Schon 2021 hat eine umfangreiche Studie in Finnland festgestellt, dass auch Hunde unter ADHS-ähnlichen Symptomen leiden können. Eine aktuelle Studie Eötvös-Loránd-Universität in Budapest hat jetzt neue Parallelen zwischen Mensch und Tier erkannt.

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Der wuffende Mitbewohner ist hyperaktiv, kommt nicht zur Ruhe und springt sofort wieder auf. Er lässt sich leicht ablenken und reagiert auf alle Einflüsse von außen. Gelerntes vergisst er wieder. Gern kaut er an Möbeln oder nagt an den Fußleisten. Er bellt und jault aufgeregt und lässt sich auch nur schwer beruhigen. Viele Hundebesitzer kennen diese Verhaltensauffälligkeiten von der eigenen Fellnase und fragen sich, ob Hunde vielleicht auch am Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) leiden können. Sind doch die Verhaltensparallelen eindeutig. Aber Moment – ADHS bringt man doch eher mit "zappeligen" Kindern in Verbindung und nicht mit Fellnasen – oder doch?

Zwar hatte ein Forschungsteam der Universität Helsinki bereits 2021 festgestellt, dass auch Hunde an ADHS-ähnlichen Symptomen leiden können. Besonders, wenn sie viel allein gelassen werden. Dennoch sind – im Gegensatz zur Humanmedizin – in der Veterinärmedizin noch viele Seiten zu Thema Hunde und ADHS im "Wissensbuch" leer.

Wissenschaftler der "Eötvös-Loránd-Universität" in Budapest haben sich nun erneut mit der Frage beschäftigt, ob Hunde an ADHS leiden können und wenn ja, wie sich dieses feststellen lässt. Das Team um die Biologin Barbara Csibra kam dabei zu einem überraschenden Ergebnis, das in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht wurde.

Haben aufgekratzte Hunde ADHS?
Haben aufgekratzte Hunde ADHS? © Foto: freepik.com/Image by Freepik (Symbolfoto)

Neu entwickelter Fragebogen für die ADHS-Diagnose bei Hunden

Bei Menschen, bei denen sich Symptome wie Konzentrationsschwäche, Hyperaktivität oder Impulsivität äußern, helfen bestimmte Fragebögen, um ADHS zu diagnostizieren. Zwar gibt es auch für Hunde solche ADHS-Fragebögen, diese können aber nicht die Verhaltensauffälligkeiten genau einordnen. Denn sie unterscheiden nicht zwischen Hyperaktivität und Impulsivität bei den Vierbeinern.

Genau das war der Ansatz des Forschungsteams um Barbara Csibra, um einen neuen Fragebogen zu entwickeln: die "Dog ADHD and Functionality Rating Scale". Anhand dieser neu entwickelten Skala wurden 1.168 Hundebesitzer zu ADHS-ähnlichen Verhaltensauffälligkeiten ihrer wuffenden Mitbewohner befragt und wie diese zu Herausforderungen im Alltag führen.

Probleme im Alltag mit ADHS-Hund

Die meisten der Befragten berichteten nur über wenige oder moderate Verhaltensauffälligkeiten ihrer Fellnasen. Dennoch resultierten darauf oftmals Folgeprobleme im Alltag. Zum Beispiel beim Gassigehen, beim Training oder im Umgang mit anderen Menschen oder Artgenossen. Die Auswertung aller Fragebögen ergab überraschenderweise, dass verhaltensauffällige Hunde viele Gemeinsamkeiten mit von ADHS betroffenen Menschen haben.

Auch Hunde lassen sich in drei ADHS-typische Kategorien einteilen

Anhand des neu entwickelten Fragebogens und der darin gesammelten Daten konnte die Biologin Barbara Csibra und ihr Team die Verhaltensprobleme der Hunde in drei ADHS-Kategorien einteilen, die genauso für Menschen typisch sind.

  1. Aufmerksamkeitsstörungen: Vor allem in der persönlichen Kommunikation mit den Fellnasen ist hier zu bemerken, wie schwer es ihnen fällt, sich auf Aufgaben zu konzentrieren und diese richtig umzusetzen. Betroffene Hunde haben Probleme damit, sich beim Training auf den Menschen zu konzentrieren, so "Geo". So lernen sie die Kommandos deutlich langsamer und verlernen eigentlich schon Gelerntes schneller wieder.
  2. Hyperaktivität: Anhaltende Unruhe zeigt sich vor allem bei jungen Hunden. Sie haben Schwierigkeiten, ein Kommando wie "Sitz" oder "Platz" länger durchzuführen, stehen schnell wieder auf, rennen aufgekratzt umher. – Oftmals einhergehend mit Zerstörungswut. Dieses Verhalten ähnelt auffällig dem von Menschen mit ADHS, vor allem bei Kindern, besonders bei Jungen, zeigt sich die Hyperaktivität mit stetigem Bewegungsdrang und teils auch unkontrollierter Wut.
  3. Impulsivität: Betroffene Menschen und Tiere haben Schwierigkeiten, innere und äußere Reize und Triebe zu verarbeiten und angemessen darauf zu reagieren. Ihnen fehlt die Impulskontrolle. Passiert etwas Aufregendes um sie herum, reagieren sie sofort ebenfalls gereizt oder erregt. Teilweise kommt noch eine fehlende motorische Kontrolle sowie ungeduldiges Verhalten hinzuerklärt die "Berliner Morgenpost". Nimmt die Fellnase zu viele Reize auf einmal wahr, kann dieses auch zu einer Kurzschlussreaktion führen.
Ob Hunde ADHS bekommen können, ist nicht erwiesen.
Ob Hunde ADHS bekommen können, ist nicht erwiesen. © Foto: pixabay.com/wdietz (Symbolfoto)

Bei der Auswertung des Fragebogens stieß das Forschungsteam bei Hunden auf eine vierte Eigenheit: die sogenannte Vokalisation. Damit ist das unbegründete und anlasslose laute Bellen oder Jaulen gemeint. Hierbei ist dem Forschungsteam aber aufgefallen, dass eher Rüden als Hündinnen zu dieser Verhaltensauffälligkeit neigen.

Die Forscher deuten dies aber nicht als Symptom, sondern sehen darin eher eine Folgeerscheinung von ADHS. Ähnlich dem Verhalten eines hyperaktiven Kindes, das ohne Pausen redet, anderen Kindern nicht zuhört oder ihnen ständig ins Wort fällt.

Ob Hunde ADHS bekommen können, ist nicht erwiesen

Ob Hunde wirklich an ADHS erkranken können, ist noch nicht eindeutig geklärt. Bisher wird von Tierärzten nur das "Hypersensivitäts-Hyperaktivitäts-Syndrom" (HSHA) diagnostiziert. Die Ergebnisse der Studie haben aber überraschend viele Parallelen zum beim Menschen weit erforschten ADHS aufgezeigt. Sollten sich diese Beobachtungen in weiteren Studien bestätigen, könnte das für die Hundepsychologie ein "bahnbrechender Fortschritt" sein.

Menschengemachte Verhaltensauffälligkeiten

Wie bei uns Menschen vermuteten die finnischen Wissenschaftler bereits 2021, dass auch bei Hunden eine genetische Komponente für ADHS verantwortlich ist. Ein Vergleich von 15 Hunderassen zeigte damals, dass Hyperaktivität und Impulsivität besonders bei Mischlingen und dem Deutschen Schäferhund auffällig waren, bei Zwergschnauzern hingegen kaum. Unaufmerksamkeit trat am häufigsten bei Mischlingen und den Finnischen Lapphunden auf, selten jedoch bei Spanischen Wasserhunden.

Viele Hunde sind oft nicht ausgelastet.
Viele Hunde sind oft nicht ausgelastet. © Foto: pexels.com/Ron Lach (Symbolfoto)

Dass verschiedene Hunde-Rassen solch ADHS-typische Verhaltensweisen zeigen, kommt nicht von ungefähr, sondern ist menschengemacht. Denn gezielte Zucht hat Rassen hervorgebracht, die sich durch einen hohen Bewegungsdrang und eine klare "Reizempfindlichkeit" auszeichnen. Und solang die Vierbeiner ihrem Charakter entsprechend untergebracht und ihren Bedürfnissen nach ausgelastet werden, stellen die Rassemerkmale auch keine Probleme dar.

Anders sieht es aber aus, wenn dies nicht der Fall ist. Wird ein Husky, ein Hütehund oder ein Schäferhund in einer kleinen Stadtwohnung gehalten oder ein Border Collie nicht geistig ausgelastet, sind natürlich Verhaltensauffälligkeiten zu beobachten. Für die kann die Fellnase jedoch nichts, sind die ausschließliche Folge menschlicher Ignoranz. Auffälliges Verhalten als ADHS-typische Auffälligkeit zu bezeichnen, ist dann schlichtweg falsch.

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Menschen, die sich einen wuffenden Mitbewohner anschaffen wollen, sollten nicht nur nach dem Aussehen gehen. Künftige Hundeeltern sollten sich im Vorfeld intensiv mit dem Rassenporträt des Vierbeiners auseinandersetzen und sich fragen, ob die natürlichen Bedürfnisse des zukünftigen vierbeinigen Familienmitglieds im neuen Zuhause auch erfüllt werden können. Denn alles andere wäre unfair der Fellnase gegenüber. Welche Fellschnute am besten zu Dir passt, erfährst Du hier.  © Deine Tierwelt