Der Druck von außen fördert die Geschlossenheit der AfD. Alice Weidel und Tino Chrupalla sollen die Partei für zwei weitere Jahre gemeinsam führen. Der Parteitag in Essen wurde von massiven Protesten begleitet. Zwei Polizisten wurden dabei schwer verletzt.
Alice Weidel und
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Begleitet wird die zweitägige Veranstaltung in Essen von massiven Protesten und Sitzblockaden. Zwei Polizisten werden schwer verletzt. Während Weidel am ersten Tag vor allem gegen die etablierten Parteien und den Verfassungsschutz wettert, appelliert Chrupalla an seine Parteifreunde, bei der Aufstellung von Kandidatenlisten künftig mehr Sorgfalt walten zu lassen.
Derbe Wortwahl der Parteichefin kommt gut an
Deutschland sei "zu einem Ponyhof verkommen", schimpft Weidel. An die Adresse der Ampel-Regierung sagt sie: "Liebe Regierung, haut endlich ab, macht den Weg frei für Neuwahlen".
Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall - eine Einschätzung, die das Oberverwaltungsgericht in Münster im Mai bestätigt hat. Unter dem Applaus ihrer Parteifreunde schimpft Weidel: "Der Verfassungsschutz ist selbst zum Verfassungsfeind geworden, und er gehört in dieser Form abgeschafft."
Das gerade in Kraft getretene neue Staatsbürgerschaftsgesetz mit verkürzten Fristen für die Einbürgerung werde die AfD im Falle einer Regierungsbeteiligung wieder einkassieren, sagt Weidel. Das hat auch die Union angekündigt. Die AfD-Vorsitzende sagt: "Deutschland schafft sich ab, wenn wir nicht in die Speichen greifen und diesem woken Hippie-Wahn endlich ein Ende bereiten."
Co-Vorsitzende spricht von "Trainer-Gespann"
Weidel wählt in ihrer Eröffnungsrede eine Fußball-Metapher und spricht von einem "Trainer-Gespann" in der Parteiführung. Vielleicht will sie damit Parteifreunden den Wind aus den Segeln nehmen, die vermuten, sie wolle den Co-Vorsitzenden Chrupalla zur Seite schieben und sich jetzt schon als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2025 in Stellung bringen. Ein Antrag, die Doppelspitze abzuschaffen, findet in Essen keine Mehrheit.
Weg zur Halle teils Spießrutenlauf - Polizisten verletzt
Einige AfD-Politiker haben wegen der massiven Proteste und Blockaden Schwierigkeiten, pünktlich zur Grugahalle zu gelangen. Zehntausende AfD-Gegner ziehen am Vormittag durch die Straßen der Ruhrmetropole. Die Polizei, die mit mehreren Tausend Beamten im Einsatz ist, berichtet von teils gewalttätigen Störaktionen und mehreren Festnahmen. Zwei Polizisten werden nach Angaben der Polizei gegen den Kopf getreten, als sie einen Politiker durch eine Gruppe Demonstranten leiten. Noch am Boden liegend seien die Beamten mit Tritten traktiert worden. Sie wurden demnach mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Sieben weitere Beamte seien bei dem Vorfall leicht verletzt worden.
Bundesinnenminister Nancy Faeser (SPD) schrieb bei X: "Gegen Rechtsextremismus und Rassismus brauchen wir starke demokratische Kräfte und friedlichen Protest. Gewalt ist durch nichts zu rechtfertigen."
Weidel: Ukraine gehört nicht zur EU
Der Ampel-Koalition wirft Weidel mit Blick auf den Krieg in der Ukraine eine Eskalationsrhetorik vor. "Diese Herren Ampel-Minister sollten endlich Verantwortung übernehmen und selbst an die Front gehen, aber Hände weg von unseren Söhnen und Vätern", sagt sie. Lauten Beifall erntet Weidel, als sie sagt, zu den Interessen Deutschlands und Europas gehöre, "dass die Ukraine nicht zur Europäischen Union gehört und zu Europa".
Bei der Europawahl am 9. Juni hatte die AfD zwar auf 15,9 Prozent der Stimmen zugelegt, war damit aber hinter ihren eigenen Erwartungen zurückgeblieben. Geschadet haben dürften ihr Berichte über das Potsdamer Treffen radikaler Rechter zur sogenannten Remigration, die neue Konkurrenz durch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sowie die Vorwürfe gegen ihren Spitzenkandidaten, Maximilian Krah, der unter anderem wegen mutmaßlicher Russland- und China-Verbindungen wochenlang für Schlagzeilen gesorgt hatte. Durchsuchungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Geldwäsche gab es beim Zweiten auf der AfD-Europawahlliste, Petr Bystron.
Im Osten soll die Sonne aufgehen
Chrupalla wirbt in Essen unter Hinweis auf die Europawahl für mehr Professionalität seiner Partei. "Wir hätten 20 Prozent holen können", sagt er. Seine Parteifreunde fordert Chrupalla auch zu mehr Sorgfalt bei der Auswahl von Kandidaten auf. "Wir müssen unsere Kandidaten künftig genauer ansehen." Zuversichtlich zeigt er sich mit Blick auf die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September: "Im Osten muss für uns die Sonne der Regierungsverantwortung aufgehen." Als nach der Wahl das Abstimmungsergebnis verkündet wird, sagt er: "Ich bin wirklich ein Stück weit überwältigt." In Riesa vor zwei Jahren hatte er mit rund 53 Prozent nur eine knappe Mehrheit hinter sich bringen können. Weidel hatte damals 67,3 Prozent geholt. Die AfD zählt hier jeweils nicht die Enthaltungen mit.
In seiner Rede betont Chrupalla Erfolge. Weidel und er hätten die Richtungskämpfe in der Partei beendet. Heute gelte: "Wir sind die freiheitlich-soziale Alternative für Deutschland." Er strich zudem die Mitgliederentwicklung heraus. Demnach hat die AfD mit jetzt 46 881 Mitgliedern 17 723 Mitglieder mehr als noch Anfang 2023.
Weidel einzige Frau im Vorstand
Nach der Wahl von Weidel und Chrupalla gibt es am Samstag bei der Besetzung der weiteren zwölf Posten des AfD-Vorstands keine großen Überraschungen und auch keine wirklichen Kämpfe, wie sie früher oft üblich waren. Fünf neue Gesichter bekommt der Vorstand. So rückt der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk als neuer AfD-Vize in die zweite Reihe. Die beiden anderen Vizes Stephan Brandner und Peter Boehringer werden bestätigt. Einen Sitz im Vorstand sichert sich auch der Bundesvorsitzende der Jungen Alternative (JA), Hannes Gnauck.
Weidel ist nun die einzige Frau im AfD-Führungsgremium, da zwei Kolleginnen aus dem alten Vorstand ausscheiden. Darauf angesprochen sagt die Co-Chefin: "Ich fühle mich wohl, ich werde beschützt, ich muss hier keine Angst haben." Sie ermutigte Frauen in der AfD zu Kandidaturen. Als Partei sei man gegen eine Quote.(dpa/jst)
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