Der Bundesgerichtshof (BGH) soll nach dem Willen der Bundesregierung künftig Leitentscheidungen treffen.

Mehr aktuelle News

Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat das Kabinett am Mittwoch in Berlin beschlossen. Solche Grundsatzentscheidungen sollen Maßstäbe bieten, wenn viele ähnliche Fälle an deutschen Gerichten anhängig sind.

Leitentscheidungen sollen Masserverfahren abkürzen

Massenverfahren mit vielen tausend Klägerinnen und Klägern seien eine Herausforderung für die Justiz, erklärte Justizminister Marco Buschmann in einer Mitteilung. "Wenn etwa unzulässige Klauseln in Verträgen von Versicherungen, Internetanbietern oder Fitnessstudios verwendet werden, sind oft zahlreiche Kunden von den gleichen Rechtsfragen betroffen", so der FDP-Politiker. "Wir werden deshalb Leitentscheidungen einführen, in denen sich der Bundesgerichtshof zu solchen grundsätzlichen Rechtsfragen äußern kann, damit bei Amts-, Land- und Oberlandesgerichten schneller und einheitlicher entschieden werden kann."

Die meisten solcher Massenverfahren landen nach Darstellung des Ministeriums früher oder später beim BGH als letzter Instanz. Zu dieser komme es jedoch nicht, wenn die Klage zurückgenommen werde oder es zu einem Vergleich komme. Ohne höchstrichterliche Klärung würden die Gerichte unterer Instanzen immer wieder mit neuen Verfahren zu ähnlichen Sachverhalten belastet, was auch die Verfahrensdauer verlängere.

Mit dem Leitentscheidungsverfahren soll nun eine neue Möglichkeit geschaffen werden für den BGH, grundsätzliche Rechtsfragen in Massenverfahren auch dann zu entscheiden, wenn die Parteien das Verfahren anderweitig beendet haben, etwa durch eine Rücknahme der Klage. An dieser Entscheidung können sich Gerichte dann orientieren.

Der Deutsche Richterbund bemängelte, die Pläne griffen zu kurz. "Es bräuchte einen größeren Wurf, um die Justiz spürbar von der Verfahrensflut zu entlasten", erklärte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Untere Gerichte sollen Verfahren nämlich nur dann bis zu einer Leitentscheidung aussetzen können, wenn die Parteien damit einverstanden sind. "Daran wird eine Verfahrenspause vielfach scheitern", kritisierte Rebehn.

Mit einem zweiten Gesetzesvorhaben will die Bundesregierung neue Möglichkeiten für englischsprachige Gerichtsverfahren bei bestimmten Wirtschaftsstreitigkeiten ausweiten. An ausgewählten Landgerichten sollen dazu eigene Kammern ("Commercial Chambers") entstehen, an Oberlandesgerichten Senate ("Commercial Courts"). Diese sollen mit spezialisierten Richterinnen und Richtern mit sehr guten Sprachkenntnissen besetzt werden. Um lange Klagewege abzukürzen, soll von den "Commercial Courts" eine Revision beim Bundesgerichtshof zulässig sein. "Unternehmen sollen in großen Wirtschaftsstreitigkeiten schnell Rechtssicherheit erhalten", erklärte Buschmann. Mit beiden Gesetzentwürfen befasst sich nun der Bundestag.  © dpa

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.