Die griechische Küstenwache soll innerhalb von drei Jahren den Tod von 43 Menschen verursacht haben. Das geht aus Recherchen der BBC hervor. Der Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan fordert Konsequenzen und bessere Kontrollen.

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Hat die Küstenwache in Griechenland den Tod von Dutzenden Menschen verursacht, neun Personen sogar buchstäblich ins Wasser geworfen? Diese Vorwürfe erhebt jedenfalls der britische Rundfunksender BBC.

Die BBC hat demnach 15 Vorfälle genauer untersucht, von denen lokale Medien und Nichtregierungsorganisationen berichtet hatten. Das Ergebnis der Recherchen: Zwischen Mai 2020 und 2023 kamen 43 Menschen, die über das Meer auf die griechischen Inseln gelangen wollten, durch das Wirken der griechischen Küstenwache ums Leben.

Sie wurden demnach zum Beispiel in Schlauchbooten zurück aufs Meer gedrängt oder gezielt aufs offene Wasser gebracht. Geflüchtete und Migranten versuchen immer wieder, auf dem kurzen Weg von der Türkei zu den Ägäis-Inseln nach Europa zu gelangen.

"Pushbacks" verstoßen gegen Menschenrechtskonvention

Es geht dabei um sogenannte "Pushbacks" – also den Versuch, Schutzsuchende zurückzudrängen. Nach internationalem Recht sind diese Rückweisungen illegal. Das vierte Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention verbietet "Kollektivausweisungen ausländischer Personen". Die griechische Küstenwache wies die Vorwürfe gegenüber der BBC zurück.

Die Europäische Grenzschutzagentur Frontex steht immer wieder in der Kritik. Im Januar 2024 etwa zeigten Videoaufnahmen, wie maskierte Männer auf einem Schiff der griechischen Küstenwache an ein Schlauchboot mit etwa 30 Personen heranfuhren und sie mit Stöcken bedrohten. Frontex-Chef Fabrice Leggeri war 2023 ebenfalls nach Vorwürfen wegen Menschenrechtsverletzungen von seinem Amt zurückgetreten.

Schirdewan: "Ein Skandal sondergleichen"

Scharfe Kritik kommt von Martin Schirdewan, Co-Vorsitzender der Linken. "Die griechische Küstenwache hat mehr Menschen auf dem Gewissen als die italienische Mafia", sagte er unserer Redaktion. Der aktuelle Bericht der BBC belege nur, was Menschenrechtsorganisation seit vielen Jahren beklagen.

"Es ist ein Skandal sondergleichen und ein Versagen der EU, dass sich an dieser tödlichen Praxis nichts geändert hat", sagte Schirdewan. Die Pushbacks müssen aus seiner Sicht juristische Konsequenzen haben. "Ich erwarte, dass die beteiligten Beamten vor Gericht gestellt werden, denn auch das internationale Seerecht verpflichtet zur Hilfeleistung."

Schirdewan fordert eine eigene Kontrollinstanz, die die Grenzschützer überwacht. Um sie unabhängig zu machen, müssten auch zivilgesellschaftliche Akteure mitarbeiten.

EU verschärft Asylregeln

Die Europäische Union versucht seit längerem, ihre Außengrenzen stärker zu schützen, um Menschen davon abzuhalten, in die EU zu gelangen. Im Mai haben sich die Mitgliedsländer auf eine Reform der Gemeinsamen Asylpolitik (GEAS) geeinigt, die die Asylregeln in Europa deutlich verschärfen soll. Unter anderem sollen künftig Verfahren schon an den Außengrenzen durchgeführt werden, um Menschen an der Weiterreise zu hindern. Sie sollen dort zunächst festgehalten werden, bis über ihren Antrag entschieden ist.

Schirdewan kritisierte: "Anstatt die Seenotrettung auszubauen und alles zu tun, um den tausendfachen Tod der Migranten zu verhindern, will die EU ihr tödliches System nun perfektionieren." Die geplante Reform der GEAS werde "noch mehr Menschen dazu bringen, sich in löcherige Boote zu setzen und alles zu tun, um den Internierungslagern zu entgehen". (fab)

Verwendete Quellen

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