• Die Ampel-Regierung plant die Legalisierung von Cannabis in Deutschland.
  • In Tschechien, Niederlande und Kanada gilt bereits jetzt eine liberalere Politik.
  • Doch die Erfahrungen mit der Gesetzesänderung fallen unterschiedlich aus: Sind nach der Legalisierung die Konsumentenzahlen explodiert und wie hat der Schwarzmarkt reagiert?
  • Wir blicken auf die Erfahrungen im Ausland.

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Die Ampel-Regierung will in Sachen Drogenpolitik einen neuen Kurs einschlagen. "Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein", heißt es im Koalitionsvertrag. Dadurch werde die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet.

Vorreiter wäre Deutschland damit nicht. Weltweit gibt es bereits mehrere Länder, die einen liberaleren Umgang mit Cannabis an den Tag legen – darunter Kanada, Tschechien und die Niederlande. Waren die Hoffnungen zu Beginn der Legalisierung groß, ist in vielen Bereichen Ernüchterung eingetreten. Wir blicken auf die Erfahrungen der Länder bei der Cannabis-Legalisierung.

Was ist wo erlaubt?

Laut dem Strafgesetzbuch in Tschechien stellt der Besitz von Cannabis seit 2010 keine Straftat mehr dar – zumindest, wenn sich die Menge bis zur Eigenbedarfsgrenze von aktuell 10 Gramm bewegt. Eine Ordnungswidrigkeit bleibt der Besitz allerdings auch bei diesen geringen Mengen, die tschechischen Behörden verfolgen sie jedoch nicht.

Handel und Produktion sind illegal, bis zu fünf Cannabispflanzen für den Eigenbedarf werden aber toleriert. Seit 2013 ist auch der Kauf und Konsum von medizinischem Cannabis für Patienten mit gültigem Rezept erlaubt.

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Eigenbedarfsgrenzen unterscheiden sich

In den Niederlanden wird der Eigenbedarf strenger definiert: Hier werden nur fünf Gramm Cannabis und bis zu fünf Cannabispflanzen für den persönlichen Gebrauch ohne Strafverfolgung toleriert. Das ist schon seit 1976 so.

Kanada hat zuletzt nachgezogen: Hier ist der Konsum von Cannabis – je nach Bundesstaat ab 18 oder 20 Jahren – seit 2018 legal. Dabei gilt sogar eine Höchstmenge von bis zu 30 Gramm Cannabis und vier Pflanzen pro Erwachsenen.

Wo wird das Cannabis verkauft?

In Tschechien können medizinische Patienten Cannabis in Apotheken kaufen. Um die Lizenzvergabe kümmert sich das staatliche Institut für Arzneimittelkontrolle (SÚKL). Es baut auch selbst Cannabis an und kümmert sich um An- und Verkauf.

Ein gültiges Rezept ist Voraussetzung für den Erwerb. Das Cannabis hingegen, welches etwa in Kneipen meist offen konsumiert werden darf, stammt aus Eigenproduktionen oder vom Straßenhändler. Öffentliche Cannabisverkaufsstellen gibt es nicht.

Coffeeshops in den Niederlanden

Die Niederlande, insbesondere Städte wie Amsterdam und Maastricht, sind bekannt für ihre Coffeeshops. Sie dürfen Cannabis für den Eigenbedarf an über 18-Jährige verkaufen, die ihren Wohnsitz in den Niederlanden haben. Dafür brauchen die Coffeeshops eine gültige Lizenz, dürfen nicht gleichzeitig Alkohol verkaufen und selbst keine großen Mengen Cannabis vorrätig haben.

Widersprüchlich in der niederländischen Drogenpolitik: Einen staatlich kontrollierten Cannabisanbau gibt es nicht und der gewerbliche Anbau bleibt verboten – weshalb die Coffeeshops auf ein illegales Netzwerk zurückgreifen müssen. Diese Situation wiederum hat die Entstehung von Banden organisierter Kriminalität begünstigt, die auch härtere Drogen produzieren.

Staatliche Stellen in Kanada

In Kanada erfolgt der Vertrieb über staatlich lizenzierte Produzenten und Abgabestellen, die sogenannten "dispensaries". Es existieren über 100 lizenzierte Marihuana-Produzenten, ein bedeutender Teil davon ist börsennotiert.

Neben den Cannabis-Shops wird die Droge auch weiterhin auf dem Schwarzmarkt verkauft. Zu Beginn der Legalisierung konnte die staatliche Infrastruktur Produktion und Nachfrage nicht gerecht werden. Große Mengen an legalem Cannabis blieben in der Folge liegen, Kunden besorgten ihr Marihuana beim Straßendealer. Mittlerweile decken die "dispensaries" aber einen großen Teil des Marktes ab – auch wenn die Produktpalette auf dem Schwarzmarkt größer ist und die Droge meist günstiger.

Wo kommt das Cannabis her?

Cannabis ist die verbreitetste Droge in Tschechien. Um die Nachfrage abseits des medizinischen Bedarfs zu decken, wird die Droge entweder vor Ort lokal produziert, oder aus Slowenien und Ungarn ins Land geschmuggelt. Auch Gruppen der organisierten Kriminalität sind an Produktion und Handel beteiligt, dazu zählen vor allem Angehörige der vietnamesischen Minderheit.

Während ein bedeutender Teil des Cannabis-Marktes in den Niederlanden in der Öffentlichkeit stattfindet, bleibt die Versorgungskette in der Dunkelheit der unkontrollierten Illegalität. Die Niederlande gelten als Weltmarktführer in Sachen synthetische Drogen, sind aber gleichzeitig auch einer der wichtigsten Kokain-Märkte in Europa und für ihre inländische Cannabis-Produktion bekannt. Das meiste eingeführte Cannabis stammt aus Marokko, marokkanische Banden spielen auch eine wichtige Rolle innerhalb des Landes.

Durch die Legalisierung von Cannabis ist in Kanada ein expandierender Markt entstanden, an dem sowohl Regierungsbetriebe sowie Privatunternehmen Teil haben. Der Schwarzmarkt existiert aber weiterhin – vor allem, weil das Cannabis dort günstiger ist und qualitativ hochwertiger sein soll.

Welche Erfahrungen machen die Länder?

Dass der Cannabis-Konsum nach einer Legalisierung zunimmt, zeigen internationale Forschungsdaten nicht. Pauschal lässt sich also nicht sagen, dass in den Ländern, in denen der Konsum strafrechtlich nicht verfolgt wird, mehr Menschen Cannabis konsumieren als in Ländern, wo es illegal ist. Die Länder machen dahingehend sehr unterschiedliche Erfahrungen.

Tschechien gehört seit langem zu den europäischen Spitzenreitern beim Drogenkonsum. Weit mehr als ein Drittel der tschechischen Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren haben bereits mindestens einmal illegale Narkotika zu sich genommen, bei Cannabis liegt die jährliche Prävalenz weit über dem EU-Durchschnitt – 23 Prozent der Studenten konsumieren laut der Fachzeitschrift "The Lancet" jährlich Marihuana.

Tschechien: Europäische Spitzenreiter

Weniger als zehn Prozent der Konsumenten nehmen Cannabis aber in einem "Hochrisiko-Muster" zu sich. Heißt: Anders als etwa in Luxemburg oder Portugal, konsumieren die tschechischen Jugendlichen die Droge beispielsweise nicht täglich. In letzter Zeit war der Konsum außerdem rückläufig.

In den Niederlanden gab es laut "Cannabis Report" aus dem Jahr 2002 keinen Beweis für einen Anstieg der Konsumenten infolge der Gesetzesänderung. Darin heißt es, die Gesetzesänderung von 1976 habe nicht zu einer Explosion des Drogenkonsums geführt.

Kanada: Konsumentenzahlen steigen

In Kanada sieht das anders aus: Seit 2018 steigt die Zahl der Cannabis-Konsumenten. Gaben vor vier Jahren noch 22 Prozent der Befragten an, in den letzten 12 Monaten Cannabis konsumiert zu haben, waren es 2019 schon 25 Prozent und 2020 dann 27 Prozent.

Am deutlichsten war der Anstieg bei den Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren von 36 auf 44 Prozent. Das könnte aber auch nur ein Trendeffekt sein: Laut statistischem Amt hat die Legalisierung keinen Einfluss darauf gehabt, wie viele Menschen täglich oder mehrmals im Monat Cannabis konsumieren.

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Gemischte Bilanz

Aber: Laut einer Studie haben sich in der kanadischen Provinz Ontario die Notaufnahme-Einlieferungen von Kindern unter zehn Jahren mit Cannabisvergiftung seit 2018 verneunfacht. Die Bilanz zur Legalisierung von Cannabis fällt in den drei Ländern daher gemischt aus.

Während in Kanada zwar tausende neue Jobs entstanden sind und der legale Markt den Schwarzmarkt immer weiter einholt, ist die anfängliche "Goldgräber"-Stimmung an der Börse enttäuscht worden.

Kriminalität bleibt ein Problem

Trotzdem werten Experten die Gesetzesänderung als Erfolg: Weniger Druck in der Cannabis-Politik hat in Kanada eine höhere Kontrolle mit sich gebracht. Anders in Tschechien und den Niederlanden: Die Länder sind trotz der Legalisierung von Cannabis Hochburgen für Crystal-Meth-Produktion und haben mit organisierter Drogenkriminalität zu kämpfen.

Auch etwaige polizeiliche Ressourcen, die nicht durch die Cannabis-Strafverfolgung gebunden sind, haben das bislang nicht in den Griff bekommen können. Waren die Niederlande einst nur ein Transitland, haben die liberalen Cannabis-Gesetze Produzenten angelockt – die auch für die Herstellung von härteren Drogen gute Bedingungen vorfinden.

Verwendete Quellen:

  • BR.de: #Faktenfuchs: Nimmt Cannabis-Konsum nach einer Legalisierung zu? (26.10.2021)
  • Mantey, J. (2021): Public health monitoring of cannabis use in Europe: prevalence of use, cannabis potency, and treatment rates. The Lancet.
  • Ministry of Public Health of Belgium: Cannabis 2002 Report.
  • MDR: Cannabis in Kanada: Anstieg von Vergiftungen bei Kindern (09.01.2022)
  • Global Organized Crime Index: Länderprofile Tschechien, Kanada, Niederlande
  • Spd.de: Koalitionsvertrag 2021-2025: Mehr Fortschritt wagen
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