Die FDP will den Autoverkehr in Innenstädten fördern – unter anderem durch niedrigere Parkgebühren. Der Verkehrsmanager Jürgen Brunsing warnt jedoch: Den Kommunen würden dadurch Einnahmen verloren gehen. Außerdem bräuchten Städte auch Aufenthaltsqualität.

Ein Interview

Müssen deutsche Städte wieder autofreundlicher werden? Die FDP findet: Ja. Das Parteipräsidium hat am Montag ein Papier mit dem Titel "Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto" veröffentlicht. Darin fordern die Liberalen unter anderem:

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  • Das Parken in den Innenstädten soll im besten Fall umsonst sein. Wo kostenloses Kurzzeit-Parken nicht möglich ist, soll es "Flatrate-Parken" geben (ähnlich dem 49-Euro-Ticket für Busse und Bahnen).
  • Sogenannte Parklets (ehemalige Parkplätze, die zu Gastronomieflächen umgewandelt werden), sieht die FDP kritisch.
  • Fußgängerzonen und Fahrradstraßen sollen nur dann eingerichtet werden, wenn das wirtschaftlich sinnvoll ist und die Anwohnerinnen und Anwohner zustimmen.

Wäre das zukunftsfähige Verkehrspolitik? Jürgen Brunsing, Vertretungsprofessor für Verkehrswesen und Verkehrsplanung an der Technischen Universität Dortmund und selbst Mitglied bei den Grünen, sieht die Sache etwas anders.

Herr Brunsing, ist Parken in deutschen Städten zu teuer?

Jürgen Brunsing © Uwe Grützner (TU Dortmund)

Jürgen Brunsing: Meiner Meinung nach nicht. Der Flächenverbrauch durch ein Kraftfahrzeug ist groß, wir gehen von zehn Quadratmetern pro stehendem Auto aus. Bei einem Fahrrad sind es nur zwei Quadratmeter. Ein Auto in einer Innenstadt abzustellen, ist also eigentlich unwirtschaftlich. Schließlich benötigt man dort auch Flächen für Aufenthalt und Flanieren. Ein früherer Verkehrsprofessor hat einmal gesagt: Natürlich könnten wir die Innenstädte so gestalten, dass dort alle Fahrzeuge abgestellt werden können – aber dann hätten wir keine Innenstädte mehr.

In der FDP ist man aber der Meinung: Wenn mehr Menschen mit dem Auto in die Städte fahren können, hilft das auch im Kampf gegen sterbende Innenstädte.

Die Kommunen sind heute schon nicht auf Rosen gebettet. Wenn Parkgebühren komplett entfallen, würden für Städte wie Dortmund und Essen Einnahmen von rund fünf Millionen Euro pro Jahr fehlen. Die FDP sollte dann auch sagen, wie sie das gegenfinanzieren will.

Wo kostenloses Parken nicht umzusetzen ist, schlagen die Liberalen "Flatrate-Tarife" vor.

Die gibt es in vielen Kommunen bereits. In den meisten Städten kann man einen Dauerparkplatz in einer Tiefgarage mieten.

"Viele Kommunen bemühen sich um mehr öffentlichen Verkehr, mehr Fuß- und Radverkehr."

Jürgen Bunsing

Haben sich viele Städte und Gemeinden in den vergangenen Jahren nicht eher bemüht, weniger Autos in die Innenstädte zu locken?

Tendenziell geht die Entwicklung in der Tat in eine andere Richtung, nämlich in die Richtung von weniger KfZ-Verkehr in den Innenstädten. Flächen können nur einmal genutzt werden. Viele Kommunen bemühen sich um mehr öffentlichen Verkehr, mehr Fuß- und Radverkehr. Das ist eine langsame Entwicklung, die meines Erachtens schneller gehen könnte.

Kritisch sieht die FDP sogenannte Parklets – also ehemalige Parkflächen, die für die Gastronomie umgewidmet werden. Stimmt es, dass dadurch immer mehr Parkraum verloren geht?

Einerseits stimmt das. Je nach der Größe des außengastronomischen Bereichs gehen für ein Parklet zwei bis drei Stellplätze verloren. Wir haben auf der anderen Seite aber auch ein großes Kneipensterben, was allgemein bedauert wird. Wenn die Gastronomie ihre Flächen bei gutem Wetter erweitern und attraktiver machen kann, führt das zu einer höheren Qualität der Innenstädte und von deren Randbereichen. Wenn man da abwägt, würde ich immer für das gastronomische Angebot und ein angenehmes Lebensgefühl in der Stadt plädieren.

Ein "Parklet" in München: Dafür werden Stellflächen zu Freizeit- oder Gastronomieflächen umgebaut. © dpa/SZ Photo/Stephan Rumpf

Allerdings gilt es in Städten auch immer, Interessen auszugleichen. Neue Fußgängerzonen und Fahrradstraßen sollten nach dem Willen der FDP nur noch eingeführt werden, wenn die Anwohnerinnen und Anwohner zustimmen.

Gegen die erste Fußgängerzone in Essen gab es Mitte der 60er Jahre enormen Widerstand. Aber sie wurde sehr gut angenommen. Auch Geschäftsleute waren letztlich dafür – sodass es zu einer ganzen Welle von neuen Fußgängerzonen in Deutschland kam. Ich bin auch Anhänger von zunächst temporären Radwegen: Mit solchen Zwischenlösungen kann man Erfahrungen sammeln, sich austauschen und entsprechende Konsequenzen ziehen. Die können von einer dauerhaft baulichen Umgestaltung bis zum alten Status quo reichen.

Werden solche Maßnahmen häufig gegen den Willen der Menschen umgesetzt?

Das ist ganz unterschiedlich. Viele Menschen wollen in ihrer eigenen Straße am liebsten nur selbst parken und fahren – aber sie möchten möglichst in allen anderen Straßen parken dürfen. Das ist natürlich schwierig. Auch Gewerbetreibende sind darauf angewiesen, dass der Lieferverkehr zumindest kurz vor ihrer Tür halten kann. Normalerweise findet man aber Lösungen, wenn alle bereit sind, zu einem Kompromiss zu kommen.

Über den Gesprächspartner

  • Dr.-Ing. Jürgen Brunsing hat Raumplanung in Dortmund und Wien studiert. Er hat unter anderem an der Fakultät für Raumplanung der Technischen Universität Dortmund gearbeitet und war Inhaber eines Planungsbüros. Zur Zeit ist er Vertretungsprofessor für Verkehrswesen und Verkehrsplanung an der TU Dortmund. Er ist Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen.
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