Bei Caren Miosga ging es am Sonntagabend um die Situation der deutschen Wirtschaft. Gott sei Dank hielt sich die Sendung nicht mit einer Lagebeschreibung auf, sondern ging in die Vollen: Wie viel Geld braucht es, wo lässt sich sparen, welche Instrumente gibt es? Dabei verriet Wirtschaftsminister Habeck, welche Frage ihn derzeit umtreibt und äußerte eine Befürchtung in Sachen Sparkurs.

Eine Kritik
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Vorstoß des Bundeswirtschaftsministers: Robert Habeck (Grüne) schlägt ein milliardenschweres Sondervermögen für die deutsche Wirtschaft vor. 2023 war sie als einzige große westliche Industrienation geschrumpft. Um die Schuldenbremse einzuhalten, sei ein Sondertopf ein möglicher Ausweg, sagte Habeck im Bundestag. Mit dem schuldenfinanzierten Sondervermögen könnten Steuergutschriften und steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten geschaffen werden. Habeck sprach im Bundestag von einem "Wirtschaftschancengesetz mal zehn, vielleicht mal 50, um dieses Land nach vorne zu bringen".

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Das ist das Thema bei "Caren Miosga"

Miosga erklärte direkt zu Sendungsbeginn gewitzt, worum es am Sonntagabend (4. Februar) ging: "Die Heizung ist kaputt, der Installateur kann aber erst in drei Wochen. Ich schleppe mich mit dickem Hals zur Apotheke, aber die Antibiotika werden nicht mehr geliefert. Und weil ich meinen Arzt weder anrufen kann – kein Netz – noch aufsuchen kann – Busse und Bahnen streiken – setze ich mich hin und schreibe ein Fax an das Bundeswirtschaftsministerium, mit der Frage: "Überfordert die Ampel Deutschland, Herr Habeck?"

Das sind die Gäste

  • Robert Habeck (Grüne): "Es wäre für einen Teil des Parlaments ganz leicht zu sagen, wir erhöhen die Steuern", so Habeck. Es sei aber ausgeschlossen, dafür eine Mehrheit zu finden. "Es wird für einen anderen Teil ganz leicht sein zu sagen: 'Wir kürzen die Renten'", sagte Habeck weiter. Auch hier sei eine Mehrheit ausgeschlossen. Ein Teil wolle bei Leistungen kürzen, ein anderer das Fliegen teurer machen. "Es ist ausgeschlossen, dass wir dafür Mehrheiten finden und das Volumen reicht", erklärte er. Alles Mögliche schließe sich aus und man gehe nach Hause mit dem Gefühl, man könne die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft nicht erreichen. "Das kann man nur finden, wenn man glaubt, der Parteitag ist wichtiger als das Land", so Habeck. Man müsse unvoreingenommen über alle Vorschläge diskutieren können.
  • Julia Löhr: Die Wirtschaftskorrespondentin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" meinte: "Der Lockruf für die Energiewende war immer 'Sonne und Wind schicken keine Rechnung'. Aber so einfach ist es leider nicht." Es sei fraglich, ob es sinnvoll sei, nur auf die erneuerbaren Energien zu setzen. Deutschland sei mit seiner Lage in Mitteleuropa nicht besonders begünstigt. "Wir werden nie so günstige Energiepreise haben wie zum Beispiel Norwegen mit seiner Wasserkraft oder Spanien, die viel Gas haben oder kurze Wege zu Wasserstoff aus Nordafrika. Deswegen wird es perspektivisch leider teuer bleiben", ahnte sie.
Caren Miosga mit ihren Gästen
Julia Löhr in der Sendung von Caren Miosga. © NDR/Thomas Ernst
  • Gunnar Groebler: Der Vorstandsvorsitzende des Stahlkonzerns Salzgitter AG sagte: "Die Industrie braucht einen verlässlichen Strompreis, der im globalen Wettbewerb wettbewerbsfähig ist für uns." Es sei nicht Ziel der Industrie, dauerhaft am Tropf der Subventionen zu hängen. "Es hat heute einen Wert, Resilienz in den wirtschaftlichen Ketten zu erhalten", sagte Groebler. Man habe erlebt, was eine Chip-Logistik-Krise oder eine Blockade im Suezkanal bedeute. Der Startpunkt der Wertschöpfung müsse im Zugriff sein.
Caren Miosga mit ihren Gästen
Gunnar Groebler im Gespräch bei "Miosga". © NDR/Thomas Ernst

Das ist der Moment des Abends bei "Caren Miosga"

Caren Miosga fragte Habeck, in welchen Bereichen er bereit wäre, zu sparen. Seine Antwort: "Wir haben gerade gespart und Sie haben gesehen, wie die freudige Begleitung ausgeblieben ist, um es mal höflich zu formulieren." Sparen bedeute, etwas wegzunehmen. Nun habe es die Landwirtschaft mit dem Agrardiesel getroffen. Diese Maßnahme würde über drei Jahre gestuft 450 Millionen bringen – bei einem Bedarf von rund 30 Milliarden Euro. Diese Zahl hatte die Opposition ins Spiel gebracht, als sie eine Senkung der Unternehmenssteuer ins Spiel brachte. "Ein Bruchteil dessen, über was wir reden", folgerte der Vizekanzler. "Die Konsequenz wäre das Gleiche mal 60. Ehrlicherweise weiß ich nicht, ob das Land das aushält und ob die demokratische Politik im Land das aushält."

Habeck

Habeck bei Caren Miosga: Wann kommt das Klimageld?

Es ist wohl komplizierter als gedacht. Deutschland ringt mit dem geplanten Klimageld. Habeck erklärt bei "Miosga", wo die Probleme liegen. (Bildcredit: ARD/ Thomas Ernst)

Das ist das Rede-Duell des Abends

Miosga stieß eine Debatte über die Ansiedelung von Intel in Deutschland an. Sie kommentierte: "Der deutsche Steuerzahler beschenkt Intel ungefähr mit der Summe, die das Unternehmen in zwei Jahren an Gewinn gemacht hat." Habeck erklärte: "Die Frage, die im Raum steht, ist: Ist es klug, Halbleiter in Deutschland zu produzieren und sind wir bereit, einen Preis dafür zu bezahlen?" Derzeit gebe es fast keine Produktion in Deutschland und Europa. "Die Chips aus Taiwan kommen nicht mit der Brieftaube, sondern werden transportiert durch die halbe Welt. Es ist wichtig, dass wir eine eigene Resilienz schaffen bei diesen Schlüsselindustrien", meint er.

Da grätschte Löhr hinein: "Aber wäre es nicht viel besser, wenn Sie einfach Rahmenbedingungen in Deutschland schaffen, damit Unternehmen sich hier ansiedeln aus dem Ausland, ohne, dass wir Bestechungsgeld dazugeben müssen?" Habeck konterte: "Das wäre viel besser, wenn es so wäre. Aber das Dumme ist: Die Welt ist nicht so." Sie spiele nicht nach den Bedingungen der idealen Marktwirtschaft. Die USA und China würden Milliardensummen ausgeben, um diese Unternehmen strategisch bei sich zu halten.

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So hat sich Caren Miosga geschlagen

Stichelnde Fragen ("Schon daran gewöhnt, an allem schuld sein zu müssen, Herr Habeck?"), persönliche Fragen ("Gibt es Verfehlungen, für die Sie sich die Schuld geben?") und analytische Fragen ("Was ist Ihre Idee, damit Deutschland konkurrenzfähig bleibt?") – Miosga lieferte einen bunten Blumenstrauß. Einzig ein wenig mehr Tempo in der Runde hätte die Moderatorin machen dürfen – das merkte sie ganz zum Schluss dann auch selbst, als nur noch wenige Sekunden für die Frage blieben, ob ein Klimageld kommt. Eine klare Aussage konnte sie Habeck nicht mehr abringen, der verwies nur auf die nächste Legislatur.

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Das ist das Ergebnis bei "Caren Miosga"

Wirtschaft ist in Talkrunden stets ein undankbares Thema, denn bei Begriffen wie "Netzentgelte", "Redispatch" oder "Abschreibung" schalten viele Zuschauer ab. Gepaart mit einem Wirtschaftsminister, der dafür bekannt ist, analytisch den ganz großen Wurf aufzuzeigen, war diese Sendung von vornherein eine Herausforderung. Festhalten ließ sich dann aber doch Folgendes: Erstens: Ohne politische Maßnahmen wird sich die wirtschaftliche Lage Deutschlands kaum wieder einrenken. Zweitens: Die Ampel schafft es nicht, 8 Milliarden zusammenzukratzen, gebraucht werden aber mindestens 30. Das Problem ist also zehnmal größer als die Gegenwart. Und drittens: Habeck verriet die Frage, die ihn umtreibt: "Tue ich eigentlich als Wirtschaftsminister dieser Bundesrepublik genug, um die kritischen Güter hier in Europa zu produzieren?" Dabei dachte er beispielsweise an Antibiotika.

Verwendete Quellen

  • ARD: Sendung "Caren Miosga" vom 04.02.2024
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