Auf dem Budapester Bahnhof herrscht Chaos. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban nennt die Flüchtlingskrise aber ein "deutsches Problem". Was steckt hinter seiner Aussage?
Dramatische Szenen spielten sich am Donnerstagmorgen am Budapester Bahnhof ab. Nach der vorübergehenden Schließung haben Ungarns Behörden den Fernbahnhof Keleti wieder für Flüchtlinge geöffnet. Diese drängten sich in die Züge, es wurde getreten und geschoben, Eltern hoben ihre Kinder in die Waggons.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban schiebt die Verantwortung für die Flüchtlingskrise jedoch anderen zu. "Das Problem ist nicht ein europäisches Problem, das Problem ist ein deutsches Problem", sagte Orban auf einer Pressekonferenz.
"Europäisches Problem" versus "deutsches Problem"
Ungarn setzt in der Flüchtlingsfrage auf einen nationalen Alleingang. Deutschland ruft dagegen die EU-Partner zu mehr Solidarität auf. Die EU müsse eine "einheitliche europäische Asylpolitik" durchsetzen und die Flüchtlinge fair über die Länder verteilen, fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Bisher ist die Aufnahme in den europäischen Staaten sehr unterschiedlich. Nach Deutschland oder Schweden kommen, gemessen an der Einwohnerzahl, deutlich mehr Asylbewerber als in andere Länder. "Wir erleben gerade nationalen Egoismus in reinster Form", kritisierte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz das Problem vor kurzem im Deutschlandfunk.
Warum die Flüchtlinge nach Deutschland wollen
Aber auch Ungarn gehört in der EU zu den Ländern, die am meisten Flüchtlinge aufnehmen. Die Flüchtlinge wollen aber nicht in Ungarn bleiben, sondern nach Deutschland, erklärte Viktor Orban an diesem Donnerstag.
Seine rechtspopulistische Regierung ist für ihren harten Kurs gegenüber Flüchtlingen bekannt. Immer wieder wird über schlimme Zustände in den ungarischen Aufnahmelagern berichtet. In der Vergangenheit hat die Flüchtlingskommission der Vereinten Nationen (UNHCR) Ungarn dafür kritisiert, Asylsuchende unter gefängnisähnlichen Bedingungen einzusperren.
Eine der bekanntesten Flüchtlingsrouten für Menschen aus Syrien, Irak oder Afghanistan geht über die Länder Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn. Das krisengeschüttelte Griechenland und die Westbalkan-Länder sind mit den hohen Zahlen der Flüchtlinge aber völlig überlastet, warnt die UNHCR.
Deshalb wollen viele Flüchtlinge weiter nach Westeuropa. Vor allem in Deutschland erhoffen sie sich eine echte Chance auf Asyl, Schutz und eine sichere Zukunft. Zudem haben einige von ihnen bereits Freunde oder Verwandte hier oder sie wollen zu Angehörigen in anderen westeuropäischen Staaten weiterreisen.
Orbans Lösung: Abschottung
Ihm gehe es vor allem um Grenzkontrollen, betonte Orban und inszenierte sich als Beschützer seines Volkes, deren Ängste er mit nationalistischen Parolen auch selbst schürt. Der Rechtspopulist wirft Deutschland vor, den Menschen Anreize für eine Flucht nach Europa zu schaffen.
An der Grenze zu Serbien ließ er zuletzt einen umstrittenen Stacheldrahtzaun gegen die ankommenden Flüchtlinge errichten. Die Flüchtlinge aus Syrien sollen in der Türkei oder Serbien bleiben, riet Ungarns Ministerpräsident und schiebt das Problem damit diesen Ländern zu.
Doch wer keine Perspektive hat, so wie die meisten Flüchtlinge aus Syrien, lässt sich weder von Zäunen noch von anderen Maßnahmen abschrecken. Das zeigen aktuell die erschreckenden Bilder vom Mittelmeer, aus Calais, an der griechisch-mazedonischen Grenze – und auch in Budapest.
Orban: Ungarn tut, was Angela Merkel erwartet
Ungarn halte sich an die Vorschriften, erklärte Orban mit Blick auf die Lage am Bahnhof Keleti. Sein Land tue nur das, was
EU-Länder mit einer Außengrenze wie Griechenland, Italien oder Ungarn werden so deutlich stärker belastet als Länder, die nur EU-Nachbarstaaten haben, wie Deutschland. Die Bundesrepublik hatte sich bislang gegen eine Änderung dieser Regelung ausgesprochen. Mit seiner Anspielung hat Orban also durchaus Recht. Erst seit dem Ansteigen der Flüchtlingszahlen macht sich Deutschland derzeit für einen anderen Verteilerschlüssel stark.
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