Der Titan ist einzigartig. In mancher Hinsicht ist der Saturnmond der Erde so ähnlich, wie keine andere Welt, die Astronomen bisher gefunden haben. Nun haben Wissenschaftler der Nasa in seiner Atmosphäre ein seltsames Molekül entdeckt. Könnte sogar Leben auf dem Titan möglich sein?
In der Atmosphäre des Saturnmonds Titan haben Wissenschaftler der Weltraumorganisation Nasa ein seltsames Molekül entdeckt. Bisher wurde es noch in keiner anderen Atmosphäre gefunden. Viele Chemiker haben vermutlich noch nie davon gehört: Zyklopropenyliden, kurz c-C₃H₂.
Es ist ein einfaches Molekül auf Kohlenstoffbasis. Zyklopropenyliden könnte den Wissenschaftlern zufolge ein Vorläufer komplexer Verbindungen sein, die Leben auf dem Saturnmond bilden oder es versorgen könnten. Die Forscher haben ihre Ergebnisse im Fachmagazin "The Astronomical Journal" veröffentlicht.
Zyklopropenyliden ist überall in der Galaxis zu finden
"Als ich erkannt habe, dass ich auf Zyklopropenyliden gestoßen bin, war mein erster Gedanke ‚Das ist wirklich überraschend‘", erzählt Conor Nixon, ein Planetenwissenschaftler am Goddard Space Flight Center in Greenbelt, auf der Webseite der Nasa.
Er war deswegen so überrascht, weil c-C₃H₂ schnell mit anderen Molekülen, mit denen es in Kontakt kommt, reagieren und dadurch andere Spezies bilden kann. Und in Atmosphären, wie der des Titans, finden jede Menge chemischer Reaktionen statt.
Astronomen haben das Molekül zwar bereits überall in der Galaxis gefunden. Allerdings auch nur in Gas- oder Staubwolken, die zwischen Sternsystemen treiben. Diese Regionen sind zu kalt und diffus, um viele chemische Reaktionen zu ermöglichen.
Zyklopropenyliden ist neben Benzol bisher das einzige "cyclische" Molekül, das in der Atmosphäre des Titans gefunden wurde. Eine chemische Verbindung ist dann cyclisch, wenn einige Atome in dem Molekül so miteinander verknüpft sind, dass sie mindestens eine Ringstruktur bilden.
Solche cyclischen Moleküle sind wichtig, da sie unter anderem die komplexe chemische Struktur formen, die den genetischen Code des Lebens enthält.
Saturnmond Titan ist einzigartig
Die Wissenschaftler wissen noch nicht, warum Zyklopropenyliden ausgerechnet in der Atmosphäre des Titans vorhanden ist und nicht in anderen. "Der Titan ist in unserem Sonnensystem einzigartig", erklärt Nixon. Der Mond habe sich als wahre Schatzkammer für neue Moleküle erwiesen. Aus diesem Grund haben Wissenschaftler ein großes Interesse an ihm.
Aber nicht nur deswegen: Der größte der 62 Monde des Saturns beherbergt eine faszinierende Welt. In mancher Hinsicht ist er der Erde sogar ähnlicher als alle anderen Welten, die wir bis heute entdeckt haben.
Im Gegensatz zu allen anderen Monden in unserem Sonnensystem – und es sind mehr als 200 – hat der Titan eine dichte Atmosphäre. Sie ist viermal dichter als die der Erde. Und sogar Wolken, Regen, Seen, Flüsse und ein unterirdisches Meer aus Salzwasser sind auf dem Mond zu finden.
Ähnliche Bedingungen wie vor Milliarden Jahren auf der Erde
Die Atmosphäre des Titans besteht, wie die der Erde, größtenteils aus Stickstoff. Und ein wenig Methan. Wenn die beiden Moleküle unter dem Licht der Sonne auseinanderbrechen, wird ein komplexes Netz organischer Chemie angestoßen. Deswegen wurde der Mond auf der Suche nach gegenwärtigem oder vergangenem Leben in unserem Sonnensystem auch als wichtigstes Ziel der Nasa klassifiziert.
"Wir versuchen herauszufinden, ob der Titan bewohnbar ist", so Rosaly Lopes, leitende Wissenschaftlerin des Jet Propulsion Laboratory der Nasa in Pasadena. Dabei solle analysiert werden, welche Verbindungen der Atmosphäre an die Oberfläche des Mondes gelangen. Und, ob das Material durch die Eisschicht in den darunterliegenden Ozean gelangen kann. "Wir denken, dass der Ozean dort ist, wo die bewohnbaren Bedingungen sind."
Die Moleküle auf der Oberfläche des Titans könnten die gleichen sein, die damals die Bausteine des Lebens auf der Erde gebildet haben. Vor 3,8 bis 2,5 Milliarden Jahren könnten auf der Erde ähnliche Bedingungen geherrscht haben, wie heute auf dem Titan.
Titan ist ein "reales Labor"
"Wir betrachten den Titan als ein reales Labor, in dem wir eine ähnliche Chemie beobachten können, wie auf der uralten Erde, als das Leben dort gerade begonnen hat", so Melissa Trainer, Astrobiologin am Goddard Space Flight Center.
Die Nasa plant derzeit eine Raumfahrtmission mit dem Namen "Dragonfly", die den Saturnmond als Ziel hat. Die Sonde soll die Zusammensetzung seiner Oberfläche genauer analysieren. Außerdem suchen die Wissenschaftler nach größeren Molekülen als c-C₃H₂.
Verwendete Quellen:
- Nasa: "NASA Scientists Discover ‘Weird’ Molecule in Titan’s Atmosphere"
- The Astronomical Journal: "Detection of Cyclopropenylidene on Titan with ALMA"
- Spektrum: "Lexikon der Biologie: zyklische Verbindungen"
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