Seit 2018 spricht sich die Europäische Kommission für einen europäischen Impfpass aus. In sozialen Netzwerken wird behauptet, dieser würde nun in der Corona-Pandemie umgesetzt. Das ist jedoch irreführend: Die EU plant aktuell einen "digitalen grünen Corona-Nachweis", der ist aber etwas anderes als der EU-Impfpass.
Führt die Europäische Union während der Corona-Pandemie einen Impfpass ein, der insgeheim bereits seit 2018 geplant war? Das wird derzeit in sozialen Netzwerken (wie hier bei Telegram oder bei Facebook) behauptet.
In dem Telegram-Kanal "Ken Jebsen – Aufklärung und Information" werden immer wieder Verschwörungsmythen verbreitet. Am 5. April wurde dort behauptet, es sei "aufgedeckt" worden, dass die Einführung von Impfpässen schon 2018 geplant gewesen sei. "Viele Länder planen die baldige Einführung von Impfpässen. Die Regierung und die Medien geben vor, dass die Maßnahme eine direkte Folge der Corona-Pandemie sei. In Europa wurde aber bereits 20 Monate vor dem Corona-Ausbruch an Impfpässen gearbeitet." Diese Pläne seien in einem Dokument von 2018 "versteckt" gewesen, über das die Medien nicht berichtet hätten.
Doch der aktuell wegen der Corona-Pandemie geplante "digitale grüne Nachweis" unterscheidet sich nach Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck wesentlich von einem Impfpass. Die Pläne von 2018 haben damit nichts zu tun; es liegt eine Verwechslung vor.
Die Pläne für einen einheitlichen EU-Impfpass wurden bis heute nicht umgesetzt
Tatsächlich äußerte die Kommission am 26. April 2018 die Absicht, unter anderem einen gemeinsamen "Impfausweis/-pass für EU-Bürger" einzuführen. Bisher kennt man den Impfpass als kleines gelbes Papier-Heft. Es ist international gültig, aber die Informationen sind noch nicht digital verfügbar. Ab 2022 sollen laut Kassenärztlicher Vereinigung die Impfdaten in elektronischen Patientenakten verfügbar sein, das gilt aber nur innerhalb Deutschlands.
Der einheitliche EU-Impfpass soll einen elektronischen Informationsaustausch zwischen den Ländern ermöglichen. Er ist aber kein Geheimplan, sondern wurde 2018 in einer öffentlichen Pressemitteilung kommuniziert.
Der Vorschlag wurde bisher nicht umgesetzt. Die EU-Kommission teilte uns am 9. April per E-Mail mit, eine Entscheidung über die Einführung eines solchen Ausweises sei noch nicht getroffen worden. Derzeit führe man eine Machbarkeitsstudie durch.
Das geht auch aus einem Dokument der Kommission hervor, das im September 2019 im Zuge eines "Impfgipfels" in Brüssel veröffentlicht wurde. Demnach sollte die Machbarkeitsstudie bis 2021 laufen. Erst 2022 will die Kommission einen Vorschlag für einen gemeinsamen Impfpass für EU-Bürger erarbeiten.
Im Zuge der Corona-Pandemie soll ein "digitaler grüner Nachweis" eingeführt werden
Derzeit ist in zahlreichen Medien (Ärzteblatt, fvw-Travel-Talk) dennoch von einem "Impfpass" die Rede. Der Hintergrund ist aber ein anderer: Am 17. März 2021 schlug die Europäische Kommission die Einführung des "digitalen grünen Nachweises" vor, der als temporärer Corona-Nachweis eingesetzt werden soll. Der Plan soll im Sommer umgesetzt werden.
Ein Sprecher der EU-Kommission betonte in einer E-Mail, "dass wir [den digitalen grünen Nachweis] nicht als Impfpass bezeichnen". Denn der Nachweis gehe über eine COVID-19-Impfung hinaus und schließe auch negative Testergebnisse und Genesene mit ein. EU-Bürgerinnen und -Bürgern soll damit das "sichere" Reisen innerhalb Europas ermöglicht werden – bis die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Ende des internationalen Gesundheitsnotstandes durch COVID-19 erklärt.
Der digitale grüne Nachweis umfasst laut der Kommission drei Arten von Zertifikaten: Impfzertifikate, Testzertifikate und Zertifikate für Personen, die von COVID-19 genesen sind. Die Zertifikate sollen demnach über einen QR-Code verfügbar gemacht werden.
Ein QR-Code mit einer App für den "digitalen Impfnachweis" soll vor diesem Hintergrund auch in Deutschland umgesetzt werden, wie das Bundesgesundheitsministerium mitteilt. Der Nachweis gilt jedoch nur für COVID-19 und ersetzt nicht den gelben Impfpass.
Laut dem Sprecher der EU-Kommission wird die Machbarkeitsstudie für den schon länger geplanten EU-Impfpass auch die Erfahrungen, die jetzt mit dem "grünen Corona-Nachweis" gesammelt werden, berücksichtigen.
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