• Ein deutsches Forscherteam hat die Lungen verstorbener Corona-Patienten untersucht.
  • Sie entdeckten bei fast allen enorme Lungenschäden.
  • Daten ergeben, dass es Parallelen zwischen COVID-19 und der chronischen Lungenfibrose gibt.

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Eine schwer verlaufende COVID-19-Erkrankung geht oft mit einer starken Vernarbung des Lungengewebes einher. Womöglich bringt SARS-CoV-2 die Fresszellen des Immunsystems dazu, Vernarbungsprozesse zu befeuern, berichtet ein deutsches Forscherteam um Leif-Erik Sander von der Berliner Charité im Fachmagazin "Cell".

Das habe letztlich zur Folge, dass die COVID-19-Patienten außergewöhnlich lange unterstützend mit Sauerstoff versorgt oder sogar über eine künstliche Lunge - die ECMO - beatmet werden müssten.

Bei einem schweren Verlauf von COVID-19 entwickelt sich bei vielen Patienten ein akutes Lungenversagen, kurz ARDS genannt (Acute Respiratory Distress Syndrome). Die Forschenden um Sander gingen in ihrer Studie der Vermutung nach, dass dabei das Lungengewebe der Patienten vernarbt, verdickt und unelastisch wird. Ganz ähnliche Vorgänge laufen bei einer bisher unheilbaren Form der Lungenvernarbung ab, der idiopathischen Lungenfibrose.

Forscher entdecken bei fast allen Corona-Toten enorme Lungenschäden

Die Wissenschaftler untersuchten zunächst das Lungengewebe verstorbener Patienten unter dem Mikroskop und fanden charakteristische Merkmale einer schweren Fibrose.

"Bei fast allen Betroffenen haben wir enorme Schäden entdeckt: Die Lungenbläschen waren weitgehend zerstört, die Wände deutlich verdickt. Außerdem fanden wir ausgeprägte Ablagerungen von Kollagen, welches ein Hauptbestandteil von Narbengewebe ist", sagte Peter Boor vom Institut für Pathologie an der RWTH Aachen.

Typischerweise entwickele sich das Lungenversagen erst zwei bis drei Wochen nach Auftreten der ersten Symptome, erläuterte Sander. "Das weist darauf hin, dass nicht die unkontrollierte Virusvermehrung zum Versagen der Lunge führt, sondern nachgeschaltete Reaktionen, beispielsweise des Immunsystems, eine Rolle spielen." Das Team untersuchte deshalb im nächsten Schritt die Immunzellen in Lungenspülungen und Lungengewebe von schwer erkrankten oder verstorbenen COVID-19-Patienten.

Daten zeigen Parallelen zwischen COVID-19 und der chronischen Lungenfibrose

Sie fanden, dass sich vor allem Makrophagen in der Lunge betroffener Patienten ansammeln. Diese Fresszellen beseitigen normalerweise Erreger oder Zellabfälle, sind aber auch an der Wundheilung beteiligt. Bei einer schweren COVID-19-Erkrankung scheinen sie mit bestimmten Zellen des Bindegewebes in Kontakt zu treten.

Diese vermehren sich daraufhin stark und bilden große Mengen Kollagen. Nachfolgende Untersuchungen in Zellkulturen legten nahe, dass SARS-CoV-2 die fehlgeleitete Reaktion der Fresszellen anstößt. Grippeviren konnten dies hingegen nicht.

"Unsere Daten zeigen also eindeutig Parallelen zwischen COVID-19 und der chronischen Lungenfibrose auf", erklärte Antoine-Emmanuel Saliba vom Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung in Würzburg. "Das erklärt vielleicht, warum einige Risikofaktoren für COVID-19 auch Risikofaktoren für die idiopathische Lungenfibrose sind – zum Beispiel Grunderkrankungen, Rauchen, ein männliches Geschlecht und ein Alter über 60 Jahre."

Anders als bei der idiopathischen Lungenfibrose, deren Ursache unbekannt ist, sind die Vernarbungen bei COVID-19-Patienten reparabel, berichten die Forschenden weiter. Im Verlauf der Genesung lösen sich bei ihnen die Verdickungen und Vernarbungen zumindest zum Teil wieder auf.

Eine genauere Untersuchung der Rückbildungsprozesse soll nun dazu beitragen, mögliche Behandlungsmöglichkeiten für beide Erkrankungen zu entwickeln, beziehungsweise die Vernarbungen von vornherein zu verhindern. (dpa/ari)

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