Weil sich Russland nicht an den Vertrag halte, müssten es die Amerikaner ja auch nicht - und deshalb kündigte Präsident Donald Trump an, die USA wollten aus dem "Open Skies"-Abkommen aussteigen. Die Bundesregierung reagiert besorgt.

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Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump erklärte am Donnerstag, dass sie sich aus dem "Open Skies"-Vertrag zwischen den Nato-Staaten und ehemaligen Mitgliedern des Warschauer Pakts zur gegenseitigen militärischen Luftüberwachung zurückziehen will. Als Grund gab Washington Vertragsverletzungen Moskaus an. Deshalb seien auch die USA nicht mehr an den Vertrag gebunden.

Russland dementierte die Vorwürfe vehement. Die USA würden den Vertrag verletzen. Der Rückzug erinnere an die Vorgehensweise Washingtons beim INF-Abrüstungsabkommen im vergangenen Jahr. Damals hätten die USA ebenfalls den Vertrag aufgekündigt und Russland die Schuld dafür gegeben, sagten Politiker in Moskau. Russland sei immer für Verhandlungen bereit, wolle sich aber nicht erpressen lassen.

Die Ankündigung der USA hat internationale Irritation und Sorge ausgelöst. Russland wolle vorerst aber an dem Vertrag festhalten und weiter alle Verpflichtungen erfüllen, sagte Vize-Außenminister Alexander Gruschko der Agentur Ria Nowosti.

Der Rückzug aus solch wichtigen Verträgen sei "eine weitere Etappe der Demontage der internationalen Sicherheit" durch Washington, sagte sein Kollege Sergej Rjabkow. Russland sei dem Vertrag verpflichtet. Man sei auch zu Verhandlungen bereit. "Wir wollen aber nicht das akzeptieren, was in Washington formuliert wird."

"Open Skies" erlaubt Beobachtungsflüge im Luftraum der Vertragspartner

Der Vertrag zum Offenen Himmel ("Open Skies") erlaubt den 34 Unterzeichnerstaaten unter anderem mehrere Beobachtungsflüge pro Jahr im Luftraum der Vertragspartner. Die Nato und Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes hatten sich 1992 auf die gegenseitige militärische Überwachung "von Vancouver bis Wladiwostok" geeinigt. Der Vertrag trat 2002 in Kraft. Seitdem gab es mehr als 1.500 Beobachtungsflüge.

Sie dienen dem Bundesverteidigungsministerium zufolge der "Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung in schwierigen sicherheitspolitischen Zeiten". An allen Flügen nehmen sowohl Vertreter der beobachtenden als auch der beobachteten Staaten teil.

Die USA betonten, dass Russland Kontrollflüge über der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad begrenze. Dies reduziere "die Transparenz in einem sehr militarisierten Gebiet", sagte Pentagon-Sprecher Jonathan Hoffmann. Das gelte auch für die Grenze zwischen Russland und Georgien.

EU-Länder bedauern Ankündigung der USA

Man bedauere die Ankündigung der USA, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der Außenminister aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und weiterer EU-Länder. Man teile jedoch Zweifel an der Einhaltung der Vertragsklauseln durch Russland.

Der Vertrag sei ein "entscheidendes Element zur Vertrauensbildung" und trage viel zur Verbesserung der Transparenz und Sicherheit bei. Man wolle weiter an dem Vertrag festhalten und fordere Russland auf, "Beschränkungen wie Flüge über Kaliningrad" aufzuheben.

Bundesaußenminister Heiko Maas bedauerte die Ankündigung der USA ebenfalls. "Wir werden uns in dieser Zeit zusammen mit unseren gleichgesinnten Partnern intensiv dafür einsetzen, dass die US-Regierung ihre Entscheidung noch einmal überdenkt", sagte der SPD-Politiker am Donnerstagabend.

"Wir sehen, dass es in den letzten Jahren auf der Seite Russlands in der Tat Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Vertrags gab", sagte Maas weiter. "Aus unserer Sicht rechtfertigt dies aber keine Kündigung."

Der Vertrag trage zu Sicherheit und Frieden "auf praktisch der gesamten Nordhalbkugel bei". Maas appellierte an Russland, zur vollen Umsetzung des Vertrages zurückzukehren.

Russland dazu aufgerufen, Verpflichtungen nachzukommen

Die Nato-Länder setzten zudem am Freitagnachmittag eine Sondersitzung zum Thema Rüstungskontrolle an. Die USA dürften die Bündnispartner dann offiziell über den Rückzug aus dem "Open Skies"-Abkommen informieren.

Für einen Rückzug aus dem Vertrag gibt es eine Frist: Sechs Monate nach einer offiziellen Rücktrittserklärung an die Verwahrer des Vertrags wird der Austritt wirksam. Führende Demokraten im US-Kongress hatten die US-Regierung Ende 2019 vor einem Austritt gewarnt.

Bereits beim Nato-Gipfel 2018 hatten die Staats- und Regierungschefs ihre Sorge darüber zum Ausdruck gebracht, dass Russland das Abkommen nur selektiv umsetze. Im gemeinsamen Abschlussdokument riefen sie Moskau dazu auf, allen Verpflichtungen vollständig nachzukommen.

Zugleich betonten sie die Wichtigkeit, das Abkommen beizubehalten. Am Donnerstag hieß es aus dem Bündnis, man sei insbesondere "darüber besorgt, dass Russland Flüge über bestimmten Regionen eingeschränkt hat". (msc/dpa)

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