In der aktuellen Ausgabe des NDR-Podcasts "Coronavirus-Update" ordnet Virologe Christian Drosten die Ansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Corona-Krise ein und unterstreicht einmal mehr die Wichtigkeit, das soziale Leben freiwillig auf ein Minimum zu reduzieren. Er äußert sich zu Ausgangssperren und zu einer Studie, die das Malaria-Mittel Chloroquin als mögliches Medikament im Kampf gegen SARS-CoV-2 und COVID-19 nennt.
Am Mittwochabend wandte sich Bundeskanzlerin
"Es ist eine Aufgabe an die gesamte Gesellschaft, einen indirekten Schutz zu leisten, indem die Infektionszahl in der Bevölkerung gesenkt werden muss", stellte
Risikogruppen haben ein Recht auf Schutz
Zuletzt hatten unter dem Hashtag #risikogruppe viele jungen Menschen, die aufgrund von Vorerkrankungen besonders durch das SARS-CoV-2-Virus und die Krankheit COVID-19 bedroht sind, in sozialen Medien auf sich aufmerksam gemacht. "Es ist ganz generell so, dass Menschen, die ein Grundrisiko haben, im Moment nicht infiziert werden sollten", erklärte Drosten: "Wir sollten sie vor einer Infektion schützen. Das sind die Älteren, aber natürlich haben wir auch in jüngeren Altersgruppen Patienten mit einem speziellen Risiko: Herzerkrankungen, Lungenerkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und so weiter. Natürlich haben alle diese Patienten ein Recht, geschützt zu werden."
Diese Menschen einfach zu isolieren, reiche nicht aus, erläuterte der Virologe. Zu diesen Ergebnissen war eine englische Studie gekommen, die Drosten im Podcast am Mittwoch ausführlich analysiert hatte. Auch das Modell einer "Herden-Immunität" durch moderate Ansteckungen in der jüngeren und gesunden Bevölkerungsschicht wird vom großen Teil der Wissenschaftler abgelehnt.
Coronavirus: "Man muss sehen, ob die Bevölkerung das versteht"
Es bleibt also nur die Lösung, soziale Kontakte weiterhin auf ein Minimum herunterzufahren. In Ländern wie Italien, Österreich oder Frankreich wurden Ausgangssperren verhängt, um diese Maßnahmen durchzusetzen. Auch in Deutschland wird diese Möglichkeit in der Bevölkerung heiß diskutiert, auch wenn das einen massiven Einschnitt in die Grundrechte der Menschen bedeuten würde.
"Wenn man in die Nachbarländer schaut, sieht man, dass es dort Ausgangssperren gibt. Das ist etwas, was wir hier nicht wollen", erklärte Drosten: "Man muss das, was Frau Merkel gesagt hat, als einen Versuch werten, es ohne Ausgangssperren hinzukriegen. Man muss jetzt mal sehen, ob die Bevölkerung das versteht. Wenn das nicht so ist, muss man vielleicht doch irgendwann über Ausgangssperren nachdenken."
Bei einer Ausgangssperre handele es sich um eine schwierige politische Entscheidung, die in den Nachbarländern unter den emotionalen Eindrücken einer großen Anzahl Verstorbener und eines in die Knie gehenden Gesundheitssystems getroffen wurde. In Deutschland sei es noch nicht so weit. "Aber wir laufen in diese Situation, wenn nicht viele in der Bevölkerung verstehen und befolgen, dass man nicht mehr in die Öffentlichkeit geht, auch wenn man nicht gleich von der Polizei belangt wird", sagte Drosten.
Ergebnisse der Chloroquin-Studie überzeugen Drosten nicht
Der Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin hatte am Mittwoch im Podcast darüber gesprochen, dass ein Medikament gegen COVID-19 oder eine Impfung gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 der Weg aus der Krise wäre, und dafür plädiert, unter Umständen gesetzliche Regularien auf dem Weg zu Marktreife zu verkürzen. Derzeit wird der Wirkstoff Chloroquin hoch gehandelt, auch die Bundesregierung sicherte sich bereits eine größere Menge des Malaria-Medikaments. Sowohl im Reagenzglas als auch einer ersten klinischen Studie aus Marseille zufolge, hatte Chloroquin Wirkung gegen SARS-CoV-2 gezeigt.
Drosten betrachtete die Ergebnisse dieser Studie im Podcast ausführlich, aber auch gewohnt pragmatisch. Um zu erfahren, ob Chloroquin wirklich der Durchbruch im Kampf gegen das Virus sein könnte, werden noch weitere Studien, Untersuchungen und Auswertungen nötig sein.
"Ich möchte nicht sagen, Chloroquin wirkt nicht", erklärte Drosten: "Aber so wie diese Studie gemacht wurde, sind wir kein Stück schlauer. Das ist leider häufig so in der klinischen Forschung, dass die Wahrheit noch eine zweite und dritte Ebene hat."
Es könnte also noch länger dauern, bis ein wirksames Medikament und eine Therapie zur Verfügung stehen.
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