- Es hat geklappt: Die Raumsonde DART ist mit hohem Tempo auf dem Asteroiden Dimorphos eingeschlagen.
- Doch was sagt das aus und wie geht es weiter?
- Bis zur zuverlässigen Verteidigung der Erde sind noch viele Fragen zu klären.
Es war eine Sternstunde für die Nasa. Nach einem zehn Monate langen Flug hatte sich die Raumsonde Double Asteroid Redirect Test, kurz DART, am 27. September dem Asteroiden Dimorphos genähert - einem mit 160 Metern eher kleinen Brocken, der gemeinsam mit dem deutlich größeren Asteroiden Didymos etwas außerhalb der Erdbahn um die Sonne kreist.
DART visierte ihn an, korrigierte in den letzten Minuten seinen Kurs völlig autonom und traf wie geplant um 1:14 Uhr (MESZ). Die Genauigkeit des Zielflugs lag laut des verantwortlichen Ingenieurs Mark Jensenius vom Applied Physics Laboratory in Laurel bei 17 Metern. Gemessen an der Größe des Asteroiden war das ein Volltreffer.
Die DART-Mission sollte verschiedene Technologien erproben, darunter ausrollbare Solarzellen und ein besonders effizientes Ionentriebwerk, um die Sonde auf Kurs zu halten. Vor allem gehörten dazu Verfahren, um den äußerst kleinen Dimorphos überhaupt zuverlässig zu treffen: Zum Zeitpunkt des Anflugs lagen 10,8 Millionen Kilometer zwischen Raumsonde und Erde. Jedes Signal brauchte 36 Sekunden für die Strecke zwischen Sender und Empfänger.
Das Hauptziel der 330 Millionen Dollar teuren Mission war es, eine Technik zu erproben, um Asteroiden abzuwehren, die der Erde in Zukunft gefährlich werden könnten. Dieses Risiko besteht bei Didymos und Dimorphos nicht. Ihre Bahn erstreckt sich ein Stück außerhalb der Erdbahn um die Sonne. Es ging der Nasa darum, die Umlaufzeit des kleinen Dimorphos um den größeren Didymos geringfügig zu verändern. Wie stark diese Ablenkung nach dem Einschlag von DART ausfällt, ist so kurz nach dem Einschlag noch nicht klar. Das wird erst die Auswertung der Daten ergeben, den Teleskope in den nächsten Monaten sammeln werden.
Niemand wusste, was passieren würde
DART flog relativ zum Zielobjekt Dimorphos in einem rasanten Tempo, mit sechs Kilometern pro Sekunde, über 21.000 Kilometern pro Stunde. Physikalisch betrachtet war es indes genau anders herum: Die Bahnenergie des Doppelasteroiden ist höher, entsprechend flog das Gesteinspaar eher der Sonde entgegen, worauf der Missionsanalytiker der ESA Michael Khan hinweist. Ein solches Objekt punktgenau zu treffen, erforderte zwar einige Vorbereitung, war aber nach langjährigen Erfahrungen der Nasa in optischen Navigationsverfahren für Vorbeiflüge nur ein weiterer Schritt der Präzision.
Weniger sicher war, was beim Einschlag selbst passieren würde. Die größte Unbekannte der Mission war der Asteroid Dimorphos selbst: "Man muss einfach zusammenfassen, dass wir bisher recht wenig über die Beschaffenheit von solchen Körpern wissen", sagte der Geophysiker Kai Wünnemann vom Berliner Naturkundemuseum vor dem Einschlag.
Nur wenige Meter von dessen Büro entfernt lagert eine der größten Meteoritensammlungen der Welt. 6.000 Steine, die von Asteroiden und Kometen stammen und die irgendwann aus dem All auf die Erde gefallen sind. Doch all diese Brocken helfen nur wenig: Kein Meteorit sieht am Erdboden so aus, wie er mal als Asteroid durchs All zog. Solche Meteoriten haben die Atmosphäre durchquert, sind heiß geworden, geschmolzen oder zerbröselt. Die physische Beschaffenheit von Asteroiden im All ist deshalb bis heute unklar. "Das sind Eigenschaften wie die Porosität oder der innere Aufbau", sagt Wünnemann.
Erst Countdown, dann Stille, dann Jubel
Die Sonde schlug wie geplant um 1:14 Uhr auf Dimorphos ein. Für die Kamera an Bord von DART war das Asteroidenpaar als ein Lichtpunkt etwa eine Stunde vor dem Einschlag erstmals erkennbar. Bald schälte sich aus dem Leuchten ein hellgrauer großer und ein dunkelgrauer kleiner Lichtpunkt heraus. Gegen 0:55 Uhr ging DART in den sogenannten precision lock, den vollautomatischen Modus, in dem alle Manöver selbstständig vom Computer an Bord der Sonde entschieden wurden.
Techniker am Boden hätten nur noch im Notfall eingreifen können. Ab 1:09 Uhr war auch das nicht mehr möglich: Die Menschen im Kontrollraum lehnten sich zurück, da sie wegen der Signallaufzeit nichts mehr hätten tun können. Um exakt 1:14 Uhr gab es dann die letzten Bilder von der Sonde, sehr nah an der Oberfläche, übersät mit etwas, was wie Felsbrocken und feinem Staub aussah. Danach blieb die Sonde stumm.
Mitschnitt zeigt Kollision von Dart mit Asteroid
Der Einschlag wurde von Teleskopen auf allen Kontinenten beobachtet, außerdem vom Hubble-Teleskop und dem neuen James-Webb-Teleskop. Zu den ersten veröffentlichten Aufnahmen gehörte eine Sequenz des Asteroid Terrestrial-Impact Last Alert System (ATLAS) auf Hawaii. Es zeigt Didymos und Dimorphos als einzelnen hellen Punkt, der vor dem Hintergrund der Sterne entlangwandert und dann für wenige Augenblicke deutlich heller wird. Danach breitet sich eine halbkreisförmige Staubwolke entgegen der (scheinbaren) Bewegungsrichtung aus.
Auch aus der Nähe wurde der Einschlag beobachtet: Schon am 11. September 2022 hatte DART den in Italien gebauten Kleinsatelliten LICIACube ausgesetzt, einen 14 Kilogramm leichten Satelliten, der 40-mal weniger wiegt als die Muttersonde DART. LICIACube passierte Dimorphos erst drei Minuten nach dem Einschlag und konnte ihn aus sicherer Entfernung beobachten.
Neue Antworten, neue Fragen
Für die Ingenieure bei der Nasa und dem zuständigen Applied Physics Laboratory an der Johns Hopkins University ist die Mission damit vorerst vorüber. Die 330 Millionen Dollar teure Sonde ist vermutlich zerbrochen oder sogar geschmolzen. Die Forschungsarbeit dagegen hat erst begonnen: Teleskope ermitteln in den kommenden Wochen, wie sich die Umlaufzeit von Dimorphos um Didymos verändert hat.
Schon das vorhandene Bildmaterial sorgt für Aufregung: Der Planetenforscher Philip Metzger von der University of Central Florida kommentierte die ersten Bilder von LICIACube: "Ich bin schockiert, dass dort Material in Bändern herausgeschleudert wurde. In normalen granularen Einschlagsexperimenten sehen wir so etwas nicht", schreibt er auf Twitter.
Die Prozesse um Einschläge lassen sich auf der Erde nicht so simulieren wie auf der Oberfläche von Asteroiden, wo eine extrem geringe Schwerkraft herrscht. Die Daten dürften nun Metzger und viele seiner Kolleginnen und Kollegen beschäftigen: "Genau darum machen wir Experimente (wie den Absturz einer Raumsonde auf einem Asteroiden), weil wir vorher nie wissen, was wir sehen werden."
ESA-Mission Hera kommt 2026
Welche Spure der Impakt der Sonde auf dem kleinen Asteroiden genau hinterlassen hat, werden die Forschenden erst in vier Jahren erfahren. Im Dezember 2026 soll die ESA-Raumsonde Hera bei Dimorphos eintreffen, um die Veränderung auf dem Asteroiden zu begutachten. Dabei geht es um Form und Größe des entstandenen Kraters, aber auch alle anderen Veränderungen auf der Oberfläche des Asteroiden. Hera hat ein Radar im Gepäck und wird das Innere des Körpers durchleuchten können.
Die meisten Forschenden rechnen fest damit, dass Hera einen Krater vorfindet, der zwischen 5 und 14 Metern groß ist. Immerhin dürfte der Aufprall mit kosmischer Geschwindigkeit mehrere tausend Tonnen Material in Bewegung gesetzt haben. Wirklich sicher waren sich die Beteiligten indes nicht. Einige Studien hatten gezeigt, dass der Asteroid vielleicht so weich ist, dass er sich beim Aufprall wie ein Gummiball zusammenzieht. Und das wäre für die Abwehr von Asteroiden laut Kai Wünnemann eine schlechte Nachricht: "Wenn er sehr porös und weich ist, dann könnte die Energie des Aufpralls verpuffen."
Asteroiden abwehren: So oder anders?
Im Werkzeugkoffer der planetaren Geologen ist ein solcher direkter Aufprall nur eine von mehreren Methoden. Es gibt ebenso die Idee für einen sogenannten Gravitationstraktor: Dabei wird eine Sonde über viele Jahre neben einem gefährlichen Asteroiden stationiert, mit der Folge, dass dieser über lange Zeit Stück für Stück abgelenkt wird. Auch die Rückstrahlfähigkeit, die sogenannte Albedo eines Asteroiden, ließe sich manipulieren, um ihn abzulenken: "Wenn man die Albedo ändern würde, also beispielsweise einen hellen Körper schwarz anmalt, dann würde sich der Effekt des Lichtdrucks ändern", sagt Planetenforscher Stefan Ulamec. Die Kraft der Sonne würde diesen in seiner Bahn ablenken. All diese Methoden erfordern es aber, möglichst Jahre oder besser Jahrzehnte vor dem Einschlag beständig auf den Asteroiden einwirken zu können.
Die Ultima Ratio wäre der Einsatz von Nuklearwaffen. Anders als im Film "Armageddon", in dem die Sprengsätze in gebohrten Löchern versenkt werden, müssten sie eigentlich nah an der Oberfläche gezündet werden. "Die Hitzewelle würde das Gestein abdampfen und dadurch käme es zu einem Schub", sagt Stefan Ulamec. Doch diese Methode vorab zu erproben, wäre kaum möglich, denn nach dem Weltraumrecht sind nukleare Versuche im All untersagt. "Das steht im Augenblick nicht zur Debatte, ist auch politisch nicht vertretbar", sagt Stefan Ulamec.
© RiffReporter
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