- Auch einige Mediziner leugnen Corona und Ärzte, die die Maskenpflicht missachten oder falsche Atteste ausstellen, werden von ihren Kollegen scharf kritisiert.
- Den Skeptikern drohen Geld- und Freiheitsstrafen.
- Die Staatsanwaltschaft Göttingen ermittelt derzeit gegen eine Ärztin aus Duderstadt.
Im niedersächsischen Duderstadt (Landkreis Göttingen) hat die Polizei die Praxis einer Ärztin durchsucht. Sie steht im Verdacht, Maskenverweigerern falsche Atteste ausgestellt zu haben – und die Medizinerin ist kein Einzelfall.
Auch andere Ärzte sind ins Visier der Behörden geraten, weil sie die Maskenpflicht missachten oder das Coronavirus leugnen. Sie verstoßen damit gegen das Berufsrecht und müssen mit Gerichtsverfahren bis hin zu Strafanzeigen rechnen. Die Medizinerin aus Niedersachsen könnte für das Ausstellen falscher Atteste mit einer Freiheitsstrafe belegt werden.
Maskenverbot in Arztpraxen ist nicht erlaubt
Der Fall im Landkreis Göttingen ist der niedersächsischen Landesärztekammer bekannt. Ein Maskenverbot in Praxen sei nicht erlaubt, sagt Sprecher Thomas Spieker im Gespräch mit unserer Redaktion, denn es gefährde nicht nur die Sicherheit des praktizierenden Mediziners, sondern auch die seiner Patienten. Außerdem sei "eine Arztpraxis kein Ort für politische Agitation". Damit distanziert sich die Kammer von Ärzten, die versuchen, andere Menschen politisch zu beeinflussen.
Nicht erst seit der Pandemie beklagen sich Patienten über Mediziner. In solchen Fällen holt die Kammer eine Stellungnahme des betroffenen Arztes ein und prüft gegebenenfalls, ob sein Verhalten mit dem Berufsrecht in Einklang steht. Beschwerden nehme die Ärztekammer Niedersachsen sehr ernst, sagt Spieker, "wenn geschilderte Vorwürfe nicht mit gewissenhaftem ärztlichen Verhalten vereinbar sind".
Wer falsche Atteste ausstellt, verstößt nicht nur gegen das Berufsrecht
Das Beispiel Maskenpflicht: Ein Arzt, der einem Patienten aus Gefälligkeit ein Attest ausstellt, das ihn vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit, verstößt gegen die Berufsordnung für in Deutschland tätige Ärzte, sagt Spieker. Denn diese hält in Paragraf 25 fest: "Bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse haben Ärztinnen und Ärzte mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen."
Wer die Vorgaben verletzt, muss mit juristischen Folgen rechnen. Ärztekammern können Rügen aussprechen oder ein berufsgerichtliches Verfahren einleiten. Manchmal werden auch Strafanzeigen erstattet, sagt Spieker.
Staatsanwaltschaft Göttingen ermittelt in 16 Fällen gegen Ärztin
Im Fall der niedersächsischen Ärztin steht die Landesärztekammer im Austausch mit der zuständigen Staatsanwaltschaft Göttingen. Sie wirft der Frau vor, falsche ärztliche Atteste ausgestellt zu haben, sagt Oberstaatsanwalt Andreas Buick, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Göttingen. Die Behörden gehen derzeit von 16 Fällen aus.
Die Frau war den Ermittlern aufgefallen, nachdem Corona-Leugner auf Demonstrationen, unter anderem in Hannover, ein von ihr ausgestelltes Attest mit sich geführt hatten. Das Dokument befreite die Inhaber aus gesundheitlichen Gründen von der Maskenpflicht. Auffällig laut Buick: Die Demonstranten kamen nicht aus der Region Duderstadt, wo die Ärztin praktizierte, sondern teils aus anderen Bundesländern. Zudem sei sie eine bekannte Gegnerin der Corona-Maßnahmen.
Polizei durchsucht Praxis und beschlagnahmt Akten
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft durchsuchte die Polizei am 20. Januar die Praxis und stellte dabei Arztrechnungen und Patientenakten sicher. Mit dem Ausstellen falscher Atteste verstößt die Frau nicht nur gegen Paragraf 25 der Berufsordnung, sondern auch gegen Paragraf 278 des Strafgesetzbuches. Demnach müssen Ärzte, die ein falsches Attest ausstellen, mit einer Geldstrafe rechnen oder einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren.
Trotz aller Strafen: Manche Ärzte bekennen sich öffentlich zu ihrer Skepsis, zum Beispiel Bodo Schiffmann. Der Mediziner, der in Sinsheim in Baden-Württemberg Patienten mit Schwindel- oder Gleichgewichtserkrankungen behandelt, stellt sich gegen die Corona-Maßnahmen. Auf seinem YouTube-Kanal "Schwindelambulanz Sinsheim" verbreitet er angebliche Fakten zum Coronavirus. Indem er mangelnde wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit der Maßnahmen anführt, positioniert er sich als alternativer Experte zum Robert-Koch-Institut (RKI).
Leugner verbreiten Falschmeldungen über Mund-Nasen-Bedeckungen
Auch andere Ärzte zweifeln an der Sinnhaftigkeit der von der Regierung getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus und halten sie für gefährlich. Die Kritiker vereinen sich in Bewegungen wie den "Ärzten für Aufklärung", die auf ihrer Webseite unter anderem behaupten, dass das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen nutzlos sei.
Diese These widerspricht der Empfehlung des RKI, das eine Maske zum Schutz vor Ansteckungen empfiehlt. Das RKI untersteht dem Bundesministerium für Gesundheit und ist hierzulande die zentrale Einrichtung des Bundes für den Bereich Öffentliche Gesundheit.
Zahl der Pandemie-Skeptiker unter Ärzten vergleichsweise gering
Auf der Webseite der "Ärzte für Aufklärung" sind 2.000 Unterstützer gelistet, einige sind Ärzte oder Heilpraktiker und Krankenpfleger, andere arbeiten als Lehrer, Anwälte, Angestellte oder Kfz-Meister im In- und Ausland. Zwei Hamburger Mediziner präsentieren sich als die Köpfe der Bewegung. Einer davon, Walter Weber, will – so sagt er in einem Video – Hinweise auf eine Zwangsimpfung gefunden haben. Dabei handelt es sich um falsche Informationen, denn die Impfung gegen das Coronavirus ist laut Bundesregierung freiwillig.
Bisher habe es nur wenige Beschwerden über Ärzte in Zusammenhang mit einer Leugnung des Coronavirus gegeben, sagt Spieker von der Landesärztekammer Niedersachsen. Die Zahl bewege sich im niedrigen zweistelligen Bereich und sei vergleichsweise gering gemessen an der Gesamtmitgliederzahl von knapp 43.000 Ärztinnen und Ärzten.
280 Beschwerden über Mediziner in Baden-Württemberg
Ähnliches gilt für Baden-Württemberg, wo Bodo Schiffmann einer von rund 70.000 praktizierenden Medizinern ist, sagt Oliver Erens, ärztlicher Leiter der zuständigen Ärztekammer. Er bestätigt, "dass es sich bei eingehenden Beschwerden sowie bei an die Anwaltschaft weitergegebenen Verfahren immer um Einzelfälle handelt".
Eine Umfrage bei den Bezirksärztekammern im Januar 2021 habe ergeben, dass bisher rund 280 Beschwerden eingegangen sind, sagt Erens, unter anderem wegen Gefälligkeitsattesten oder Verstößen gegen die Maskenpflicht. Etwa zwei Drittel davon seien bereits auf Ebene der Bezirksärztekammern bearbeitet worden und ein Drittel sei zur weiteren Prüfung oder Verfolgung an die Kammeranwälte weitergegeben worden. Teils werde in diesen Fällen noch ermittelt, teils seien sie bereits eingestellt worden, sagt Erens.
Ärzte empfinden Leugner im Kollegenkreis als Zumutung
Die Landesärztekammer Baden-Württemberg distanziert sich klar von den Leugnern. Laut einer Mitteilung der Kammer handle es sich stets um Einzelmeinungen, die Mehrheit der Ärzte arbeite in der aktuellen Pandemie oft am Rande der Belastungsgrenze. "Sie empfinden das Verdrehen der Wirklichkeit als Zumutung – insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie selbst die Corona-Gefahr tagtäglich miterleben", heißt es. Kollegen, die Corona leugnen oder es als harmlos bezeichnen, sprächen nicht für die baden-württembergische Ärzteschaft.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Thomas Spieker
- Gespräch mit Andreas Buick
- Gespräch mit Dr. Oliver Erens
- Bundesamt für Justiz: Strafgesetzbuch
- Bundesärztekammer: (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (Stand 2018)
- Bundesministerium für Gesundheit: Bundesbehörden: RKI
- Bundesregierung: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Corona-Impfung
- Robert-Koch-Institut: Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19
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