Die international vernetzte Neonazi-Gruppe "Hammerskin Deutschland" wurde am Dienstag verboten. Viel zu spät, sagt die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner. Eine Rechtsextremismus-Expertin erklärt, warum die Vereinigung so gefährlich ist.
Sie verstehen sich als die Avantgarde der Neonazi-Szene. Das oberste Gebot der "Hammerskins" ist absolute Verschwiegenheit, untereinander bezeichnen sich die Mitglieder als "Brüder". Nun wurde die international vernetzte Gruppe in Deutschland verboten und zahlreiche Wohnungen und Gebäude, die mit ihr in Verbindung stehen, durchsucht. Auch bei dem Führungsmitglied Sven Krüger in Mecklenburg-Vorpommern gab es eine Razzia. Dabei wurden neben Bargeld und Hakenkreuz-Flaggen auch mehrere Waffen gefunden. Wer ist die Gruppe, die offenbar auch vor Gewalt nicht zurückschreckt?
Die "Hammerskin Nation" wurde 1988 in den USA gegründet. Ihr Logo, zwei überkreuzte Hämmer, geht auf den Musikfilm "The Wall" von Pink Floyd zurück, dessen Protagonist eine Wandlung zum Faschisten vollzieht. Heute gibt es in zahlreichen Ländern in Europa Ableger der Hammerskins. Seit den 1990er Jahren ist die Gruppe auch in Deutschland aktiv. Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht von 130 Mitgliedern hierzulande aus.
Die Hammerskins schrecken nicht vor Mord zurück
"Die Hammerskins sind für einige Morde verantwortlich", sagt Rechtsextremismus-Expertin Kira Ayyadi im Gespräch mit unserer Redaktion. In den USA hat 2012 ein Hammerskin-Mitglied sechs Menschen bei einem Anschlag auf einen Sikh-Tempel erschossen. "Auch in Deutschland stehen Mitglieder der Gruppe in Verbindung mit Tötungsdelikten", so die Mitarbeiterin der Amadeu Antonio Stiftung.
Es gebe kaum eine Neonazi-Gruppe in Deutschland, die so sehr im Verborgenen agiere wie die Hammerskins – und so hohe Anforderungen an seine Mitglieder stelle. "Nicht jeder Nazi darf sich der Symbole der Gruppe bedienen", sagt Ayyadi. "Dank intensiver Recherchen wissen wir aber mittlerweile mehr über die Struktur der Vereinigung."
Die Neonazi-Gruppe glaubt an einen "Rassenkampf"
So verdient die Gruppierung auf verschiedenen Wegen Geld: mit dem Verkauf von rechtsextremem Merchandise sowie der Organisation von Rechtsrock-Konzerten und dem Vertrieb der entsprechenden Musik. "Der Kopf der Hammerskins Deutschland, Malte Redeker, ist einer der wichtigsten Produzenten für neonazistische Bands", sagt Ayyadi. Was die Gruppe mit den Einnahmen mache, sei dagegen weitestgehend unbekannt. "Man kann aber spekulieren, dass sie sich auf einen Tag X vorbereitet", so die Rechtsextremismus-Expertin.
Vorbereitungen also für den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung. Ayyadi: "Möglicherweise gibt es Pläne, einen Bürgerkrieg anzuheizen." Den Hammerskins sei es seit ihrer Gründung um die Idee eines "Rassenkampfs" gegangen. An dessen Ende solle die Vorherrschaft der "weißen, arischen Rasse" stehen. "Die Hammerskins sind eindeutig eine faschistische und rassistische Organisation."
Martina Renner: Ein Verbot war längst überfällig
Bedeutet die Verbotsverfügung des Innenministeriums jetzt das Ende der Hammerskins in Deutschland? Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Die Linke) ist skeptisch. "Ein Verbot hat keine Wirkung, wenn man Nachfolgestrukturen nicht verhindert", sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das in der Vergangenheit nicht immer funktioniert hat." Renner beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Rechtsextremismus und verweist auf das Neonazi-Netzwerk "Blood and Honor", das sich trotz Verbot auf Umwegen nach wie vor betätige.
Renner ist außerdem noch nicht überzeugt, dass die Durchsuchungen bei den Hammerskin-Mitgliedern als voller Erfolg zu werten sind. "Es gibt Hinweise, dass die maßgeblichen Personen heute nicht Gegenstand der Durchsuchungen waren." Ein Verbot der Gruppe sei längst überfällig gewesen, glaubt die Linken-Politikerin.
Sie sagt: "Es gab einzelne Personen aus dem Hammerskins-Netzwerk, die engen Kontakt zum NSU hatten." Renner war Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, der 2014 eingesetzt worden war, um die Taten der rechten Terrorgruppe aufzuklären. "Warum das Verbot jetzt noch einmal zehn Jahre gedauert hat, kann ich mir nicht erklären."
Am Mittwoch ist Nancy Faeser zu Gast im Innenausschuss des Bundestages, in dem auch Renner Mitglied ist. "Da werden wir kritische Fragen stellen", kündigt sie an. Mit einem simplen Verbot der Hammerskins ist es für Bundestagsabgeordnete Renner offensichtlich nicht getan.
Zu den Personen:
- Martina Renner ist seit 2013 Bundestagsabgeordnete für die Linkspartei. Sie ist Obfrau im Innenausschuss des Bundestages und war Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss, der 2014 eingesetzt worden ist.
- Kira Ayyadi ist Expertin für Rechtsextremismus. Die studierte Politikwissenschaftlerin ist seit 2017 Redakteurin bei "Belltower.News", der Online-Plattform der Amadeu Antonio Stiftung.
Verwendete Quellen:
- Telefonate mit Martina Renner und Kira Ayyadi
- Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums
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