Anne Will machte am Sonntagabend (12. November) den Krieg in Israel zum Thema ihrer Sendung. Dabei lag der Fokus vor allem auf einer Frage: Kann die militärische Operation Israels zum Erfolg führen oder werden damit neue Probleme geschaffen? Während ein Experte keine Alternative sah, sorgte Comedian Abdul Chahin für einen Moment der Stille im Studio.

Eine Kritik
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Noch immer befinden sich über 200 israelische Geiseln in Gefangenschaft der Hamas, doch Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat leise Hoffnung auf eine Freilassung weiterer Geiseln gemacht. "Es könnte sein, aber ich denke, je weniger ich darüber sage, desto besser stehen die Chancen, dass ein solches Abkommen tatsächlich zustande kommt", sagte er dem US-Sender NBC. Ein möglicher Erfolg sei allein das Ergebnis von militärischem Druck – eins der Themen auch bei Anne Will am Sonntagabend (12. November).

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Das ist das Thema bei "Anne Will"

Bei Anne Will ging es am Sonntagabend um den Krieg in Israel. Knapp einen Monat nach dem Terrorangriff durch die Hamas ist kein Ende des Konflikts in Sicht, dennoch fragte die Moderatorin: "Wie kann das enden? Gibt es eine Perspektive für ein Danach?" Dabei ging es sowohl um die Notwendigkeit der militärischen Operation der Israelis und bröckelnde internationale Unterstützung sowie um Wege in die Diplomatie, Feuerpausen und Antisemitismus in Deutschland.

Das sind die Gäste

  • Omid Nouripour (Grüne): "Die Verantwortung ist eindeutig", sagte der Bundesvorsitzende der Grünen. Die Aggression sei von der Hamas ausgegangen und sie schade gerade auf vielfältige Weise der Bevölkerung im Gaza-Streifen – etwa, indem die Hamas Treibstoffe für Militärfahrzeuge bunkere, Reserven von Zivilisten beschlagnahme oder auf fliehende Menschen schieße. Man müsse in Deutschland in eine Diskussion kommen, "wo es nicht heißt, die Israelis gegen die Palästinenser", mahnte Nouripour.
  • Carl Bildt: Der ehemalige Ministerpräsident von Schweden warnte: "Ich denke, dass Israel vorsichtig sein muss." Man dürfe nicht die Bedingungen schaffen, dass in Zukunft noch weitere Kriege ausbrechen. Wenn es mehr als 10.000 Tote innerhalb von zwei Wochen zu verzeichnen gebe, sei das eine sehr hohe Zahl, so Bildt. Es könne schwierig sein, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen, nachdem die Bomben nicht mehr fallen.
  • Jenny Havemann: Die deutsch-israelische Unternehmerin meinte: "Das Leben von fast allen Israelis hat sich verändert. Sehr viele vergleichen es mit dem Holocaust und sagen, wir leben in einem zweiten Holocaust." Es gebe vom Gefühl her viele Parallelen, man kämpfe um die Existenz. Dass sich Menschen beim Musikfestival unter den Leichen totgestellt hätten, seien Geschichten, die man bis dahin nur von den Großeltern gekannt hatte.
Gäste bei Anne Will
v.l.: Guido Steinberg, Omid Nouripour, Anne Will, Jenny Havemann, Abdul Chahin und Margot Friedländer (zugeschaltet). © NDR/Wolfgang Borrs
  • Abdul Chahin: "Als Mensch, der immer versucht hat Brücken zu bauen, war der 7. Oktober für mich eine Tragödie", so der Comedian und Autor. Nun hätten wieder viele Menschen eine Meinung und wenig Wissen. "Ich würde mir mehr Diplomatie wünschen", so Chahin. Der Kampf gegen die Hamas sei ein "Kampf gegen Geister". Man kriege sie nicht so leicht. "Der Kollateralschaden ist mittlerweile so hoch", sagte er.
  • Guido Steinberg: Der Nahost- und Terrorismusforscher sagte: "Die Zeit läuft den Israelis davon." Man sehe deutlich, dass die Bruchlinien zwischen dem wichtigsten Verbündeten, den USA, und der israelischen Regierung immer tiefer würden. "Die Kritik wird immer prinzipieller", so Steinberg. Das werde sich in den nächsten Wochen eher verschlimmern. Eigentlich sei die Operation auf die lange Dauer angelegt, er glaube aber nicht, dass die Israelis so viel Zeit hätten.
  • Margot Friedländer: "Ich hätte es nicht erwartet, dass in dieser Weise so etwas wiederkommt, nach dem, was war", so die Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin über die Tatsache, dass in Deutschland Jüdinnen und Juden wieder in Angst leben. Antisemitismus habe es aber immer gegeben und werde es leider immer geben. "Wir können tun was wir wollen, das sitzt in den Menschen fest", meinte sie. "Es gibt kein christliches, kein jüdisches, kein muslimisches Blut. Es ist alles menschliches Blut", erinnerte sie.

Das ist der Moment des Abends bei "Anne Will"

Anne Will sprach die schwierige Unterstützungslage in der internationalen Gemeinschaft für Israel an. Unternehmerin Havemann, die in Israel lebt, gab zu: "Israel fühlt sich tatsächlich schon lange alleine." Man bekomme die bröckelnde Unterstützung aus den USA mit. "Allerdings ist zumindest die Stimmung im Moment so, dass die Menschen in Israel sagen: 'Das ist uns relativ egal'", berichtete sie.

Will fragte erstaunt nach: "Echt? Warum egal?". Havemann erklärte, es sei derzeit international nicht einfach, aber es sei für Israel schon immer sehr schwierig gewesen. "Das ist wie der zweite Unabhängigkeitskrieg", beschrieb sie – "trotz all den Schwierigkeiten, die wir international haben, es geht um unsere Existenz. Das ist das Gefühl. Es geht um unser Leben."

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Das ist das Rede-Duell des Abends

Es ging um die Frage nach Waffenruhen und die Notwendigkeit der militärischen Operation der Israelis. "Wenn ich noch etwas zu dieser Frage sagen darf, man kann Terrororganisationen militärisch nicht zerschlagen: Dafür gibt es Beispiele – aber es gibt auch sehr viele Gegenbeispiele", leitete Steinberg ein. Israel müsse den Druck auf die Hamas hochhalten, dürfe aber nicht alle Brücken zur lokalen Bevölkerung abbrechen. "Deswegen ist es so wichtig, dass man verhältnismäßig vorgeht", betonte er. Es komme aber darauf an, die Hamas zu zerschlagen. "Jeder Staat würde das tun", betonte er.

Chahin reagierte aufgebracht: "Da muss man dann auch einfach mal aussprechen: Ey wir haben so einen Top-Point, 500.000 Palästinenser opfern wir jetzt dafür." Man habe keine Garantie dafür, dass das erfolgreich sei. So bekomme man eine neue Generation, die militant an die Sache herangehen würde. "Märtyrertod, Miliz und was weiß ich was", so Chahin. Nouripour hakte ein: "Die Israelis sagen ja nicht, wir haben eine Zahl von Leuten, die wollen wir umbringen." Die Hamas würden ihre Raketenstellungen auf zivile Einrichtungen stellen.

So hat sich Anne Will geschlagen

Anne Will traf den richtigen Ton. Dieser war sowohl einfühlsam ("Wie hat sich ihr Leben seit dem 7. Oktober verändert?") als auch kritisch ("Kann die Bundesregierung weiterhin an der Seite Israels stehen?"). Stellenweise fehlte aber der lösungsorientierte Blick. Klar war, dass Anne Will in ihrem Studio den Nahost-Konflikt nicht würde lösen können. Wenn aber beispielsweise mehr Diplomatie gefordert wurde, hätte Will mehr konkretisieren müssen, welche Akteure gemeint sind und was Verhandlungsgegenstand sein soll.

Das ist das Ergebnis bei "Anne Will"

Die Sendung brachte wichtige Erkenntnisse, aber der Titel passte nicht zur Sendung. Es ging weniger um ein Ende des Kriegs und die Zeit danach, sondern viel mehr um aktuelle Problembeschreibungen. Einen wichtigen Blick in die Zukunft wagte aber Comedian Chahin mit einer Frage: "Wie viele extremistische Menschen ernten wir jetzt von dieser Sache, die jetzt da unten in Gaza abgeht?", fragte er. Der Krieg sei ein Nährboden für Extremismus, warnte er.

Verwendete Quellen:

  • ARD: Sendung "Anne Will" vom 12.11.2023
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