• Am Mittwoch hat das Bundesverfassungsgericht für die AfD entschieden.
  • Ex-Kanzlerin Angela Merkel war mit ihrem Kommentar zur Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten im Februar 2020 mit Stimmen der rechtsextremen Partei zu weit gegangen.
  • Die Reaktionen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts fallen hingegen gemischt aus.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Auch eine Bundeskanzlerin muss bei Aussagen über die AfD neutral bleiben, solange sie in amtlicher Funktion und nicht als Parteipolitikerin oder privat spricht. Das Bundesverfassungsgericht gab am Mittwoch bekannt, dass Angela Merkel diese rote Linie in ihrer Zeit als Regierungschefin ein Mal überschritten hat: Ihre Äußerungen zur Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen 2020 hätten die AfD in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt, stellte das höchste deutsche Gericht auf Antrag der Partei fest.

Die CDU in Thüringen reagierte mit Verständnis auf das Urteil zu den Einlassungen Merkels nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten des Freistaats mit den Stimmen der AfD.

Mit dem Urteil des Gerichts "ergeht zum wiederholten Male die Mahnung an Mitglieder der Exekutive im Bund wie im Land, das Gebot staatlicher Neutralität zu wahren", erklärte Generalsekretär Christian Herrgott am Mittwoch in Erfurt. Wie schwierig diese Abwägung in jedem Einzelfall sei, zeige das uneinheitliche Votum der Verfassungsrichter. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, das Urteil müsse nun ausgewertet werden. Es gebe immer ein "Gebot der Zurückhaltung" der Bundesregierung bei parteipolitischen Themen.

Lob von der AfD für Urteil

AfD-Chef Tino Chrupalla lobte das Urteil. "Es ist ein guter Tag für die Demokratie", sagte er in Karlsruhe, seine Partei werde "weiterhin für die Grundrechte kämpfen und auch für die Einhaltung des Grundgesetzes". Die AfD wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus eingestuft. Dagegen wehrt sich die Partei in einem noch laufenden Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Der Thüringer Verfassungsschutz stuft den dortigen AfD-Landesverband um Landeschef Björn Höcke als "erwiesen rechtsextremistisches Beobachtungsobjekt" ein.

Kurzzeit-Ministerpräsident Kemmerich äußerte sich knapp und erklärte, er wolle das Urteil nicht näher bewerten. "Ich habe großen Respekt vor dem Gericht." Für ihn gelte: "Ich bin ein Mensch, der nach vorn blickt."

Sein Parteikollege, der Bundesjustizminister Marco Buschmann, schrieb auf Twitter, der Ausgang sei "ein historisches Eigentor". "Denn das widerlegt die AfD in ihrem Grundmythos, der auf dem Schüren von Zweifeln an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland aufbaut."

Auschwitz Komitee verteidigt Merkel-Äußerungen zu AfD und Kemmerich

Der Chef der Linken-Fraktion im Thüringer Landtag, Steffen Dittes, bezeichnete die Äußerungen der Ex-Kanzlerin als "gesellschaftspolitisch richtige und nachvollziehbare Reaktion, die durch viele Menschen in der Bundesrepublik geteilt wurde". Das Internationale Auschwitz Komitee verteidigte sie ebenso.

"Überlebende des Holocaust waren und sind Angela Merkel für ihre unzweideutige Haltung gegenüber der AfD immer dankbar gewesen", erklärte der Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner, am Mittwoch. Es bleibe zu hoffen, dass diese Eindeutigkeit auf allen politischen Ebenen durchgehalten werde.

Auch ihre Charakterisierung der Wahl Kemmerichs zum Ministerpräsidenten des Landes Thüringen mit den Stimmen der CDU, FDP und AfD als "unverzeihlich" habe das Vertrauen gegenüber Deutschland in einer Situation bestärkt, "in der Politiker in Erfurt dieses Vertrauen mit ihrem unseligen Wahlverhalten entscheidend ramponiert hatten."

Die Entscheidung vom Mittwoch war im Senat umstritten. Nur fünf der acht Richterinnen und Richter stimmten dafür. Die Richterin Astrid Wallrabenstein führte in einem sogenannten Sondervotum aus, dass die Kanzlerin nicht gegen die Verfassung verstoßen habe. "Bürgerinnen und Bürger erwarten von den Regierungsmitgliedern nur begrenzt Neutralität», schrieb sie. Diese würden immer in ihrer Doppelrolle wahrgenommen, Amt und Parteizugehörigkeit seien verschränkt. (dpa/mf)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.