein Kieler Restaurant "Zum Mohrenkopf" genannt – und ist sehr glücklich damit. Selbst andere Schwarze würden ihn mit "Hallo Mohrenkopf" begrüßen. "Deswegen überrascht es mich, dass manche Leute sich aufregen."
Was ist das Rededuell des Abends?
Die Rollen sind klar verteilt. Stefanie Lohaus und Stephan Anpalagan wollen, dass Menschen mehr auf ihren Sprachgebrauch achten. Jürgen von der Lippe, Svenja Flaßpöhler und Jan Weiler wollen sich ihre Sprache dagegen nicht vorschreiben lassen. Besonders die beiden Frauen in der Runde geraten mehrmals aneinander.
Philosophin Svenja Flaßpöhler findet etwa, die Sensibilität sei inzwischen so hoch, dass sie destruktiv werde. "Ich habe manchmal das Gefühl, wir laufen inzwischen alle rum wie eine offene Wunde, die man schützen muss vor jeglicher Form von Infektion." Eine liberale demokratische Gesellschaft könne aber nur funktionieren, wenn sich die Menschen auch ein Stück weit "selber immunisieren".
Das sei furchtbar und eine rechte Rhetorik, findet Stefanie Lohaus: "Immer wenn Minderheiten für ihre Rechte einstehen, wird das Ende des Abendlands ausgerufen." Flaßpöhler reagiert darauf sichtlich verärgert. "Warum ist das rechts?", fragt sie wütend zurück. Vom Ende des Abendlandes habe sie nichts gesagt. "Es gehört zu einer Debatte dazu, dass man richtig zuhört."
Was ist der Moment des Abends?
Es geht zeitweise ganz schön verbissen zu. Umso angenehmer ist das kurze Einzelgespräch mit dem Koch Andrew Onuegbu. Da darf auch mal ein bisschen gelacht werden – obwohl es um ein ernstes Thema geht. Als der Schwarze sein Restaurant "Zum Mohrenkopf" eröffnet hatte, fragte ihn ein schwarzer Gast, warum er für einen Nazi arbeite.
Die Frau des Gastes verlangte sogar, mit dem "faschistschen Chef" zu sprechen, um sich über den Namen zu beschweren. Onuegbu erklärte mehrmals, dass er selbst der Chef sei – das wollte das Paar allerdings nicht glauben. Dass ein Schwarzer selbst das Restaurant führt, konnten sie sich anscheinend nicht vorstellen.
Am Ende sagte Onuegbu zu ihnen: "Das was Sie gerade gemacht haben, das nennt sich purer Rassismus." Seine Botschaft ist: "Ich finde es ganz schlimm, wenn andere Menschen mir sagen, wann meine Gefühle verletzt sind."
Was ist das Ergebnis bei "Hart aber fair"?
Eine Abwechslung ist diese Sendung auf alle Fälle. Dass Gäste sehr emotional debattieren, sich sogar mal ins Wort fallen, hat man als Talkshow-Zuschauer lange nicht mehr erlebt.
Außerdem ist das Thema alltagsnah: An der eigenen Sprache kann nach dieser Sendung jede und jeder arbeiten – oder es eben auch lassen. Umso bedauerlicher ist allerdings, dass die Gäste sich stellenweise auf einem reichlich abgehobenen Niveau bewegen, mit Begriffen wie Whataboutism, Framing und dialektischem Umschlag um sich werfen.
Etwas fragwürdig ist zudem die Verteilung der Täter- und Opfer-Rollen. Fernsehmoderator Jürgen von der Lippe etwa wird als Opfer eines Shitstorms dargestellt, weil er in den sozialen Medien für seine Greta-Thunberg-Kritik beschimpft wurde. Das dürfte allerdings kein Vergleich zu dem Hass sein, dem dort zum Beispiel prominente Frauen und Migranten ausgesetzt sind.
Stephan Anpalagan sagt es ganz treffend zu Frank Plasberg: "Fragen Sie mal Ihre journalistischen Kolleginnen und Kollegen, die einen ausländischen Nachnamen haben, welche Art von Post, welche Bedrohungslage, welche Art von Rückmeldungen die auf jeden einzelnen verdammten Text bekommen."
Und noch etwas nervt: Behauptungen wie die von Jan Weiler, wonach Deutschland den Pfad der Demokratie verlasse, weil man nicht mehr sagen dürfe, was man will. Dass diese Befürchtung völliger Quatsch ist, beweist schon die Sendung selbst. 75 Minuten wird sehr engagiert, manchmal auch ein bisschen zu verbissen über dieses Thema diskutiert. Würden wir nicht in einer sehr intakten Demokratie leben, wäre das gar nicht möglich.
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