Bei Maybrit Illner ging’s am Donnerstagabend (23.) um die Finanzpolitik der Ampel und die Frage, wie es weitergehen soll. Denn seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fehlen 60 Milliarden Euro. Illners spannendste Frage lautete: "Wird diese Ampel mit Geld zusammengehalten?" Die Antwort darauf führte zum Moment der Sendung.
Jetzt also doch: Die Ampelkoalition will die Schuldenbremse für 2023 aussetzen. Wie Bundesfinanzminister
Das ist das Thema bei "Maybrit Illner"
Sie wollten Großes schaffen, die selbsternannten "Forschrittskoalitionäre" – nun ist die Ampel im Stimmungstief. Ihr Trick, nicht ausgezahlte Corona-Hilfen als Wirtschaftsbooster zu benutzen, ist als verfassungswidrig erklärt worden.
Das sind die Gäste
Christian Dürr (FDP): "Es ist sozusagen die Notlage im falschen Jahr erklärt worden, deshalb holen wir das jetzt nach", so der Fraktionsvorsitzende. Das sei eine Praxis, die man aus den Ländern kenne. Die Schuldenquote sei unter der Ampel insgesamt zurückgegangen. "Wir haben die Aufgabe, jetzt Prioritäten zu setzen", so Dürr.Alexander Dobrindt (CSU): "Wir wollen der Ampel nicht noch zusätzliche Schwierigkeiten machen, mehr als sie sich selbst schon gemacht hat. Aber wir werden darauf achten, dass es rechtskonform ist und dass nicht ein weiterer Betrug oder weitere Versuche, die Verfassung zu brechen, mit dem nächsten Haushalt schon vorprogrammiert sind", sagte der Landesgruppenchef.- Danyal Bayaz (Grüne): Der Finanzminister von Baden-Württemberg sagte: "Der Klimatransformationsfonds ist nicht die Spielzeugkiste vom Bundeswirtschaftsminister. Sondern da geht es um wichtige Projekte wie Stahlproduktion in NRW, Batteriezellen in Schleswig-Holstein, Wasserstoffprojekte in Baden-Württemberg oder Halbleiter in Magdeburg." Es gehe um die Zukunft des Wirtschafts- und Industriestandortes. Rückblickend gab er zu: "Ich hatte da immer ein mulmiges Gefühl."
- Monika Schnitzer: "Wir haben eine enorme Verunsicherung der Wirtschaft und der Bevölkerung", so die Wirtschaftsweise. Das bremse die Investitionsbereitschaft und die Konsumlaune. Nun müsse sich die Ampel schnell mit den anderen Parteien zusammensetzen und überlegen, wie man aus der Nummer rauskommt. "Denn das erwartet die Bevölkerung", meinte Schnitzer.
- Dagmar Rosenfeld: Die Chefredakteurin der "Welt am Sonntag" sagte: "Der Ampel-Koalition ist es nicht gelungen, das selbstgesetzte Ziel, die Schuldenbremse in diesem Jahr einzuhalten, auch zu vollbringen. Deswegen wird jetzt eine Notlage ausgerufen im Nachhinein." Sie prognostizierte, dass die Union nicht gegen eine Ausrufung der Notlage klagen werde – denn das passiere auch in Unions-geführten Bundesländern.
- Sarah Tacke: Die ZDF-Rechtsexpertin sagte über den verfassungswidrigen Haushalt: "Es kann relativ leicht geheilt werden." Der Maßstab sei, dass eine Notsituation jedes Jahr aus Neue wieder festgestellt werden müsste. Das sei in diesem Fall nicht besonders schwierig. "Der Ukraine-Krieg 2022, das ist eine klassische Notsituation, unvorhersehbares Ereignis", so Tacke. Je länger die Ursache aber her sei, desto höher seien die Anforderungen zu begründen, warum die Notsituation noch fortgedauert habe.
Das ist der Moment des Abends bei "Illner"
Illner stellte eine der spannendsten Fragen der Sendung: "Wird diese Ampel mit Geld zusammengehalten? Gäbe es sie ohne den KTF überhaupt?" Journalistin Rosenfeld antwortete: "Die Ampel wird dadurch zusammengehalten, dass sie Geld ausgibt und so tut, als ob sie kein Geld ausgibt." Die Erzählung der Grünen sei, "dass man den Transformationsprozess hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft quasi zum Nulltarif bekommt". Die FDP habe die Schuldenbremse bekommen und sich so als Stabilitätsanker der finanzpolitischen Vernunft generieren können.
Man habe die Schuldenbremse offiziell eingehalten, aber über Schattenhaushalte Schulden gemacht. "Diese Praxis ist jetzt an ihr Ende gekommen. Das bedeutet für die Ampel, dass sie sich ein Stück weit neu erfinden muss", war sich die Journalistin sicher. Die Koalition müsse nun ausdiskutieren, wie die Klimapolitik finanziert werden und wie die Schuldenbremse gewahrt werden solle. "Diese Auseinandersetzung steht der Ampel nun bevor."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Dobrindt stichelte: "2024 hat die Ampel schlichtweg keinen Plan." Außer, dass sie sich an ein Gerichtsurteil halten wollen, sei von den drei Koalitionären im Nachgang der Entscheidung nichts gekommen. "Vom Bundeskanzler hört man übrigens jetzt seit einer Woche gar nichts", kommentierte der CSU-Politiker.
Lindner sage, es müsse nun ein zweistelliger Milliardenbetrag eingespart werden, bei den Grünen heiße es, man müsse die Ausgaben eher noch ausweiten. "Das ist bisher nicht aufgelöst", legte Dobrindt den Finger in die Wunde. Mit 550-Milliarden Euro habe man einen Rekordhaushalt, 20 Prozent höher als vor der Corona-Zeit. Bayaz kommentierte: "1. Semester Volkswirtschaft, dass man diese Zahlen nicht miteinander vergleichen kann."
Auch Dürr schaltete sich ein: "Herr Dobrindt, sorry, aber das geht so nicht." Er setzte nach: "Warum streiten Sie sich nicht mit dem regierenden Bürgermeister von Berlin, der von der CDU gestellt wird, der heute fordert, die Schuldenbremse aufzuweichen. Ich halte das für falsch." Die Union solle erst im eigenen Laden für Klarheit sorgen, bevor sie mit den Grünen streite.
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So hat sich Maybrit Illner geschlagen
Die beste Frage führte zum Moment der Sendung – aber das war es dann auch schon. "Wie konnte das passieren?" oder "Schuldenbremse jetzt doch plötzlich aussetzen?" waren wenig kreative Fragen. Stattdessen hätten Illner mehr auf die Diskrepanzen zielen müssen: Subventionieren oder Leistungen streichen, Steuern erhöhen oder Projekte eindampfen – um all das hätte es gehen müssen.
Das ist das Ergebnis bei "Illner"
Drei Dinge konnte man dann doch aus der Sendung mitnehmen. Erstens: Die Politik darf nicht so tun, als ob Klimaschutz und gesellschaftliche Transformation nichts kostet. Grün, digitalisiert und nachhaltig zum Nulltarif? Die Wahrheit: Gibt’s so nicht. Gleichzeitig wurde deutlich, dass der Wandel nicht nur mit Staatsknete finanziert werden kann. 9 von 10 Investitionen, so erinnerte auch Dürr, kämen aus dem privaten Sektor. Das müsse man stärken. Drittens: Dass die Regierung jetzt zerbricht, fand keine Mehrheit im Studio.
Verwendete Quellen:
- ZDF: Sendung "Maybrit Illner" vom 23.11.2023
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