2020 wurde der deutsche Aktivist Jamshid Sharmahd in Dubai entführt. Im Februar wurde er im Iran zum Tode verurteilt. Seine Tochter Gazelle Sharmahd bat die Bundesregierung um Hilfe. Friedrich Merz forderte bei "Markus Lanz", den Druck zu erhöhen, und thematisiert den Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen.

Eine Kritik
von Florian Neumaier
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Ist die Hinrichtung von Jamshid Sharmahd im Iran noch zu verhindern? Welchen Kurs sollte die Bundesregierung einschlagen? Und welchen Preis darf die Befreiung des inhaftierten deutsch-iranischen Aktivisten kosten? Über diese Fragen diskutierten am Mittwochabend der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, der SPD-Politiker Sebastian Fiedler, die Journalistin und Iran-Expertin Gilda Sahebi sowie Gazelle Sharmahd, die Tochter des Inhaftierten.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Seit dem Tod von Mahsa Amini im September 2022 regt sich breiter Protest gegen das Mullahregime und die regimetreuen Revolutionsgarden im Iran. Doch das Regime begegnet den Protesten mit harter Hand: Bei gewalttätigen Übergriffen verloren zahlreiche Menschen ihr Leben, viele Demonstranten wurden hingerichtet.

Mit Jamshid Sharmahd wurde im Februar erstmals ein deutscher Staatsangehöriger im Iran zum Tode verurteilt. Gazelle Sharmahd kämpft seither um das Leben ihres Vaters und hofft auf die Unterstützung der Bundesregierung. Die agierte bis dato eher zurückhaltend. Friedrich Merz (CDU) plädierte bei "Markus Lanz" für härtere Wirtschaftssanktionen und diplomatische Konsequenzen. Sebastian Fiedler (SPD) hielt hingegen nichts von populistischen Forderungen und verteidigte ein "chirurgisches Vorgehen".

Das sind die Gäste

  • Gazelle Sharmahd ist Aktivistin und die Tochter des zum Tode verurteilten Jamshid Sharmahd. Sie fordert die deutsche Bundesregierung auf, den Druck auf das iranische Regime zu erhöhen, um die Hinrichtung ihres Vaters noch zu verhindern.
  • Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat die politische Patenschaft für den Fall übernommen. Er fordert, die wirtschaftlichen Beziehungen zu Iran auf den Prüfstand zu stellen: "Das Geld, das dort verdient wird, ist blutiges Geld."
  • Gilda Sahebi, iranischstämmige Journalistin und Autorin, kritisiert die deutsche Naivität gegenüber den Mullahs: "Man muss sich klar sein, das ist tatsächlich ein Terrorregime."
  • Sebastian Fiedler, SPD-Politiker, wirbt dafür, im Hintergrund den Druck zu erhöhen. Er sieht die Geheimdienste in der Verantwortung.

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Diese Ausgabe von "Markus Lanz" war eine besondere, denn Gazelle Sharmahd ist nicht nur politische Aktivistin und ein "normaler Gast". Sie kämpft zunehmend verzweifelt um das Leben ihres Vaters, der im Iran zum Tode verurteilt wurde. Als sie an die Bundesregierung appellierte, mehr Druck auf den Iran auszuüben, um die Hinrichtung eines geliebten Menschen zu verhindern, hatte das einen besonderen Sound.

Es machte die Situation so vieler Menschen im Iran greifbar. Sharmahd erzählte - zugeschaltet aus Los Angeles - die Geschichte von der Entführung ihres Vaters, die exemplarisch für so viele politische verfolgte Menschen im Iran steht. Es sei "wirklich kurz vor zwölf" schilderte sie: "Wir haben wirklich keine Zeit mehr zu verlieren, und wir wissen noch nicht mal, ob mein Vater noch lebt, da wir keinen Zugang zu ihm haben."

Das Eingreifen der Bundesregierung komme viel zu spät: "Wir sehen jetzt, dass es eine Reaktion von der Bundesregierung gibt, nach dem Todesurteil. Warum gab es diese Reaktion nicht schon vor zweieinhalb Jahren, als ein Deutscher entführt worden ist?" Auch Gazelle Sharmahd selbst sei in Gefahr: "Ich würde gerne bei Ihnen im Studio sitzen. Ich kann nicht reisen. Das ist ein riesiges Sicherheitsrisiko für mich, nach Europa zu reisen. Die verfolgen jeden Schritt von mir, die verfolgen jedes Wort von mir."

Die Politik dürfe nicht aufgrund möglicher Business-Deals ignorieren, dass es seit über 40 Jahren immer wieder Geiselnahmen gegeben habe. Der Schritt, die Verantwortlichen nach der Befreiung der Gefangenen zur Rechenschaft zu ziehen, sei oft verpasst worden, kritisierte Sharmahd. Sogar das Gegenteil sei passiert: "Wir holen unsere Geiseln raus. Wir machen uns erpressbar. Und dann setzen wir uns wieder mit den Geiselnehmern an den Tisch."

In ihren Augen sei es verrückt, "wie wir mit Terroristen umgehen und die einfach nicht als Terroristen sehen oder nicht sehen wollen". Der harte Vorwurf Sharmahds lautete: "Es wurde einfach aktiv weggeschaut. Das ist das Problem." Die aktuelle Lage erfordere eine Zusammenarbeit über Regierungsgrenzen hinweg, forderte die Aktivistin.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Sharmahd eröffnete mit ihren Schilderungen die "Markus Lanz"-Sendung, danach kamen die Politiker zum Zug. Bei der Frage, welche Mittel der Bundesregierung zur Verfügung stehen, um den Druck auf das iranische Regime zu erhöhen, gingen die Meinungen auseinander. Friedrich Merz forderte eine harte Gangart und notfalls den Abbruch aller wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran.

Markus Lanz hakte nach: "Wären Sie bereit, wenn Sie Kanzler dieses Landes wären, zu sagen, wir stellen die Geschäftsbeziehungen ein?" "Die Antwort auf ihre Frage ist ein uneingeschränktes Ja. Wenn uns Geschäft wichtiger ist als Freiheit, dann haben wir unseren moralischen Kompass verloren", stellte Merz klar. "Das Geld, das dort verdient wird, ist blutiges Geld", legte der CDU-Vorsitzende nach.

Die iranisch-stämmige Journalistin und Autorin Gilda Sahebi konnte das so nicht stehen lassen: "Ich würde, was Herr Merz gerade gesagt hat, gerne ein bisschen zurechtrücken." Es gebe aufgrund der Sanktionen bereits keine nennenswerten wirtschaftlichen Beziehungen mehr zwischen Deutschland und Iran. "Wir sind bei 1,6 bis 1,8 Milliarden Euro im Jahr. Da gehen keine Arbeitsplätze verloren, wenn wir Nein sagen. Dieses Ja von Herrn Merz war so ein bisschen billig", analysierte Sahebi.

Auch Sebastian Fiedler sah Merz Aussage kritisch. Er wirft dem CDU-Mann Populismus vor: "Ich bin der Auffassung, dass ein chirurgisches Vorgehen effektiver ist als die großen politischen Überschriften." Den Kurs der Bundesregierung verteidigte der SPD-Politiker: "Es gibt keine einfache Antwort, und der zweite Teil ist, viele Dinge, die eine Antwort sein könnten, sollten wir heute Abend nicht besprechen." Solche Aufgaben müssten die Geheimdienste unter Ausschluss der Öffentlichkeit erledigen.

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Ein sensibles Thema erfordert eine sensible Gesprächsführung. Schließlich ging es am Mittwochabend auch um das Leben des Vaters einer der Gesprächsteilnehmerinnen. Markus Lanz wurde dieser Verantwortung größtenteils gerecht. Lanz gab Gazelle Sharmahd an den richtigen Stellen Raum und hakte an den richtigen Stellen nach.

Vor allem die Aussagen der beiden Politiker stellte er wiederholt auf den Prüfstand. Zwar nahm Lanz nicht, wie oft für ihn typisch, einen seiner Gäste in die Zange. Dafür gelang es ihm respektvoll, Öffentlichkeit für den Fall Sharmahd und die unterschiedlichen Positionen von Bundesregierung und Opposition herzustellen.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Einigkeit herrschte bei der Überzeugung, dass die Aktivitäten der iranischen Revolutionsgarden im Inland stärker verfolgt werden müssen. Gilda Sahebi sah in der Bundesrepublik noch Nachholbedarf: "Ich glaube, dass vor allem in Deutschland, aber auch in Europa insgesamt, eine sehr große Naivität gegenüber diesem Regime seit Jahren schon herrscht. Man muss sich klar sein, das ist tatsächlich ein Terrorregime."

Auch Sebastian Fiedler bestätigte, dass der Arm des iranischen Regimes längst bis nach Deutschland reicht. Thema ist die sogenannte Blaue Moschee, ein regimetreues sogenanntes Kulturzentrum in Hamburg, das sich schon länger im Visier der Ermittlungsbehörden befindet.

"Man will die Revolution exportieren, die Ideologie auf der Welt verteilen", führte Sahebi aus. "Wir wissen, dass eine große Zahl iranischer Agenten in Deutschland tätig ist", stimmt Merz zu. Er fordert, die Schließung der blauen Moschee zu prüfen. "Der Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland muss hier Zähne zeigen", bekräftigte der CDU-Vorsitzende.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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