Kaum hatte sich die erstaunliche Ankündigung des Rücktritts von Benedikt XVI. verbreitet, tauchten überall Spekulationen über potenzielle Kandidaten auf. Wer hat die größten Chancen, sein Nachfolger zu werden?

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Kommt nach zwei europäischen Päpsten aus Polen und Deutschland diesmal ein Afrikaner, Amerikaner oder Asiate auf den Heiligen Stuhl? Oder wird Italien wieder Hausmacht im Vatikan? Auch die Buchmacher sind bereit und nehmen Wetten auf die aussichtsreichsten Kandidaten für das höchste Kirchenamt entgegen. Wir stellen Ihnen einige der möglichen Neu-Päpste vor:

Kardinal Marc Quellet aus Kanada

Der Frankokanadier war Erzbischof in Quebec und konnte sich seit 2010 in Rom profilieren. Er gilt als besonders papabile (papsttauglich), weil ihm schon von Benedikt XVI. viele Schlüsselfunktionen übertragen wurden. Als Präfekt der Bischofskongregation hat er Kontakt zu den Bischöfen in aller Welt. Er kennt ihre jeweilige Situation und ist selbst kein Unbekannter. Zuständig für Lateinamerika beweist der beliebte Kirchenmann schon jetzt seine Wichtigkeit als Repräsentant der Weltkirche. Er wurde vom amtierenden Papst mit heiklen Aufgaben wie der Missbrauchskonferenz 2012 an der päpstlichen Universität Gregoriana betraut, wo er einen Reue-Gottesdienst zelebrierte.

Nicht zuletzt spricht für den Kanadier sein Alter von 68 Jahren, das dem Ruf nach einem jüngeren Inhaber des Heiligen Stuhls entgegenkommt. Der Kosmopolit zeigt sich in theologischen Fragen sehr konservativ und argumentierte öffentlich strikt gegen Abtreibung und Homo-Ehe. Allerdings ist es offenbar nicht sein Traum, neuer Papst zu werden.

Kardinal Peter Turkson aus Ghana

Immerhin 15 Prozent aller Katholiken leben in Afrika. Auf diesem Kontinent wächst das kirchliche Leben, während es in Europa abnimmt. Auch aus diesem Grund ist immer wieder ein afrikanischer Papst im Gespräch.

Peter Turkson wurde 2003 von Johannes Paul II. zum ersten Kardinal aus Ghana geweiht. Seit 2009 steht er an der Spitze des päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden und repräsentiert damit so etwas wie das soziale Gewissen der Kirche. Er ist ähnlich viel in der Welt herumgekommen wie Quellet und hatte in den vergangenen Jahren reichlich Gelegenheit, Kontakte und Netzwerke zu knüpfen. Der als volksnah und redegewandt geltende Kardinal hat im Vergleich zu seinem 80-jährigen nigerianischen Glaubensbruder Kardinal Francis Arinze den Vorteil, dass er erst 64 Jahre alt ist.

Turkson gilt als Mann der Mitte, der weder besonders konservativ noch fortschrittlich ist, auch wenn er beispielsweise der Emanzipation der Homosexuellen kritisch gegenübersteht. Wichtig ist ihm beispielsweise eine globale Finanzreform.

Kardinal Odilo Pedro Scherer aus Brasilien

Mindestens ebenso viel spricht für ein Kirchenoberhaupt aus Lateinamerika, schließlich sind etwa 80 Prozent der 500 Millionen Menschen in Lateinamerika katholisch. Das macht ungefähr 42 Prozent aller Katholiken aus.

Der 63-jährige Brasilianer Pedro Scherer, der saarländische Wurzeln hat, ist seit 2007 Erzbischof der Mega-Metropole Sao Paulo und Vorsitzender der brasilianischen Bischofskonferenz. Er gilt als aufgeschlossen, moderat konservativ und hat den Ruf, ein Integrator zu sein. Scherer setzt sich vor allem für mehr Verantwortung von Laien in der katholischen Kirche ein. Besonders wichtig bei seiner Arbeit ist ihm die Betreuung der Armen, die er in die Seelsorge einzubeziehen versucht. In Roms Kurie ist er als Angehöriger von sechs Räten oder Kongregationen bestens eingeführt. Was gegen ihn sprechen könnte, ist die rasant wachsende Zahl der Protestanten in Brasilien.

Kardinal Angelo Scola aus Italien

Sollte die Wahl noch einmal auf einen Europäer fallen, hat Angelo Scola, der Erzbischof von Mailand, sehr gute Karten. Schon 2005 galt er als papabile. Der 71-jährige ist seit 2011 als Patriarch der mit fünf Millionen Katholiken zahlenmäßig größten Diözese der Welt im Amt. Diese Ernennung spricht, auch angesichts seines schon damals verhältnismäßig hohen Alters, für Benedikts große Wertschätzung.

Scola war einer der wichtigsten Berater des Papstes, dem dieser sich besonders nahe fühlte. Trotz hoher theologischer Intellektualität - Scola war zum Beispiel Rektor der Lateranuniversität - gilt er als Kardinal, der in einfachen Worten für jedermann verständlich sprechen kann. Auch Scola, Bioethik-Experte, ist ein konservativer Kandidat. Er steht der Laienbewegung Comunione e Liberazione nahe und engagiert sich international für den Dialog mit dem Islam.

Kardinal Timothy Dolan aus den USA

Jeder vierte US-Bürger ist katholisch, in New York sind es sogar 50 Prozent. Hier ist Kardinal Timothy Dolan seit vier Jahren Erzbischof, der damit die fast 200-jährige Tradition von irisch-katholischen Würdenträgern in New York und Boston weiterführt.

Dolan ist einer der Getreuen Benedikts XVI., der von den Ansichten her mit ihm auf einer Linie liegt. Große Änderungen wären auch von dem US-Amerikaner, der zudem Kopf der US-Bischofskonferenz ist, nicht zu erwarten. Im Vergleich zum Noch-Papst gilt der 63-jährige Dolan allerdings als umgänglicher und volksnäher.

Kardinal Luis Antonio Tagle von den Philippinen

Die Philippinen haben etwa 100 Millionen Einwohner, mit 80 Prozent sind mehr als drei Viertel von ihnen Katholiken. Kein Wunder, dass sie gern einen Landsmann auf dem Heiligen Stuhl sähen. Luis Antonio Tagle, Erzbischof von Manila und seit vergangenem Jahr im Kardinalsstand, ist für Beobachter einer der Hoffnungsträger der Weltkirche. Erst 55 Jahre alt, gilt er als mediengewandt und beliebt und brächte genug Dynamik und Charisma mit, um unerlässliche Reformen anzuschieben.

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