• Prof. Christian Hacke hatte im Interview mit unserer Redaktion vor vier Jahren auf eine Mäßigung des damals frisch gewählten US-Präsidenten Donald Trump gehofft.
  • Heute zieht er ein vernichtendes Fazit der vierjährigen Amtszeit und gibt zu, sich in Trump gewaltig getäuscht zu haben.
  • Trump habe der amerikanischen Demokratie innen- und außenpolitisch enormen Schaden zugefügt und sei vermutlich der schlechteste Präsident der Geschichte. Sogar einen Bürgerkrieg schließt Hacke nicht aus.
Ein Interview

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Herr Hacke, Sie hatten vor vier Jahren trotz charakterlicher Bedenken darauf gehofft, dass Donald Trump an seinem Amt wächst und sich vernünftig entwickelt. Hätten Sie es für möglich gehalten, dass gegen den scheidenden US-Präsidenten gleich zwei Impeachmentverfahren eingeleitet wurden?

Prof. Christian Hacke : Nein, in meinen schlechtesten Träumen nicht. All die Hoffnungen, auch von Kritikern, dass Trump sich unter dem Eindruck des Präsidentenamts anpasst, dass er zu einem vernünftigen Politiker wird, wurden enttäuscht. Da habe auch ich mich in Trump geirrt, das muss ich ganz klar sagen. Diejenigen haben Recht behalten, die von Anfang an vor ihm gewarnt haben.

Zur Ihrer Verteidigung: Sie haben damals schon betont, dass Trumps Persönlichkeitsstruktur ihnen ein wenig unheimlich ist.

Ja, er war mir nicht geheuer. Aber ich hatte daraufgesetzt, dass das System ihn bändigen kann, dass seine Berater ihn in den Griff bekommen.

Das Gegenteil ist passiert ...

... weil Trump das System, die demokratischen Institutionen, zunehmend geschliffen und antidemokratische Stimmungen angeheizt hat. Das Schlimme ist ja, dass er damit nicht erfolglos ist. Er hat die Wahl gegen Biden nur knapp verloren und die Mehrheit der Republikaner hat den Sturm auf das Kapitol in Umfragen befürwortet.

War es richtig von der Demokratischen Partei, so kurz vor dem Ende seiner Amtszeit das zweite Amtsenthebungsverfahren zu eröffnen?

Ja. Es ist eine wichtige Geste für die demokratischen Institutionen, dass das liberal-demokratische Amerika ein Zeichen setzt und sagt: Das geht nicht durch, der Mann muss angeklagt werden. So wichtig das Verfahren symbolisch ist, so skeptisch bin ich, ob es Erfolg hat.

Zweifel am Erfolg des Impeachments

Warum?
Ich bezweifele, dass tatsächlich 17 republikanische Senatoren für das Impeachment stimmen. Trump hat die Partei nach rechts radikalisiert. Führende Sprecher der Partei stehen selbst nach den völlig antidemokratischen Ausschreitungen am 6. Januar weiter zu ihm.

Amerika war schon vor Trump ein gespaltenes Land. Wir sehr hat er das vertieft?
Trump ist nicht von Himmel gefallen. Er ist gewählt worden, weil Amerika schon vor ihm im Niedergang begriffen war. Aber Trump hat diese Spaltung der Gesellschaft weiter verschlimmert. Durch sein Versagen in der Corona-Krise, durch seine oft rassistische Rhetorik und die fehlende glaubwürdige Distanzierung von rechten Gruppierungen, durch seine zunehmend illiberalen und antidemokratischen Tendenzen. Die Spaltung geht quer durch das Land, quer durch die Städte, quer durch die Staaten, quer durch die Familien und quer durch die sozialen Schichten. Das kann man nicht so einfach auflösen.

Sie hatten Trump vor vier Jahren außenpolitisch eine bessere Rolle zugetraut als in der Innenpolitik. Wie sieht seine Bilanz dort aus?

Da gibt es in der Tat ein paar Punkte, die anzuerkennen sind. Er hat den Verbündeten in der NATO gesagt, dass sie in der Sicherheitspolitik mehr Eigenbeiträge leisten müssen. Das kam nicht gut an, war aber richtig.

Dann hat er gegenüber China deutlich gemacht, dass die Wirtschaftspolitik mehr auf Gleichberechtigung begründet sein soll, dass China die Märkte öffnen und das geistige Eigentum des Westens geschützt werden muss. Im Prinzip hat er einiges mit China richtig gemacht. Trotzdem sehe ich es als einen großen Fehler, dass China zum Hauptfeind gemacht wurde.

Wie sehen Sie Trumps Wirken im Nahen Osten?

Er hat versucht, die Politik gegenüber dem Iran mit der Kündigung des Atomabkommens auf eine neue Grundlage zu stellen. Das war nicht ausschließlich verkehrt, denn er hat Teheran klar gemacht, dass sie sich in der Region benehmen müssen. Insgesamt zeichnete sich seine Außenpolitik aber durch völlige Unzuverlässigkeit, Unberechenbarkeit und Angeberei aus. Da kann man nur froh sein, dass das wieder in neue Bahnen gelenkt wird.

"Ein Großmaul, aber nicht kriegerisch"

War die Entspannungspolitik zwischen Israel und zahlreichen arabischen Staaten sein größter Erfolg auf der Weltbühne?

Ja, das kann man sagen. Das ist ihm auch von den Demokraten zugestanden worden.

Trump hat keinen neuen Krieg angefangen. Ein großer Verdienst?

In der Tat. Trump ist kein Kriegspräsident. Er hat versucht, die Truppen so weit es geht ins Land zurückzuholen. Trump ist ein Großmaul, aber er ist nicht kriegerisch. Anders als frühere Berater wie John Bolton, der am liebsten einen Krieg gegen den Iran angefangen hätte.

Wie haben sich die Schlüsselbeziehungen zu Russland entwickelt unter Trump? Sie hatten auf eine Entspannung gehofft.

Er wollte eigentlich einen Ausgleich mit Russland suchen, damit die Schlüsselfragen der Weltpolitik gemeinsam gelöst werden könnten. Das hätte ich mir auch gewünscht, leider ist es nicht dazu gekommen. Unter Biden erwarte ich künftig mehr Berechenbarkeit gegenüber Russland, aber auch eine Verschärfung des Gegensatzes.

Taugt Amerika nach Trump und der Kapitol-Erstürmung noch als Vorbild für Demokratien rund um die Welt?

Trump hat wie kein Präsident vor ihm dieses Amt beschädigt durch seine Lügen und Verschwörungstheorien, durch seine Verachtung des demokratischen Prozesses. Damit hat er dem Ansehen Amerikas als Demokratie und Staat der Menschenrechte einen massiven Schaden zugefügt. Moskau, Peking und Teheran lachen sich ins Fäustchen.

Zurück zur Innenpolitik. Was bedeutete die Ära Trump für die Republikanische Partei? Droht die Spaltung?

Es besteht die Gefahr, dass sich die Partei in Teilen zu einer undemokratischen oder sogar zu einer antidemokratischen Partei entwickelt. Das ist außerordentlich gefährlich. Sollte sich der Trumpismus durchsetzen, blicken wir in ein paar Jahren vielleicht auf Trump zurück als Urvater der USA auf dem Weg zu einer illiberalen Demokratie nach dem Vorbild Ungarns oder Polens. Auch die Spaltung der Republikaner oder ein langer schädigender Machtkampf innerhalb der Partei sind möglich.

"Vermutlich der schlechteste Präsident der Geschichte"

Viele Republikaner sehen ihn trotz aller Verfehlungen als besten US-Präsidenten aller Zeiten, viele Demokraten sprechen vom schlechtesten Präsidenten aller Zeiten. Liegt die Wahrheit in der Mitte?

Er ist der erste Präsident, gegen den zwei Impeachmentverfahren eingeleitet wurden. Das wiegt schwer auf seinem Vermächtnis. Er wird, so wie es jetzt aussieht, vermutlich als der schlechteste Präsident in die Geschichte der USA eingehen. Aber das werden die Historiker in ein paar Jahren endgültig und besser beurteilen können.

Wird sein Nachfolger Joe Biden die USA einen können?

Ich würde gerne daran glauben, dass Biden das Land heilen wird. Aber ich befürchte, die Gräben werden sich weiter vertiefen. Er wird es sehr schwer haben.

Warum?
Die Präsidentschaft von Biden wird die erste in der Geschichte sein, wo – abweichend der Tradition – der Amtsvorgänger und seine Anhänger den neuen Präsidenten regelrecht jagen, fast täglich verunglimpfen, mit Lügen überziehen werden. Darauf ist Amerika nicht vorbereitet.

Sehen Sie wie manche Beobachter sogar die Gefahr eines neuen Bürgerkriegs?
Amerika ist seit Ende des Bürgerkriegs im 19. Jahrhundert nicht mehr in einer solch gefährlichen Situation der Spaltung gewesen. Für die illiberalen Kräfte, die Trump unterstützen, ist der Sturm auf das Kapitol ein Fanal. Ja, ich sehe das leider als Auftakt für weitere Gewalttätigkeiten. Ich hoffe, ich werde mich geirrt haben, sollten wir uns in vier Jahren wieder sprechen.

Zum Experten: Christian Hacke (Jg. 1943) war als Professor an der Universität der Bundeswehr Hamburg und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn tätig. Der Politikwissenschaftler befasst sich u.a. mit amerikanischer Geschichte und Außenpolitik sowie den transatlantischen Beziehungen.
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