Mit einem Übergangsgesetz bereitet sich Deutschland auf die Zeit nach dem Brexit vor. Nur: Das Gesetz beruht auf der Annahme eines geordneten Brexits auf Basis des Vertrags, den Großbritannien mit der EU ausgehandelt hat. Das britische Parlament lehnt den Vertrag jedoch ab - was also, wenn der harte Brexit kommt? Aus Sicht eines Experten ist Deutschland für diesen Fall nicht ausreichend gerüstet.
Der Bundestag hat ein Gesetz zur Regelung des Übergangszeitraums nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU beschlossen. Für die Vorlage stimmten am Donnerstag alle Fraktionen außer der AfD.
Hauptziel des Gesetzes ist es, Rechtsklarheit für Bürger und Unternehmen während der Übergangsphase zu schaffen. So sollen Anträge auf Einbürgerung von Briten in Deutschland und umgekehrt in diesem Zeitraum weiter möglich sein. Entscheidend ist der Zeitpunkt der Antragstellung, auch wenn die Einbürgerung erst nach Ablauf des Übergangszeitraums erfolgt.
Das Gesetz tritt aber nur in Kraft, wenn der britische Austritt auf Basis des ausgehandelten Vertrags vollzogen ist und die bis Ende 2020 geplante Übergangsphase eintritt. Der Brexit-Vertrag war bei der Abstimmung am Dienstag im britischen Unterhaus jedoch durchgefallen. Eine Mehrheit dafür ist nicht in Sicht.
Deutliche Kritik am Justizministerium
"Nach dem Scheitern des Austrittsabkommens im Parlament in London könnte man tatsächlich die Frage stellen, ob ein solches Gesetz überhaupt sinnvoll ist", sagt Professor Martin Schmidt-Kessel auf Anfrage unserer Redaktion. Gleichzeitig verweist der EU-Rechtler von der Universität Bayreuth, der auch als Sachverständiger im Europaausschuss des Bundestags tätig ist, auf die "winzig kleine Möglichkeit, dass das Austrittsabkommen doch noch relevant wird".
Auf den harten Brexit sieht Schmidt-Kessel Deutschland indes noch nicht gut vorbereitet. Ein schlechtes Zeugnis stellt er vor allem dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz aus. "Es fehlt an einer geeigneten Strategie für den Verbraucherschutz im Brexit. Das Bundesministerium verhält sich hier viel zu passiv", sagt er. Auch sei die Wirksamkeit handelsrechtlicher Verträge nicht ausreichend sichergestellt.
Besser sieht es aus Sicht des Experten mit Blick auf das Beamten-, das Steuer- sowie das Arbeits- und Sozialrecht aus. Wichtige Regelungen seien zumindest in Arbeit. "Hier geschieht eine ganze Menge, etwa hinsichtlich der Anerkennung von Rentenversicherungszeiten aus Großbritannien in Deutschland."
Jedes EU-Land muss sich gesondert vorbereiten
Frankreich ist derweil schon deutlich weiter: Premierminister Édouard Philippe kündigte am Donnerstag an, einen millionenschweren Plan für einen Brexit ohne Abkommen in Gang zu setzen. Der Plan werde seit April 2018 vorbereitet.
Jedes der verbleibenden 27 EU-Länder muss auf nationaler Ebene Regelungen für die Zeit nach dem EU-Austritt Großbritanniens treffen.
Das gilt auch für den Fall, dass der Brexit-Deal doch noch in Kraft tritt. Denn auch dieser regelt längst nicht alle Details, die zu regeln sind.
Als Beispiel nennt Schmidt-Kessel Gesellschaften britischen Rechts mit Hauptsitz in Deutschland. Diese Unternehmen mit den Rechtsformen Ltd. und Ltd. und Co KG seien "durch den Brexit in ihrer Existenz bedroht, weil deutsches Recht sie im Inland nicht akzeptiert". Leidtragende der Unsicherheit sind neben den Unternehmen selbst auch ihre Geschäftspartner und Angestellten.
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