Seit gut einem Monat lebt der russische Oppositionelle Vladimir Kara-Murza endlich wieder in Freiheit. Bei "Markus Lanz" (ZDF) berichtete der Kreml-Kritiker, der bereits zwei Giftanschläge überlebte, auf bewegende Art und Weise über seine Zeit im russischen Gefängnis.
Knapp über ein Jahr musste der russische Kreml-Kritiker Vladimir Kara-Murza in Isolationshaft in Sibirien verbringen. Er erlebte horrende Zustände, die ihn um sein Leben bangen ließen. Bei "
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Am 1. August ging der größte Gefangenenaustausch seit dem Ende des Kalten Krieges vonstatten. Die deutsche Bundesregierung bestätigte bereits die Freilassung von 16 Personen aus Russland und Belarus. Im Gegenzug wurde der 2021 zu lebenslanger Haft verurteilte "Tiergartenmörder" Vadim Krassikow als Teil des Deals zurück nach Moskau geschickt. Markus Lanz sprach am Donnerstagabend mit einem der befreiten Kreml-Kritiker über die grausamen Haftbedingungen und das wiedererlangte Gefühl von Freiheit.
Das sind die Gäste
- Vladimir Kara-Murza, Kreml-Kritiker: "Dieser Gefangenenaustausch hat gezeigt, dass Werte nach wie vor Bestand haben"
- Gerhard Conrad, Politologe: "Geiselnahme, um die eigenen Leute freizupressen, das macht nicht nur Russland - das machen auch Iran, Nordkorea, China"
- Elmar Theveßen, Korrespondent: "
Kamala Harris hat tatsächlich eine ernsthafte Chance, die Wahl zu gewinnen" - Florence Gaub, Militär-Expertin: "Vieles von dem, was in der Ukraine und in Russland gerade passiert, ist eigentlich eher für amerikanische Wähler gemacht und gedacht"
- Nikolaus Blome, Journalist: "Demokratie ist eben auch, wenn die Falschen gewinnen"
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Anfang August haben mehrere westliche Staaten und Russland einen groß angelegten Gefangenenaustausch vollzogen, bei dem verurteilte Personen wie der US-Journalist Evan Gershkovich freigelassen wurden. Im Gegenzug wurde unter anderem der "Tiergartenmörder" Vadim Krassikow an Russland übergeben. "Das ist der erste größere Gefangenenaustausch von Häftlingen seit Ende des Kalten Krieges", erklärte Politologe und Ex-BND-Agent Gerhard Conrad bei "Markus Lanz". Er ergänzte nachdenklich: "Die meisten Austauschaktionen sind ja auch im Grunde genommen unerfreuliche Geschäfte - häufig für beide Seiten."
Unter den 16 Menschen, die jüngst aus russischer Haft befreit wurden, war auch der in Moskau geborene Kreml-Kritiker Vladimir Kara-Murza. Er wurde am 1. August unter strengster Geheimhaltung aus einem Hochsicherheitsgefängnis in Sibirien über Ankara nach Deutschland überführt. Aus Berlin zugeschaltet berichtete Kara-Murza, der wegen angeblichen Hochverrats zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt worden war: "Ich war mir sicher, dass ich in Putins Gefängnis sterben würde." Lanz wollte daher wissen: "Wie fühlt sich Freiheit an?" Der Putin-Kritiker erklärte, dass seine Freiheit für ihn selbst "nach wie vor sehr surreal" sei. "Ehrlich gesagt fühlt sich das immer noch wie im Film an. Vor fünf Wochen war ich mir noch ganz sicher, dass ich sterben würde in diesem Gefängnis in Sibirien", so Kara-Murza. Er offenbarte in dem Zusammenhang auch, dass er bereits über ein ganzes Jahr Isolationshaft - auf gerade einmal sechs Quadratmetern - überlebt habe.
Markus Lanz machte daraufhin deutlich, dass bereits alles über 15 Tage hinaus international als Folter gelte. Vladimir Kara-Murza nickte zustimmend: "Es war eine kleine Gefängniszelle (...) mit einem kleinen Fenster. Das Bett wird um 5 Uhr morgens hochgeklappt (...) und man kann sich den ganzen Tag nicht hinlegen." Kara-Murza ergänzte: "Man ist stets alleine - Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat. Sie können sich mit niemandem unterhalten, Sie können nirgendwo hingehen, Sie haben nichts zu tun."
Der ZDF-Moderator hakte bestürzt nach: "Wie hält man das aus?" Vladimir Kara-Murza, der bereits zwei Giftanschläge überlebte, antwortete ehrlich: "Wenn Sie überhaupt keine menschlichen Kontakte haben, (...) dann wird man ziemlich leicht verrückt und man muss sich wirklich anstrengen." Er habe deshalb während seiner Inhaftierung Spanisch gelernt und durfte 90 Minuten am Tag zum Schreiben nutzen. Eine grausame Erinnerung, die Kara-Murza im Gespräch mit Lanz jedoch in Dankbarkeit umwandelte. "Dieser Austausch am 1. August war in vielerlei Hinsicht historisch", so der Kreml-Kritiker. Er erklärte weiter, dass es sich aktuell um den "fünften Austausch in der Geschichte" gehandelt habe, in dem es auch darum ging, "politische Häftlinge zu befreien" - eine "sehr starke, mächtige Botschaft", ergänzte Kara-Murza emotional. "Dieser Gefangenenaustausch hat gezeigt, dass Werte nach wie vor Bestand haben."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Nach dem Gespräch mit Kreml-Kritiker Vladimir Kara-Murza gab Markus Lanz sichtlich gerührt zu: "Das war sehr bewegend, sehr beeindruckend." Der ZDF-Moderator wollte daraufhin wissen, ob Erpressungen in Form von Gefangenenaustauschen auch künftig weitergehen werden. Darauf antwortete Politologe Gerhard Conrad mit einem deutlichen "Ja" und sagte, es sei "ein Geschäftsmodell" von autoritären Staaten, "die ihr System entsprechend nutzen, wenn ein Interesse besteht".
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
In Bezug auf den erfolgreich ausgeführten Gefangenenaustausch erklärte Kreml-Kritiker Vladimir Kara-Murz bei "Markus Lanz", dass in Demokratien oftmals auch "schwere Entscheidungen" getroffen werden müssten. Auch wenn der zu lebenslanger Haft verurteilte "Tiergartenmörder" Krassikow aktuell wieder auf freiem Fuß zurück nach Moskau geschickt wurde, sagte Kara-Murza voller Überzeugung: "16 Menschenleben für das Leben eines Mörders, der freigelassen wurde. War es das wert? Ich denke, das sollte keine Ausnahme bleiben." Der russische Oppositionelle forderte deshalb im Gespräch mit Markus Lanz: "Es gibt Hunderte, womöglich Tausende andere politische Gefangene in Putins Gefängnissen - sie müssen gerettet werden."
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