• Ohne eine Corona-Impfpflicht könne die Gesellschaft im nächsten Herbst und Winter nicht alle Menschen schützen, sagt die Parlamentarierin Rasha Nasr (SPD).
  • Eine so große Grundrechtseinschränkung sei in der aktuellen Lage nicht angebracht, findet ihr Kollege Maximilian Funke-Kaiser (FDP).
  • Im Gespräch mit unserer Redaktion nennen die jungen Abgeordneten ihre Argumente für oder gegen die Impfpflicht – und finden auch Punkte, in denen sie sich einig sind.

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Braucht Deutschland eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus? Diese Frage sorgt derzeit für Diskussionen in der Gesellschaft – und beschäftigt auch die Politik. Nach einer ersten Orientierungsdebatte soll der Bundestag in den nächsten Wochen und Monaten über die Impfpflicht entscheiden.

Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP will es den Abgeordneten frei stellen, wie sie sich in dieser Frage entscheiden – ausschlaggebend soll nur das eigene Gewissen und nicht die Fraktionsdisziplin sein. Was spricht für, was gegen die Einführung der Impfpflicht? Darüber hat unsere Redaktion mit zwei jungen Abgeordneten gesprochen, die in dieser Frage unterschiedliche Positionen vertreten.

Rasha Nasr: "Dürfen nicht aus Angst vor kleinen zerstörerischen Kräften Schritte unterlassen, die wir notwendig finden."

Ohne eine allgemeine Impfpflicht werde Deutschland "in eine Situation laufen, in der wir nicht alle schützen können", sagt die SPD-Abgeordnete Rasha Nasr aus Dresden. "Ich bin der Überzeugung: Wenn ich selbst geimpft und geboostert bin, stecke ich weniger Leute an. Wenn viele Menschen geimpft sind, grassiert das Virus weniger und wir belasten nicht mehr das Gesundheitssystem."

Ob man sich impfen lasse oder nicht, sei keine persönliche Entscheidung mehr, findet Nasr: "Es geht darum, die eigene Freiheit ein Stück zurückzustellen, damit wir alle als Kollektiv wieder Freiheit erlangen." Es gebe Menschen, die seit Beginn der Pandemie ihr Zuhause nicht mehr verlassen haben, weil sie vorerkrankt oder auf Hilfe anderer Menschen angewiesen seien. "Wer spricht denn über diese Menschen und deren Freiheitsrechte?"

Nasr kommt aus Sachsen und hat vor ihrer Wahl in den Bundestag unter anderem als Integrationsbeauftragte der Stadt Freiberg gearbeitet. Sie weiß, dass die Vorbehalte gegen Impfungen in den östlichen Ländern noch groß sind – und sie sieht die Gefahr, dass eine Impfpflicht die Gewaltbereitschaft militanter Impfgegner vergrößern könnte. "Ich bin aber der Überzeugung, dass wir als Demokratie wehrhaft und standhaft sein müssen", sagt sie. "Wir dürfen nicht aus Angst vor kleinen zerstörerischen Kräften Schritte unterlassen, die wir notwendig finden."

Maximilian Funke-Kaiser: "Wir sollten jeder Bürgerin, jedem Bürger nochmal das Angebot eines digitalen Aufklärungsgesprächs machen"

Der Augsburger FDP-Abgeordnete Maximilian Funke-Kaiser lehnt eine Corona-Impfpflicht dagegen klar ab. "Die Omikron-Variante hat eine höhere Infektionsrate, aber eine geringere Intensität. Man kann davon ausgehen, dass sich das Virus weiter in diese Richtung entwickelt und wir uns in eine endemische Lage bewegen", sagt er.

Zudem sei noch unklar, wie viele Folgeimpfungen für einen nachhaltigen Schutz nötig sind. "Solange wir das nicht wissen, kann die Politik meiner Meinung nach keine Impfpflicht einführen, die so eine große Grundrechtseinschränkung bedeutet."

Funke-Kaiser ist Mitglied im Gesundheitsausschuss und gehört zu den Abgeordneten um den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, die einen Antrag gegen die allgemeine Impfpflicht eingebracht haben. Er wirbt aber für weitere Aufklärung. "Wir sollten jeder Bürgerin, jedem Bürger nochmal das Angebot eines digitalen Aufklärungsgesprächs machen. Es ist wichtig, Ängste zu nehmen. Viele bilden sich immer noch ihre Meinung auf Basis von Fake News."

Hoffnung auf Novavax

Da stimmt ihm Rash Nasr zu. Beide Abgeordnete sind sich einig, dass die Aufklärung zum Thema weiter intensiviert werden muss. Zudem hoffen sie auf zusätzlichen Schub durch den neuzugelassenen Impfstoff Novavax. Er könnte eine Alternative für Menschen sein, denen die mRNA-Impfstoffe nicht geheuer sind. "Ich habe die Hoffnung, dass wir so auf eine Impfquote von über 80 Prozent kommen", sagt Funke-Kaiser.

Und wenn die Impfpflicht anders ausgeht, als die Abgeordneten es sich jeweils wünschen? Dann sei das keine Katastrophe, sagt Rasha Nasr: "Ich würde die Entscheidung natürlich akzeptieren und meinen Beitrag dazu leisten, dass wir noch mehr Menschen erreichen und sie impfen können."

Quelle:

  • Gespräch mit Rasha Nasr (SPD) und Maximilian Funke-Kaiser (FDP)
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