- Meteoriten liegen meist erst eine Weile auf der Erde, bevor sie gefunden werden.
- Das aber verändert ihre Chemie.
- Nun haben Forscher ein ganz frisches Exemplar gefunden und untersucht.
Meteorite können Wissenschaftlern wertvolle Informationen über das junge Sonnensystem liefern. Das Problem: Nach dem Aufprall verändern irdische Einflüsse rasch die aus dem Weltall gefallenen Steine und verwischen damit Spuren. Anfang 2021 jedoch gelang es dank zahlreicher Kameraaufnahmen, einen in England niedergegangenen Meteoriten bereits innerhalb weniger Stunden aufzuspüren. Dieser vergleichsweise unberührte Meteorit enthält Wasser und eine Vielzahl organischer Substanzen bis hin zu Aminosäuren, wie ein internationales Forscherteam jetzt im Fachblatt "Science Advances" berichtet.
Zusammensetzung des Winchcombe-Meteoriten nahezu unbeeinflusst durch irdische Umwelt
"Die Zusammensetzung des Meteoriten ist nahezu unbeeinflusst durch die irdische Umwelt", erläutern Ashley King vom Natural History Museum in London und seine Kollegen die Bedeutung des Fundes. Mehr noch: Untersuchungen der Forscher zeigen, dass der Meteorit kaum durch kosmische Strahlung verändert worden ist – er kann sich also nicht allzu lange im Weltall aufgehalten haben. "Er ist bereits kurz nachdem er von seinem Ursprungskörper abgespalten wurde auf die Erde gefallen", folgern die Wissenschaftler. Durch Zusammenstöße im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter können solche Trümmerstücke in das innere Sonnensystem gelangen – und mitunter in die Erdatmosphäre eindringen.
Am 28. Februar 2021 um 21:54 Uhr Ortszeit zog eine leuchtend helle Sternschnuppe über den Himmel der Grafschaft Gloucestershire im Südwesten von England. Die Leuchtspur des Steins aus dem All wurde von 16 Spezialkameras eines Meteoriten-Netzes aufgenommen, sowie von zahlreichen Überwachungs- und Dashboard-Kameras. Über tausend Augenzeugenberichte gingen außerdem bei Sternwarten und anderen Forschungseinrichtungen ein.
Aus all diesen Aufnahmen und Sichtungen ließ sich der Fall des Meteoriten sehr genau rekonstruieren und innerhalb weniger Stunden wurde er tatsächlich aufgespürt: Auf einer Auffahrt in dem Städtchen Winchcombe, zersplittert in einen Haufen dunkler, zentimeter- bis millimetergroßer Bruchstücke mit einer Gesamtmasse von 319,5 Gramm. Innerhalb der nachfolgenden Tage fanden die Forscher zahlreiche weitere Bruchstücke, das mit 152 Gramm größte Teil auf einem Acker in der Umgebung von Winchcombe.
Erste aufgespürte Teile sind besonders wertvoll - denn im Stein ist Wasser gebunden
Besonders wertvoll sind die zuerst aufgespürten Teile des Meteoriten, da sie am wenigsten der irdischen Umgebung ausgesetzt waren. Sie wurden sofort in sorgfältig versiegelte Behälter verpackt und zur Untersuchung in spezielle Labors gebracht. Wie das Team um King berichtet, enthält das Gestein eine große Menge an Silikaten, in die Wasser eingebunden ist. Das ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass das Gestein bei seiner Entstehung mit flüssigem Wasser in Kontakt war.
Wasser-Moleküle bestehen aus je zwei Wasserstoff- und einem Sauerstoff-Atom. Für die Forscher spannend ist dabei der Wasserstoff, denn er kommt in drei Varianten – von Physikern Isotope genannt – vor: leichter, schwerer und überschwerer Wasserstoff. Die schweren Isotope kommen selten vor, ihre Häufigkeit im Wasser erlaubt Rückschlüsse auf dessen Herkunft. "Die nahezu rein erhaltene Zusammensetzung der Wasserstoff-Isotope im Winchcombe-Meteoriten ähnelt jener der irdischen Hydrosphäre", so King und seine Kollegen. Das bestätige einmal mehr die These, dass der überwiegende Teil des Wasser auf der Erde von Asteroiden stammt.
Außerdem enthält der Meteorit zahlreiche komplexe chemische Verbindungen auf der Grundlage des Elements Kohlenstoff. Chemiker nennen solche Stoffe organisch, weil sie im 19. Jahrhundert zuerst in lebender Materie aufgefunden wurden. Sogar Aminosäuren sind darunter, die in der irdischen Biologie eine wichtige Rolle als Bestandteile von Proteinen besitzen. "Präbiotische Moleküle wie diese Aminosäuren sind entscheidende Komponenten für die Entstehung von Leben", betonen die Forscher. "Ihr Vorhandensein in dem reinen Winchcombe-Meteoriten zeigt, dass diese organischen Substanzen durch Meteoriten auf die junge Erde gebracht worden sein können." © dpa
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