Während die AfD derzeit ein Umfragehoch erlebt, beobachtet sie der Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall. Ist es an der Zeit, ein Verbotsverfahren gegen die Partei anzustreben?
Das Grundgesetz erlaubt ein drastisches Mittel im Kampf gegen seine Feinde: Das Bundesverfassungsgericht kann Parteien verbieten, die die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen wollen. Zuletzt geschah dies 1956, als die Kommunistische Partei Deutschlands untersagt wurde.
Derzeit werden immer mehr Stimmen laut, die ein Verbotsverfahren gegen eine weitere Partei fordern: die AfD. Die steht in der Wählergunst so gut da wie nie: Umfragen sehen sie bundesweit bei über 20 Prozent – trotz Beobachtung durch den Verfassungsschutz.
Sollte vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt werden, ob die AfD verboten werden muss? Oder wäre das der falsche Umgang mit einer Partei, auf die man zunächst einmal politische Antworten finden sollte?
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Pro: Es gibt genug Hinweise auf die Verfassungsfeindlichkeit der AfD
von Joshua Schultheis
Deutschland ist eine wehrhafte Demokratie. Bestimmte Grundsätze des Staates können nicht einfach aufgehoben werden – selbst wenn die Entscheidung dazu demokratisch zustande kommt. Dazu gehören die Gleichheit vor dem Gesetz, die Achtung der Menschenwürde jedes und jeder Einzelnen sowie die Demokratie selbst. Strebt eine Partei deren Abschaffung an, kann das Bundesverfassungsgericht sie verbieten. Im Umgang mit der AfD sollte ein solches Verbotsverfahren geprüft werden.
Die Rechtsaußen-Partei hält nicht viel von oben genannten Prinzipien. Dafür gibt es mittlerweile genug Hinweise. Dass aus Sicht der AfD die Menschenwürde nur für manche gilt, haben führende Köpfe immer wieder deutlich gemacht. Die AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel diffamierte muslimische Zuwanderer als "Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner" und der Partei-Säulenheilige Alexander Gauland wollte eine türkischstämmige Deutsche, die ihm nicht passte, am liebsten "in Anatolien entsorgen".
Insbesondere das letzte Beispiel zeigt gut: Auch wenn die AfD offiziell etwas anderes behauptet, unterscheidet sie sehr wohl zwischen "echten" Deutschen und solchen, die für sie nicht wirklich dazugehören.
Demnach waren wichtige Politiker der Partei auf einem rechtsextremen Vernetzungstreffen in Brandenburg dabei, auf dem der Plan einer massenhaften Abschiebung deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund besprochen wurde. Mit dem Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz ist das nicht vereinbar – und da, wo Bürgerinnen und Bürger entrechtet werden, gibt es auch keine Demokratie.
Die Hürden für ein Parteiverbot sind zu Recht hoch. Ob es im Fall der AfD erfolgreich wäre, ist schwer abzuschätzen. Doch jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, dem Bundesverfassungsgericht den Auftrag zu erteilen, genau das zu prüfen. Ansonsten müssten sich die Demokratinnen und Demokraten in diesem Land womöglich bald den Vorwurf gefallen lassen, nicht alles getan zu haben, um eine demokratiefeindliche Partei an der Macht zu verhindern. Die wehrhafte Demokratie hätte sich dann als zahnlos erwiesen.
Contra: Die AfD muss politisch gestellt werden
von Fabian Hartmann
Ist die selbsternannte Alternative für Deutschland eine unappetitliche Partei? Ja, das ist sie. In ihr geben Rechtsextremisten wie Björn Höcke den Ton an, sie sortiert Menschen entlang von Hautfarbe und Abstammung. Ihr völkisches Denken steht im krassen Widerspruch zu einer liberalen Demokratie.
Sollte sie deshalb verboten werden?
Nein. Das wäre ein schwerer Fehler – mal ganz davon abgesehen, dass das Parteienrecht hohe Hürden an ein Verbot legt, der Gang nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht damit ein (zu) großes Wagnis wäre. Eines, das die Politik jahrelang beschäftigen würde.
Allein die Debatte um ein mögliches Verbot nützt der AfD. Sie könnte sich mal wieder als Opfer inszenieren, möglicherweise auf Solidarisierungseffekte ("Jetzt erst recht") in der Wählerschaft hoffen. Und das in einem Super-Wahljahr mit drei herausfordernden Landtagswahlen im Osten und der Europawahl.
Es ist eine bittere Erkenntnis, aber: Die AfD ist inzwischen zu groß geworden, um ihr juristisch beizukommen. Zustimmungswerte von bundesweit über 20 Prozent und mehr als 30 Prozent im Osten verschwinden nicht per Richterspruch. Der Partei ist es längst gelungen, sich eine feste Wählerbasis aufzubauen. Sie verfügt über Vorfeldorganisationen wie die Identitäre Bewegung, ihr wohlgesinnte Medien wie das rechtsextreme Compact-Magazin und eigene Thinktanks, etwa das Institut für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda.
Das Problem ist ein politisches: Es gibt genug Menschen, die genau das anzieht, dieser Mix aus Neoliberalismus und völkischem Nationalismus. Es wäre Aufgabe der demokratischen Parteien – von der Linken bis zur CSU –, Rassismus und Fremdenhass zurückzudrängen. Und die Probleme zu lösen, vor denen das Land steht. Gegenseitige Schuldzuweisungen sind fehl am Platz.
Klar ist aber auch: Es geht nicht ohne die Menschen. Die Demokratie braucht selbstbewusste Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die sie verteidigen. Die bundesweiten Proteste vom Wochenende, bei denen Zehntausende auf die Straße gingen, sind insofern ein gutes Zeichen. Die Zivilgesellschaft lebt.
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