• Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir führt eine neue verpflichtende Kennzeichnung für Tierhaltung ein.
  • Fünf verschiedene Haltungsstufen sollen in Zukunft gut sichtbar auf Lebensmitteln tierischen Ursprungs aufgebracht werden.
  • Der Grünen-Politiker will damit die deutsche Landwirtschaft auf "neue und kräftigere Beine stellen".

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Mit einem fünfstufigen staatlichen Label zur Tierwohlkennzeichnung will Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) für mehr Transparenz, Tierwohl und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft sorgen. Zunächst soll das Label im kommenden Jahr für frisches Schweinefleisch eingeführt werden, weitere Tierarten sollen folgen. Unklar ist bisher, wie die finanzielle Unterstützung von Landwirten für den Umbau ihrer Ställe finanziert werden soll. Tier- und Umweltschützer forderten Nachbesserungen sowie ein tragfähiges Finanzierungssystem.

Mit der neuen Tierwohlkennzeichnung würden die "Rahmenbedingungen geschaffen, um landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland zukunftsfest zu machen", sagte Özdemir am Dienstag. Dies sei nur möglich, wenn Landwirten eine Perspektive geboten werde und ihre Arbeit ein "gutes Einkommen" ermögliche. "Unsere tierhaltenden Betriebe brauchen dringend eine verlässliche und langfristige Perspektive, damit sich Investitionen in Tierwohl und Klimaschutz lohnen", fuhr er fort.

Wir klären die wichtigsten Fragen zum neuen Label:

Wie soll die Kennzeichnung funktionieren?

Beim Einkauf tierischer Lebensmittel soll künftig auf einen Blick erkennbar sein, wie die Tiere gehalten wurden. Der Landwirtschaftsminister plant dafür ein verpflichtendes Label, das fünf verschiedene Haltungsformen auszeichnet:

  • Die niedrigste Haltungsform ist die "Stallhaltung".
  • Etwas mehr Platz haben die Tiere in der zweiten Haltungsform "Stall+Platz".
  • Die dritte Stufe ist die Haltung im "Frischluftstall", ein dauerhafter Zugang zu einem Außenbereich muss dabei vorhanden sein.
  • Die nächste Stufe ist die Kennzeichnung mit "Auslauf/Freiland", die Tiere müssen hier mindestens acht Stunden am Tag freien Auslauf und deutlich mehr Platz haben als nach dem gesetzlichen Mindeststandard vorgesehen.
  • Die höchste Haltungsform ist "Bio". Diese Lebensmittel müssen in der Produktion der europäischen Öko-Verordnung entsprechen.

Was soll die Kennzeichnung bringen?

Ziel der neuen Kennzeichnung ist eine "zukunftsfeste" tierische Landwirtschaft, wie das Landwirtschaftsministerium erklärt. Nötig sei eine "verlässliche Perspektive" für die Landwirte, damit diese die notwendigen Investitionen in die Tierhaltung vornehmen können. Geplant sind neben der neuen Kennzeichnungspflicht deshalb auch eine Förderung zum Umbau von Ställen, bessere Regelungen im Tierschutzrecht und Anpassungen im Bau- und Genehmigungsrecht.

"Wir können von Landwirtinnen und Landwirten viel verlangen, am Ende des Tages muss sich ihre harte Arbeit aber auch für sie und ihre Familien lohnen", sagt Özdemir. Ihre Investitionen und Leistungen würden durch die neuen Kennzeichnungen sichtbar. "Damit ist ein Mehrwert verbunden, den sie dann auch geltend machen können."

Mit der neuen Kennzeichnung soll zudem die Transparenz für Verbraucher erhöht werden. "Die Verbraucherinnen und Verbraucher können klar erkennen, wie ein Tier gehalten wurde und das bei ihrer Kaufentscheidung berücksichtigen", sagt Özdemir.

Wie sieht die Kennzeichnung aus?

Die Kennzeichnung soll auf allen Lebensmitteln tierischen Ursprungs angebracht werden müssen, die in Deutschland produziert und an Endverbraucher abgegeben werden. Die Kennzeichnung muss laut Özdemir "gut sichtbar und gut lesbar" sein. Bei nicht vorverpackten Lebensmitteln muss das Label im Handel in der Nähe des Produkts so angebracht werden, dass Verbraucher es beim Kauf wahrnehmen können.

Die Kennzeichnungspflicht gilt auch für den Onlinehandel. Die genaue grafische Gestaltung der Kennzeichnung soll mit dem Gesetzesentwurf vorgelegt werden.

Ab wann gilt die Kennzeichnung?

Noch vor der Sommerpause will Landwirtschaftsminister Özdemir den Gesetzentwurf in die Abstimmung zwischen den verschiedenen Ressorts geben, im Laufe des Jahres soll auch das Parlament über die Kennzeichnungspflicht beraten. Im Laufe des kommenden Jahres soll sie dann eingeführt werden, allerdings zunächst nur für Schweinefleisch. Andere Tierarten wie Rinder, Milchvieh oder Geflügel sollen schrittweise in die Kennzeichnung aufgenommen werden.

Wie soll der Umbau der Landwirtschaft finanziert werden?

Die Frage der Finanzierung, insbesondere der finanziellen Unterstützung der Landwirte beim Umbau ihrer Ställe, ist noch ungeklärt. Bisher steht dem Bundeslandwirtschaftsministerium eine Summe von einer Milliarde Euro als "Anschubfinanzierung" zur Verfügung. Dieser Betrag reiche "ganz sicher nicht, wenn wir die Landwirtschaft zukunftsfest verändern wollen", sagt Özdemir. Innerhalb der Koalition gebe es da "noch Klärungsbedarf".

Laut Özdemir gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Finanzierung: So könnte beispielsweise auf Fleisch künftig wieder ein regulärer Steuersatz von 19 Prozent erhoben werden, aktuell gilt ein verminderter Satz von sieben Prozent. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Tierwohlabgabe, die FDP lehnt dies jedoch ab. Auch höhere Preise für Fleisch wären eine Möglichkeit der Finanzierung. Ein weiterer Weg wäre eine Subvention durch den Bund über entsprechende Haushaltsmittel für das Landwirtschaftsministerium.

Was sagen Tierschutzorganisationen zu dem Vorhaben?

Der Deutsche Tierschutzbund begrüßte die vorgestellten Eckpunkte, äußerte jedoch auch Kritik. "Der Markt alleine wird es nicht schaffen, die bisher zugesagte eine Milliarde reicht nicht", erklärte Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder. Nötig seien neben mehr Geld auch verbindliche Regelungen für Transport und Schlachtung sowie engmaschige Kontrollen.

Auch die Umweltorganisation BUND forderte ein tragfähiges Finanzierungssystem für den Umbau der Landwirtschaft. "Eine Kennzeichnung allein macht noch keinen Umbau", erklärte Bundesgeschäftsführerin Antje von Broock. Sie forderte zudem die Ausweitung der Kennzeichnungspflicht auf alle Tierarten.

Özdemirs Vorschlag "schafft beim Einkauf kaum Orientierung darüber, wie die Tiere gehalten werden", kritisierte auch der Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter. Aspekte wie Transport, Schlachtung oder Tiergesundheit seien in den Kriterien nicht berücksichtigt. (afp/mf)

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