Nach zähen Verhandlungen hat sich die Staatengemeinschaft auf der 28. UN-Klimakonferenz in Dubai auf gemeinsame Klimaziele verständigt. Die Bundestagsabgeordnete Lisa Badum war Teil der deutschen Delegation. Im Interview erzählt sie von ihren Eindrücken.

Ein Interview

Bis zuletzt wurde auf der UN-Klimakonferenz in Dubai hart um eine gemeinsame Erklärung gerungen. Ein erster Entwurf wurde von Deutschland und vielen anderen Ländern als unzureichend abgelehnt. Am Mittwochmorgen konnte der Präsident der COP28, Sultan Ahmed Al Jaber, schließlich eine Einigung verkünden.

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"Extrem ehrgeizig" nennt die Grünen-Politikerin Lisa Badum im Interview mit unserer Redaktion die vereinbarten Klimaziele. Die Vorsitzende des Unterausschusses für Internationale Klima- und Energiepolitik des Bundestages war Teil der deutschen Delegation in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Sitzt dem Unterausschuss für Internationale Klima- und Energiepolitik des Bundestages vor: Lisa Badum © picture alliance

Frau Badum, der Präsident der COP28, Sultan Ahmed Al Jaber aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), nennt die Abschlusserklärung der Konferenz "historisch". Sehen Sie das auch so?

Lisa Badum: Sie ist historisch, weil auf ihr das Ende des fossilen Zeitalters eingeläutet wurde. In der Abschlusserklärung wurde eine "Abkehr von fossilen Brennstoffen" vereinbart, das hatte es bisher nicht gegeben. Die Staaten müssen jetzt daran arbeiten, ihre nationalen Klimapläne und ihre Wirtschaft im Sinne dieser Transformation auszurichten. 2050 muss diese abgeschlossen sein. Bis 2030 wollen die Vertragsstaaten zudem eine Verdreifachung der erneuerbaren Energien und eine Verdopplung der Energieeffizienz erreichen. Das sind extrem ehrgeizige Ziele. Ich persönlich hätte mir aber in Bezug auf fossile Energien noch eine stärkere Formulierung in der Erklärung vorstellen können.

Statt "transitioning away" – zu Deutsch "Abkehr" – hatten sich viele in der Erklärung die Formulierung "phase out", in etwa "Auslaufen", gewünscht. Wo ist der Unterschied?

"Phase out" ist ein stärkeres Wort, das deutlicher ein echtes Aussteigen aus fossilen Brennstoffen impliziert. "Transitioning away" als eine Wegbewegung von diesen Energieformen ist offener. Letztlich ist das aber in beiden Fällen eine Interpretationssache.

In einem ersten Erklärungsentwurf kam das Ziel eines Ausstiegs aus den fossilen Energien gar nicht vor. Wie kam es schließlich doch noch zum Durchbruch bei den Verhandlungen?

Deutschland, die EU, die Inselstaaten und auch Teile der Entwicklungs- und Schwellenländer haben ihrer Ablehnung des ersten Entwurfs sehr klar Ausdruck verliehen. Das Signal an die Präsidentschaft der Vereinigten Arabischen Emirate war deutlich, dass es auf dieser Grundlage keine Einigung geben würde. Danach liefen die Gespräche auf Hochtouren. Deutschland und die EU haben, wie bei allen Klimaverhandlungen, eine wesentliche Rolle dabei gespielt, den Text entscheidend zu verbessern. Auch die Proteste der vielen anwesenden Klima-NGOs haben zu diesem Erfolg beigetragen.

Lisa Badum: Der Ruf von Deutschland ist nach wie vor sehr gut

Dabei hat Deutschlands Ruf als Klimavorreiter in letzter Zeit gelitten. Hat das die Stellung der deutschen Delegation geschwächt?

Mein Eindruck ist, dass unser Ruf nach wie vor sehr gut ist. In vielen Gesprächen, die ich auf der COP geführt habe, wurde Verwunderung darüber geäußert, dass wir schon bei 50 Prozent an erneuerbaren Energien im Strommix sind. Deutschland hat gerade in den letzten zwei Jahren sehr viel getan, was Vertrauen bei den anderen Länderdelegationen hervorruft. Das hat Deutschland bei den Verhandlungen genutzt.

Die Ankündigung eines Katastrophen-Fonds für den globalen Süden zu Beginn der Konferenz wurde als großer Erfolg gefeiert. Auch Deutschland trägt 100 Millionen Euro bei. Sind das nicht Peanuts angesichts der realen Klimaschäden?

Natürlich reicht das nicht. Aber auch hier muss man sehen, woher wir kommen. Fast 30 Jahre lang haben die verletzlichsten Länder für einen solchen Fonds gekämpft und bei der letzten COP wurde dann endlich die Einrichtung beschlossen. Dieses Jahr wurden dann erstmals Gelder versprochen. Ein entscheidender Schritt ist, dass nicht nur sogenannte Industrieländer wie Deutschland einzahlen, sondern mit den Vereinigten Arabischen Emiraten auch ein Golfstaat. Das schafft hoffentlich eine Dynamik, durch die künftig deutlich mehr Geld in den Fonds fließen wird.

Ist man in Dubai dem Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, nähergekommen?

Ja. Aber es wird extrem knapp, dieses Ziel zu erreichen. Wenn wir noch auf den 1,5-Grad-Pfad kommen wollen, dann müssen wir sofort beginnen. Leider ist schon sehr viel Zeit verstrichen. Jedes Zehntelgrad zählt.

Lisa Badum: Verhandlungserfolg war nur durch starken öffentlichen Druck möglich

Der Präsident der diesjährigen Klimakonferenz wurde im Vorfeld von Kritikern als Fehlbesetzung bezeichnet, weil er CEO eines staatlichen Ölkonzerns ist. Waren Sie überrascht, dass unter Al Jaber nun doch ein solches Ergebnis erzielt werden konnte?

Ich hatte gehofft, dass sich die Präsidentschaft bei den Verhandlungen beweglich zeigen wird. Es war schon vor dem Treffen deutlich zu spüren, dass die VAE diese Klimakonferenz nutzen will, um sich gut darzustellen. Während das Land nicht gerne von der eignen Ölförderung ablassen mag, gab es doch das Bewusstsein, dass man bei zu großem Beharren irgendwann unglaubwürdig wirkt. Aber der Verhandlungserfolg wurde selbstverständlich nur durch den starken öffentlichen Druck auf die Präsidentschaft während der gesamten Konferenz möglich.

In der Kritik stand auch die Größe der deutschen COP-Delegation sowie die Kosten und der CO2-Ausstoß, die dadurch anfielen. War es richtig, dass Deutschland mit über 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern angereist ist?

Mich hat schon ein wenig verwundert, dass diese Kritik insbesondere von der Union kam. Die stellte nämlich selbst den größten Teil der deutschen Delegation. Zur Einordnung: Brasilien ist mit 3.000 Personen angereist. Besonders groß war die deutsche Delegation also nicht, auch nicht im Vergleich zum Vorjahr, wo Deutschland mit 300 Delegierten anreiste. Zudem ist es wichtig, vor Ort zu sein. Nur im persönlichen Gespräch entsteht das Vertrauen, das wir beispielsweise für unsere Klimapartnerschaften mit anderen Ländern brauchen.

Der Nahostkonflikt warf seinen Schatten auch auf die Klimakonferenz. Das Climate Action Network, ein internationaler Dachverband für Klima-NGOs, hat am Sonntag auf der COP seinen Negativ-Preis für den größten Bremser bei den Klimaverhandlungen an Israel verliehen. Das Land begehe einen Genozid an den Palästinensern, hieß es in der Begründung. Was halten Sie davon?

Ich finde es völlig verfehlt, den Krieg im Gazastreifen, den die Hamas durch ihr Massaker am 7. Oktober begonnen hat, in die Klimaverhandlungen hineinzuziehen. Ich bin froh, dass diejenigen, die diese Debatte zu einem Teil der COP machen wollten, keinen großen Erfolg hatten. Es gab einige wenige israelfeindliche Demonstrationen, die aber keine große Aufmerksamkeit erzeugten. Diese einseitige Positionierung gegen Israel schwächt die Klimabewegung. Mein dringender Appell ist, keine Themen zu verknüpfen, die nichts miteinander zu tun haben und vor allem nicht auf dieses Märchen hereinzufallen, man würde gegen Kolonialismus kämpfen und für Klimagerechtigkeit, wenn man Israel dämonisiert. Es gibt nicht mehr Gerechtigkeit mit Antisemitismus und indem man sich an die Seite von Terroristen stellt. Zum Glück gibt es auch Klimaaktivistinnen und -aktivisten wie Luisa Neubauer und andere, die das klar abgelehnt haben.

Lisa Badum: "Was Thunberg getan hat, ist auf jeden Fall falsch."

Greta Thunberg, die Gründerin von Fridays for Future, steht wegen ihrer einseitigen Parteinahme gegen Israel in der Kritik. Schadet ihr Verhalten der Klimabewegung?

Was Thunberg getan hat, ist auf jeden Fall falsch. Vor allem gibt das rechts stehenden populistischen Kräften, die schon immer darauf warten, die Klimabewegung zu diskreditieren, neues Futter.

Nächstes Jahr wird die Klimakonferenz in Aserbaidschan stattfinden. Welche weiteren Schritte sollten Ihrer Meinung nach auf der COP29 gegangen werden?

Im nächsten Jahr muss das Thema der Klimaanpassung noch stärker in den Vordergrund kommen. Da ist bei dieser COP nicht viel passiert. Dann sollte erneut verhandeln werden, ob der fossile Ausstieg nicht noch eindeutiger beschlossen werden kann. Eine wichtige Frage wird auch die nach der Klimafinanzierung sein. Der Green Climate Fund ist mit momentan 13,5 Milliarden US-Dollar immer noch völlig unterfinanziert. In Aserbaidschan muss es um die Auffüllung dieses Fonds gehen.

Über die Gesprächspartnerin

  • Lisa Badum wurde 1983 in Forchheim geboren. Die studierte Politikwissenschaftlerin sitzt seit 2017 für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Sie ist Obfrau im Ausschuss für Klimaschutz und Energie sowie Vorsitzende des Unterausschusses Internationale Klima- und Energiepolitik. Badum ist Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.
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