- Die Ampel-Koalition will Bürger und Bürgerinnen angesichts der hohen Energiekosten entlasten. Dazu hat sie ein umfangreiches Maßnahmenpaket vorgelegt.
- Energiepreis-Pauschale, Familienbonus, Steuersenkung und Billigticket für den ÖPNV sollen die Folgen der teuren Energie abfedern.
- Experten begrüßen die Maßnahmen, sehen aber dennoch eine Reihe von Kritikpunkten. Wer aus ihrer Sicht durchs Raster fällt.
Das Energiepaket der Ampel-Koalition liegt auf dem Tisch: Mit Beschlüssen, die knapp 15 Milliarden Euro kosten, will die Bundesregierung die Folgen der teuren Energie abfedern. Die "Mitte" der Gesellschaft solle nun schnell, unbürokratisch und sozial gerecht entlastet werden, hieß es am Donnerstag von den Spitzen von SPD, FDP und Grünen bei der Vorstellung der Maßnahmen.
Kern des Maßnahmenpakets ist die einmalige Energiepreis-Pauschale in Höhe von 300 Euro für alle einkommenssteuerpflichtigen Erwerbstätigen. Die Pauschale soll als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt werden und bei Selbstständigen in Form einer verringerten Steuervorauszahlung erfolgen.
"Es ist begrüßenswert, dass die Sorgen und Nöte der Menschen ernst genommen werden und die Regierung so schnell gehandelt hat", kommentiert Peter-Michael Zernechel vom Sozialverband Deutschland. Die zunehmende Last der Energiekosten sei für viele Menschen erdrückend geworden. "Das Energiepaket wird vielen helfen", ist er sich sicher.
Energie-Entlastungspaket: Rentner und Minijobber fallen durchs Raster
Einen Wermutstropfen gibt es aus seiner Sicht dennoch: "Menschen, die keine Einkommenssteuern zahlen, fallen aus dem Raster: Minijobber, Rentner und Menschen mit Einkommen unter der Bemessungsgrundlage", kritisiert der Wirtschaftswissenschaftler.
Auch Ökonom Sebastian Dullien vom Wirtschaftsinstitut IMK sagt: "Es wäre schöner gewesen, wenn die Maßnahme breiter aufgestellt gewesen wäre." Er vermutet "technische Gründe" als Hindernis. "Wir haben kein zentrales Register, über das wir jedem Einwohner Deutschlands eine solche Pauschale auszahlen könnten", erklärt er. Umso begrüßenswerter sei es, dass die Regierung angekündigt habe, über die Steuer-ID künftig eine solche Möglichkeit schaffen zu wollen.
Gute Nachrichten hatte die Regierung auch für Pendler und Vielfahrer: Die Preise an der Zapfsäule werden künftig etwas sinken. Durch die Senkung der Energiesteuer auf das europäische Mindestniveau soll der Benzinpreis um 30 Cent je Liter und der Dieselpreis um 14 Cent pro Liter fallen. Befristet wurde die Maßnahme auf drei Monate.
Dullien hält die Maßnahme für die praktikabelste Möglichkeit, um Autofahrer zielgenau zu entlasten – und nicht nur Pendler. "Den ermäßigten Mehrwertsteuersatz hätte man nicht ohne Weiteres auf Energie anwenden dürfen, das ist von EU-Recht nicht gedeckt", sagt er. Zum Rohölpreis kommt neben der Energiesteuer auch die Mehrwertsteuer hinzu.
Autofahrer werden entlastet - aber nach dem "Gießkannen-Prinzip"
"Die Gruppen, die in Deutschland Auto fahren, sind vor allem Besserverdienende und Familien", sagt Dullien. Gerade für Familien sei Entlastung wichtig. Zernechel kritisiert allerdings: "Bei Maßnahmen, die mit dem Gießkannen-Prinzip verteilt werden, wird der gut verdienende SUV-Fahrer genauso gefördert wie der Familienvater, der das Auto zum Pendeln für die Arbeit braucht."
Dullien hat einen weiteren Kritikpunkt: "Klimapolitisch ist es ein problematisches Signal, dass man jetzt Verbrenner subventioniert und Autos, die mehr verbrauchen als andere". Es sei außerdem nicht klar, inwiefern die Mineralölkonzerne die Maßnahme an den Endverbraucher weitergeben werden.
Zum Maßnahmenpaket zählt weiterhin ein 100-Euro-Einmalbonus für Familien mit Kindern. Er soll für jedes Kind ergänzend zum Kindergeld über die Familienkassen ausgezahlt werden, wird allerdings auf den Kinderfreibetrag angerechnet. Für Sozialleistungsempfänger will die Bundesregierung die bereits beschlossene Einmalzahlung von 100 Euro um weitere 100 Euro erhöhen.
"Die Maßnahme ist wichtig: Der Energieverbrauch in privaten Haushalten ist hoch, viele Menschen arbeiten coronabedingt von zu Hause aus, die Nächte sind noch kalt", erinnert Zernechel. Es fehle bei den Maßnahmen allerdings an Nachhaltigkeit: "Die Regelsätze sind insgesamt zu knapp bemessen. Die Kosten sind nicht nur im Energiebereich angestiegen und Menschen mit Transferleistungen geraten immer mehr unter Druck", mahnt der Experte.
Die Probleme mit dem Billigticket für den ÖPNV
Um die hohen Energiepreise abzufedern, will die Regierung den öffentlichen Nahverkehr attraktiver machen: Bundesweit soll ein Ticket für neun Euro pro Monat eingeführt werden, das in öffentlichen Bussen und Bahnen gilt. Das Ticket soll es für 90 Tagen geben. "Vielleicht kann man mit dieser Maßnahme Menschen dazu bewegen, den ÖPNV zu nutzen, die das bislang nicht getan haben", hofft Dullien. Allerdings gebe es auch Gegenden in Deutschland, in denen der Bus nur selten fährt - "da nützt auch ein günstiges Ticket nichts", sagt er.
Für Zernechel wirft die Maßnahme die Frage auf, wie sie finanziert werden soll. Der Bund hat angekündigt, die Länder mit entsprechenden Mitteln auszustatten. "Wer sein Jahresticket im ÖPNV für mehrere Hundert Euro gekauft hat, fragt sich trotzdem, was er nun vom vergünstigten Ticket hat", meint Zernechel.
Die gigantischen Kosten, die auf Deutschland zukämen, dürften nicht dazu führen, dass Geld an dringend benötigten Stellen eingespart werde. "Man sollte nicht, um die eine Tasche zu füllen, in die andere greifen", appelliert er. Für Dullien enthält das Paket viele sinnvolle Elemente, eins fehlt ihm jedoch: "Die Haushalte, die mit Gas heizen, sind besonders belastet. Es ist notwendig, diese Haushalte zielgenauer zu entlasten", sagt er. Sein Vorschlag: Ein Gaspreisdeckel. "Die Versorger würden dann staatlich entschädigt, wenn sie das Gas unter dem Einkaufspreis abgeben müssen", erklärt er.
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