Kommt die Wagenknecht-Partei? Sahra Wagenknecht will sich mit ihrer Entscheidung ein Dreivierteljahr Zeit lassen. Ein unhaltbarer Zustand für Wagenknecht selbst und für ihre derzeitige Partei Die Linke, findet ein Experte. Eine Analyse mit den wichtigsten Fragen und Antworten zu einer möglichen Parteigründung von Sahra Wagenknecht.
Warum denkt Sahra Wagenknecht über eine Parteigründung nach?
"Sie fühlt sich in ihrer eigenen Partei nicht mehr beheimatet", sagt Politikwissenschaftler Gregor Zons von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Vor allem inhaltlich unterscheide sie sich mittlerweile stark von der vorgegebenen Parteilinie. "Dazu kommen persönliche Verhältnisse zur Parteispitze, die in den vergangenen Jahren immer angespannter und schwieriger wurden."
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Wie wären die Erfolgsaussichten einer Wagenknecht-Partei?
19 Prozent der Deutschen könnten sich vorstellen, bei einer der kommenden Wahlen einer Wagenknecht-Partei die Stimme zu geben. Das ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag des "Stern". Doch laut Zons sollte man solchen Zahlen nicht trauen. "Das ist schwierig in einer Prozentzahl zu beziffern." Der Grund seien die Herausforderungen, die auf Wagenknecht bei einer möglichen Parteigründung zukommen würden. "Es gibt welche inhaltlicher Art, denn nur ein Thema zu haben trägt eine Parteigründung nicht. Man braucht ein komplettes Programm", erklärt er. Außerdem brauche Wagenknecht bei einer Parteigründung insgesamt 16 Landesverbände und damit ein großes Netzwerk an handelnden Führungspersönlichkeiten.
Kann Sahra Wagenknecht gut zusammenarbeiten?
Das muss sie, wenn sie es ernst meint mit der Aussagen in einem ZDF-Interview, dass sie keine Ein-Mann-Partei gründen möchte. "Sie ist über die vergangenen Jahre bei den Linken eine polarisierende Person gewesen", sagt Zons. "Sie hat Kooperationen und Einbindungen nicht leicht gemacht, aber das kann man von den inhaltlichen Streitfragen nicht abkoppeln." Baue sie aber tatsächlich ihre eigene Partei auf, mit einer klaren inhaltlichen Ausrichtung, an der sich andere Personen orientieren können, dann könnte sie anders im Umgang sein. "Sie wird einfach mit vielen Akteuren zusammenarbeiten müssen", sagt Zons.
Neun Monate Bedenkzeit: Will Sahra Wagenknecht tatsächlich eine Partei gründen oder ist das nur ein Hinhalten?
"Schon, aber das zeigt auch, dass sie sich dieser großen Herausforderung durchaus bewusst ist", sagt Politikwissenschaftler Zons. Bereits mit ihrer 2018 gestarteten Bewegung "Aufstehen" habe sie Erfahrungen sammeln können, wie schwierig so etwas sein kann.
Ähnliches sagte Wagenknecht auch im ZDF: "Die Erwartung, man könnte mal eben so eine Partei aus der Taufe heben, von einer Woche zur nächsten, das wäre zum Scheitern verurteilt." Beim Projekt "Aufstehen" habe sie gemerkt, "neue Parteien haben immer das Risiko, dass nicht nur kluge und ehrlich engagierte Menschen mitmachen wollen, sondern auch schwierige Leute. Ich habe bei ,Aufstehen‘ erlebt, dass so etwas ein Projekt zum Scheitern bringen kann."
Wie kann Die Linke jetzt reagieren?
"Es gibt ja schon Meinungsäußerungen, die Frau Wagenknecht unter Druck setzen", sagt Zons. Sie solle sich schnell entscheiden und im Zweifel Partei und Fraktion verlassen. "Die Linke kann sich das nicht ein dreiviertel Jahr passiv anschauen, vor allem nicht, wenn es in diesem Rhythmus von Äußerungen in der Öffentlichkeit weitergeht", sagt Politikwissenschaftler Zons.
Wagenknecht kokettiere öffentlich damit, der eigenen Partei Konkurrenz zu machen. Deswegen gerate die Parteiführung unter Handlungsdruck. Martin Schirdewan, Co-Chef der Linken, nennt die Aussagen von Wagenknecht laut "Tagesschau" "verantwortungslos", "parteischädigend" und "respektlos gegenüber den vielen Tausend Mitgliedern vor Ort, die sich tagtäglich für die Linke einsetzen". Die Hürden für einen Parteiausschluss aber sind laut Bundessatzung der Linken hoch. Die Entscheidung darüber liege bei einer Schiedskommission.
Wäre die Wagenknecht-Partei eine Konkurrenz zur Linken?
Schaut man sich die Themen an, würden sie laut Politikwissenschaftler Zons auf der ökonomischen Seite sehr wohl Ähnlichkeiten mit der Linken aufweisen. "Aber Frau Wagenknecht grenzt sich auch klar auf kulturell-gesellschaftlicher Ebene ab." So denke sie anders bei den Themen Klimaschutz und Migration und habe eine andere Sichtweise auf den Ukraine-Russland-Krieg. "Hier rückt sie zum Teil in die Nähe von AfD-Positionen", erklärt Zons. "Und gerade hier muss man schauen, für wen die neue Partei attraktiv wird, sowohl auf der Wähler- wie auf der Mitgliederseite."
Wäre die neue Wagenknecht-Partei gut für die Wähler?
"Für Wähler ist es gut, wenn das Angebot an Parteien vielfältig aufgestellt ist", erklärt Zons. Auf der anderen Seite müsse man sich die Erfolgschancen überlegen, vor allem mit Blick auf das neue Wahlrecht: "Was bringt es den Wählern, wenn man zwei Parteien unter der fünf-Prozent-Hürde hat und beide nicht in die Parlamente einziehen könnten?"
Das Projekt der Wagenknecht-Partei schiele zwar auf die Europawahl und die drei Landtagswahlen im Osten, aber auch in den Landtagen gebe es Prozenthürden. Wagenknecht selbst sagte dazu im ZDF: "Ich möchte meine politische Laufbahn nicht mit einem Flop abschließen."
Verwendete Quellen:
- www.tagesschau.de: Linkspartei Wagenknecht
- www.zdf.de: Gründung neue Partei Wagenknecht
- www.presse-augsburg.de: weitere Spekulationen über neue Wagenknecht Partei
- stern.de: 19 Prozent der Deutschen können sich vorstellen, eine Wagenknecht-Partei zu wählen
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