- Die neue Ampel-Regierung möchte nicht genutzte Mittel im Haushalt umschichten.
- Damit soll mehr in Zukunftsfelder investiert werden.
- Die Union kritisiert diese Pläne scharf.
Das Bundeskabinett hat am Montag einen umstrittenen Nachtragshaushalt für milliardenschwere Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung auf den Weg gebracht. Finanzminister
Lindner setzt eine Vorgabe des Koalitionsvertrags um. Konkret plant die neue Regierung aus SPD, Grünen und FDP, dass der Energie- und Klimafonds um rund 60 Milliarden Euro aufgestockt wird - und zwar mit Mitteln, die als Kredite bereits genehmigt waren, in diesem Jahr aber nicht mehr gebraucht werden. Details wurden nicht genannt.
Schuldenbremse soll 2023 wieder gelten
In der Coronakrise hatte der Bund von einer Ausnahmeregel der im Grundgesetz verankerten Schuldenregel Gebrauch gemacht, um mit umfassenden Milliardenmitteln Folgen für Firmen und Jobs abzufedern. Die Schuldenbremse, die nur eine geringe Neuverschuldung zulässt, soll aber ab 2023 wieder gelten.
Die Bundesregierung hatte umfassende Corona-Hilfen für die Firmen vorgesehen - die Wirtschaft ist aber insgesamt wieder auf Wachstumskurs, obwohl einige Branchen wie das Gastgewerbe und der Einzelhandel von der Pandemie weiter belastet sind.
Lindner sagte, der Fonds werde dann mit rund 76 Milliarden Euro gefüllt sein. In der Pandemie seien viele Investitionen nicht oder nicht im geplanten Maße getätigt worden, heißt es im Entwurf des Nachtragshaushalt. Die zusätzlichen Mittel für den Fonds sollen laut Lindner etwa für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft genutzt werden sowie zur Entlastung bei den Stromkosten. Die Koalition plant, ab 2023 die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis zu beenden. Die EEG-Umlage finanziert den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Regierung hält Vorgehen für verfassungskonform
Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) erklärte, die Transformation der deutschen Volkswirtschaft sei eine der größten strukturellen Aufgaben unserer Zeit und werde ein Marathonlauf: "Wir können mit den Mitteln Investitionen hebeln, bei denen wirtschaftliche Erholung und Klimaschutz Hand in Hand gehen."
Die Regierung hält ihr Vorgehen beim Nachtragshaushalt für verfassungskonform, wie auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte. Daran gibt es allerdings erhebliche Zweifel.
So erklärte der unabhängige Beirat des Stabilitätsrats, es widerspreche der Intention der Schuldenbremse und es berge "erhebliche verfassungsrechtliche Risiken", die derzeit geltende Ausnahmeklausel dafür zu nutzen, nicht krisenbezogene Maßnahmen zu finanzieren oder vorzufinanzieren.
Wolfgang Steiger: "Hässlicher Sündenfall zum Start der Ampel"
Der Wirtschaftsrat der CDU kritisierte, die "Vorratsverschuldung" widerspreche dem Geist der Schuldenbremse fundamental. "Hier werden nicht mehr Krisenmaßnahmen finanziert, sondern einfach die teuren Ampel-Pläne der nächsten Jahre vorfinanziert", sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger der Deutschen Presse-Agentur (dpa): "Das sind keine lässlichen kreativen Tricks, sondern ein hässlicher Sündenfall zum Start der Ampel."
Die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse gelte coronabedingt. Die Mittel, die unter diese Klausel fallen, müssten aber auch im direkten Zusammenhang mit der entsprechenden Notlage genutzt werden, so Steiger. Es entstehe der Eindruck, dass die Schuldenbremse ausgehöhlt werden solle.
Der haushalts- und finanzpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Sebastian Brehm, warf Lindner vor, in sein neues Amt mit einer "zutiefst unseriösen" Haushaltspolitik zu starten. CSU-Generalsekretär Markus Blume sprach von einem skandalösen und verfassungsrechtlich bedenklichen Vorgang.
240 Milliarden Euro neue Schulden
Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, sagte, die neue Regierung baue den bereits bestehenden Klimafonds zu einem gigantischen Schuldenfonds aus. Dieser Vorgang sei verfassungsrechtlich bedenklich.
Der Bundestag hatte im April einen ersten Nachtragshaushalt für 2021 beschlossen. Zur Finanzierung von Belastungen in der Pandemie nahm der Bund 60 Milliarden Euro Kredite mehr auf als geplant, insgesamt sind es für dieses Jahr 240 Milliarden Euro neue Schulden.
Lindner sagte, er erwarte, dass im weiteren Haushaltsvollzug möglicherweise weniger Kredite aufgenommen werden müssten als ursprünglich geplant. Für das kommende Jahr ist nach dem Entwurf der schwarz-roten Vorgängerregierung eine Nettokreditaufnahme von 99,7 Milliarden Euro vorgesehen. Erneut soll 2022 die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausgesetzt werden - ab 2023 soll sie aber wieder eingehalten werden. (ff/dpa)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.