Nach Donald Trumps Ankündigungen, amerikanische Truppen aus Deutschland abzuziehen, breitet sich Unruhe aus. Für manche Regionen könnte der Abzug massive wirtschaftliche Folgen haben. Stellvertretend für andere deutsche US-Standorte haben wir beim Bürgermeister des rheinland-pfälzischen Gemeindeverbunds Ramstein-Miesenbach, Ralf Hechler, nachgefragt: Was bedeutet der Rückzug für die Region?

Ein Interview

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Ralf Hechler ist seit fünf Jahren Bürgermeister des rheinland-pfälzischen Gemeindeverbunds Ramstein-Miesenbach nahe Kaiserslautern. Der Standort ist vor allem wegen der Ramstein Air Base bekannt. Der Militärflugplatz mit mehr als 8.000 Soldaten ist die größte Einrichtung der amerikanischen Luftwaffe außerhalb der USA. Was bedeutet der massive Truppenabbau in Deutschland konkret für die Region, in der der 48-Jährige sein Amt bekleidet?

Herr Hechler, wie fällt Ihr Schlaf zuletzt aus?

Schlaflose Nächte habe ich nicht. Im Moment vertraue ich noch auf gute Kommunikation - wir werden in Gesprächen Lösungen finden, wenn es denn nötig ist. Ganz unabhängig von der Frage Truppenabzug oder nicht haben wir im Moment wegen Corona eigentlich schon genug Probleme. Wir werden im laufenden Jahr eine Million weniger Gewerbesteuer einnehmen, die Hotels stehen leer - wir merken schon jetzt ein bisschen, was ein Truppenabzug bedeuten könnte.

Wissen Sie denn schon, ob Ramstein vom geplanten Truppenabzug betroffen sein wird?

Wir wissen gar nichts. Niemand weiß, was und wo. Auch die Landesregierung in Mainz kennt nur Donald Trumps Ankündigung - aber nicht, was sie bedeutet, wie sie umgesetzt werden soll.

Ein Drittel der Arbeitsplätze würde wegfallen

Würde ein massiver Truppenabzug Ihre Gemeinde heftig treffen?

Ramstein ist eine kleine Gemeinde. Wir haben 8.000 Einwohner und 5.300 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze ...

... das ist ein recht hoher Anteil ...

... von denen aber 1.700 wegfallen würden, wenn die Amerikaner komplett abziehen.

Das ist fast ein Drittel

Aber ein Abzug würde nicht nur Ramstein treffen, sondern den ganzen Landkreis, auch die Städte Kaiserslautern und Landstuhl - da wären, die Familienangehörigen mitgerechnet, 50.000 Menschen betroffen.

Sie sollen schon einen "Umnutzungsordner" in Ihrem Büro stehen haben

Den gibt es schon seit meinem Vor-Vorgänger. Die Überlegungen beziehen sich hauptsächlich auf den Militärflughafen. Die Air Base mit dem neu modernisierten Flugplatz, mit ihren drei Kilometer langen Start- und Landebahnen und mit durchschnittlich 40 Starts und Landungen pro Tag würde sich ja auch für zivile Nutzung anbieten.

Aber könnte man damit den Verlust durch einen möglichen Truppenabzug ausgleichen?

Die Wirtschaftskraft der gesamten Militärgemeinde inklusive Air Base macht 2,3 Milliarden US-Dollar pro Jahr aus. Es hätte wohl drastische Konsequenzen, wenn das von heute auf morgen wegfallen würde.

"Wir würden kleinere Brötchen backen müssen"

Bisher scheint es Ihrer Gemeinde noch recht gut zu gehen - Sie verfügen über einen Etat von 18 Millionen Euro.

Der Etat der Stadt umfasst 18 Millionen, der Etat der Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach nochmals 14 Millionen. Die Verbandsgemeinde hat insgesamt 17.000 Einwohner, dazu kommen 7.000 Angehörige der Streitkräfte.

Zugegeben: Uns geht es gut. Wir haben ein neues Blockheizkraftwerk gebaut, wir haben niedrige Energie- und Wasserkosten, die Leute sind zufrieden. Wir haben ein großes Tagungs- und Kulturzentrum, ein Kombibad mit 200.000 Gästen pro Jahr und ein Hotelgewerbe mit 70.000 Übernachtungen - da beneidet uns so mancher Touristenort.

Hängt das mit der Air Base zusammen?

Ja, und da sind wir schon wieder beim Problem: Bei den Übernachtungen haben zwei Drittel, vielleicht sogar drei Viertel direkt oder indirekt mit dem Flughafen zu tun. Auch ein großes Bauunternehmen am Ort ist unter anderem von den Amerikanern abhängig, viele Wohnungen und Häuser sind an Amerikaner vermietet.

Es ist schwer zu sagen, wie viel von unseren vier Millionen Euro Gewerbesteuer pro Jahr ohne US-Militär übrig bleiben. Aber es ist klar, dass wir kleinere Brötchen backen müssten.

Mal abgesehen von den wirtschaftlichen Vorteilen - hätte der Abzug der Amerikaner auch weitere Konsequenzen?

Die Air Base gehört schon zur Geschichte der Stadt. Da gab es über die Jahrzehnte Höhen und Tiefen. Freddy Quinn war hier, Caterina Valente, Max Greger, daran erinnern sich die Leute gern, die Deutschen durften ja auch in die Clubs der Amerikaner. Man ist damit aufgewachsen, hat eine Zusammengehörigkeit entwickelt. Bis 1981 konnte man noch einfach mit dem Fahrrad in die Air Base reinfahren ...

... ganz ohne Kontrolle?

Ja, wirklich. Dann kam ein Bombenanschlag der RAF auf das Hauptquartier, danach gab's den ersten Zaun. Aber erst nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA wurden die Sicherheitsschrauben richtig angezogen. Auch das Flugunglück vom August 1988 gehört zu unserer Geschichte ...

Bei dem Unfall während einer Flugshow sind 70 Menschen ums Leben gekommen und fast tausend teils schwer verletzt worden ...

Ein Flugunglück schweißte Amerikaner und Deutsche zusammen

... mein Schwiegervater war Einsatzleiter bei der freiwilligen Feuerwehr - aber Amerikaner und Deutsche sind durch dieses Unglück auch eng zusammengerückt. Sie müssen bedenken, dass das Personal auf der Air Base regelmäßig ausgetauscht wird. Alles in allem waren seit dem Bau der Air Base 1952 bis heute mehrere Hunderttausend Amerikaner hier.

Es sind Freundschaften und Ehen entstanden, es sind auch viele Deutsche in die USA gegangen und kommen regelmäßig zurück. Bei den jährlichen Mitarbeiter-Ehrungen am Flughafen gibt es Menschen, die dort 20, 30, manche 40 Jahre beschäftigt waren - lückenlos! So etwas gibt es nicht bei vielen Unternehmen.

Sind Sie auch ein bisschen stolz auf Ihre Air Base?

(lacht): Für die Airbase bin ich ja nur bedingt zuständig, aber als "Eingeborener" ist es ist für mich schon eine große Ehre, der Bürgermeister meiner Heimatstadt Ramstein zu sein. Donald Trump hat mich noch nicht persönlich angerufen, aber ich könnte ihm vieles darüber erzählen.

Ralf Hechler ist 48 Jahre alt und sitzt seit 1994 für die CDU im Stadtrat von Ramstein. Seit 1999 war er Beigeordneter und seit vier Jahren ist er Bürgermeister der 8000-Einwohner-Gemeinde.
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