Viele Mitglieder der italienischen organisierten Kriminalität in Deutschland leben in Baden-Württemberg. Eine Razzia richtete sich jetzt gegen sie. Auch in weiteren Ländern liefen Durchsuchungen.

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Bei dem koordinierten Einsatz gegen die Mafia und organisierte Kriminalität ist nach Angaben der Ermittler auch ein deutscher Polizist festgenommen worden. Er soll die kalabrische Mafia 'Ndrangheta unterstützt haben, wie Staatsanwaltschaft und Polizei in Waiblingen mitteilten. Der Polizeibeamte gehöre der Landespolizei Baden-Württemberg an und sei beim Polizeipräsidium Aalen beschäftigt. Gegen den 46 Jahre alten Polizeihauptmeister sei Haftbefehl wegen Geheimnisverrats erlassen worden.

Insgesamt seien bei der Razzia 34 Haftbefehle und 40 Durchsuchungsbeschlüsse in Italien und Deutschland vollstreckt worden, hieß es weiter.

Fokus auf Baden-Württemberg

Untersuchungen liefen nach Angaben der deutschen Behörden auch in drei weiteren Bundesländern. Betroffen sind demnach Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz sowie das Saarland. Im Fokus der Razzia in Deutschland stand aber Baden-Württemberg. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Stuttgart erstreckten sich die Maßnahmen auf Stuttgart, Fellbach, Kernen im Remstal, Weinstadt, Rudersberg, Schorndorf, Waiblingen, Steinheim/Murr, Kuppenheim und Mühlacker.

Der Einsatz gehe auf eine seit dem Sommer 2021 bestehende Ermittlungskooperation mit den italienischen Behörden zur Bekämpfung der Mafia und der organisierten Kriminalität zurück. Den Verdächtigen werden Verbindungen zur kalabrischen Mafia 'Ndrangheta vorgeworfen, wie die italienische und die deutsche Polizei weiter mitteilten. Sie sollen am Aufbau einer kriminellen Organisation beteiligt gewesen sein, die auch in Deutschland ihre Ableger haben soll.

Verbindungen zur Mafiaorganisation 'Ndrangheta

Von den 20 Verdächtigen in Italien befinden sich nun 13 im Gefängnis, sieben wurden unter Hausarrest gestellt. Ihnen werden Verbindungen zur kalabrischen Mafia 'Ndrangheta vorgeworfen, teilte die italienische Polizei weiter mit. Die Verdächtigen konnten in den Provinzen Cosenza und Crotone in Kalabrien aufgespürt werden. Sie sollen am Aufbau einer kriminellen Organisation beteiligt gewesen sein, die auch in Deutschland ihre Ableger haben soll.

Die Mafia-Organisation 'Ndrangheta aus der süditalienischen Region Kalabrien ist eine der großen Verbrecherbanden Italiens mit Beziehungen in die ganze Welt. Sie gilt als gefährlicher als die sizilianische Cosa Nostra oder die Camorra aus Neapel. Den größten Teil ihres Geschäfts macht die 'Ndrangheta mit Rauschgift. Nach Einschätzung von Experten hat sie eine dominante Stellung auf dem europäischen Kokain-Markt. Dabei ist sie auch in Deutschland aktiv.

Nach einer letzten Auskunft des Landesinnenministeriums (April 2024) leben in Baden-Württemberg rund 170 Personen, die das Landeskriminalamt Baden-Württemberg der organisierten Kriminalität zurechnet. Tätige Mafiaorganisationen seien 'Ndrangheta, Cosa Nostra, Camorra und Sacra Corona Unita. Die regionale Verteilung der rund 170 Personen zeige insbesondere eine Häufung im Bodenseeraum und im Großraum Stuttgart.

Betrug unter anderem mit Lebensmitteln

Die mutmaßlichen Mafiosi sollen sich zwischen April 2020 und Mitte 2022 unter anderem gegenüber einer Firma in Ungarn und Firmen in Italien als Mitglieder tatsächlicher deutscher Unternehmen aus der Lebensmittelbranche ausgegeben haben. Sie hätten in großen Mengen Produkte sowie Maschinen für die Herstellung von Pizza bestellt. Die Unternehmen vertrauten auf den guten Ruf und lieferten die Waren in ein angebliches Lager einer nicht existenten Firma aus, wie die Staatsanwaltschaft erklärte.

Weil Rechnungen nicht bezahlt und die Produkte an Gastronomen in Deutschland verkauft worden seien, sei ein Schaden von mehreren Hunderttausend Euro entstanden. Die Gastronomen hätten um die Mafia-Zugehörigkeit der Anbieter gewusst. Aus Angst seien sie auf den Handel eingegangen, hieß es.

Hohe Dunkelziffer an Mafiosi in Baden-Württemberg

Experten gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer an Mafiosi in Baden-Württemberg aus. Knapp ein Viertel der Angehörigen der italienischen organisierten Kriminalität in Deutschland leben in Baden-Württemberg. Das wird auf die geografische Nähe zu Italien zurückgeführt, aber auch auf die Wirtschaftskraft des Bundeslandes. Das Spektrum der Straftaten reicht von Betrug über Drogenhandel und Waffendelikten bis hin zur Geldwäsche.

Den jüngsten Einsatz unterstützt hat nach Angaben der italienischen Polizei außerdem das Interpol-Projekt I-CAN (Interpol Cooperation Against 'Ndrangheta). Mit der Hilfe des I-CAN-Projekts wurden nach Interpol-Angaben seit seinem Start 2020 weltweit schon mehr als 100 Verdächtige festgenommen. An dem Projekt sind demnach etwa 20 Länder beteiligt, hauptsächlich Deutschland und Italien engagieren sich dort verstärkt. (dpa/bearbeitet von fte/skr)