Igel gelten mittlerweile als bedroht. Besonders problematisch: Gerade in den Wintermonaten brauchen die Tiere oft menschliche Hilfe, um überhaupt überleben zu können. Bayerische Tierheime etwa haben aber wegen Überfüllung jetzt schon einen Aufnahmestopp verhängt - und bitten nun um Mithilfe.
Mehrere Tierheime in Bayern haben einen Aufnahmestopp für Igel verhängt. Nach Einrichtungen in Nürnberg und Augsburg hat auch München, das nach eigenen Angaben größte Tierheim in Süddeutschland, keinen Platz mehr für in Not geratene Stacheltiere. Die gerade erst gestartete Saison sprenge "alle Erwartungen". Bis Mitte November seien schon weit über 1.000 Igel aufgenommen worden - so viele wie noch nie.
Zum Vergleich: In der kompletten vergangenen Wintersaison 2023/24 hatte das Münchner Tierheim knapp 2.000 notleidende Igel aufgenommen, aufgepäppelt und wieder ausgewildert.
Täglich werden über 20 Igel abgegeben
"Es fällt uns äußerst schwer, doch wir sind an unserer Kapazitätsgrenze angelangt und können keine weiteren Igel mehr aufnehmen", sagte die Leiterin des Münchner Tierheims, Eva-Maria Natzer. Zuletzt seien täglich 20 bis 30 hilfsbedürftige Tiere in der Wildtierstation abgegeben worden. Man werde regelrecht überrannt, sagte Natzer. "Weder können wir weitere Gehege oder Boxen stellen, noch können unsere Pflegerinnen und Pfleger zusätzliche Igel versorgen", sagte Abteilungsleiter Jacek Nitsch.
"Erst im Oktober 2024 wurde der europäische Igel international auf der Roten Liste der bedrohten Arten als potenziell gefährdet eingestuft. Kaum einen Monat später brechen Bayerns Igel-Aufnahmestationen unter der Last der tierischen Patienten zusammen", teilte das Münchner Tierheim mit.
Tierheime müssen trotz Notlage Aufnahmestopp verhängen
Die Tiere, die in ihrer Einrichtung abgegeben würden, seien unterernährt, krank, schwach oder verletzt und hätten ohne menschliche Hilfe keine Chance, durch den Winter zu kommen, betonte Natzer. Das Ausmaß liege "weit jenseits des gewohnten Tierschutz-Alltags".
Das Augsburger Tierheim schrieb auf Instagram: "Wir geben unser Bestes, so viele Igel wie möglich aufzunehmen. Leider sind nun (wie bei vielen Igelhilfen) auch unsere Kapazitäten ausgereizt. Wir sind bis auf die letzte Box voll besetzt." Auf der Homepage des Nürnberger Tierheims heißt es: "Leider müssen wir aktuell einen Aufnahmestopp für Igel ausrufen. Wir sind voll und haben keinerlei Kapazität mehr, weitere Igel aufzunehmen. Tut uns leid!"
Gründe für die akute Notlage der Igel sind nach Angaben von Tierschützern vor allem der Klimawandel und dass es zu wenig geeignete Lebensräume und wegen des Insektensterbens zu wenig Nahrung für die Igel gibt.
Tierheim bittet Bevölkerung um Unterstützung
"Als reine Insektenfresser brauchen die Stachelritter unbedingt tierisches Protein. Körnermischungen, wie sie häufig im Tierhandel als Igelfutter verkauft werden, können sie kaum verstoffwechseln", teilt das Münchner Tierheim mit. Mangelernährung führe bei den Tieren zu einem geschwächten Immunsystem und schwerem Parasitenbefall. "Dazu kommen äußere Gefahren wie Laubsauger und -bläser, massakrierende Mähroboter sowie der Straßenverkehr."
Das Münchner Tierheim appellierte an Tierfreunde, Igel möglichst daheim aufzupäppeln. Zur Erstversorgung und zur Entwurmung können die kleinen Tiere zur Wildtierstation ins Tierheim gebracht werden. Dann müssen sie wieder mitgenommen und zu Hause in einer Box im Warmen mit Futter und Trinkwasser versorgt werden. Zur Fütterung eignet sich nach Tierheim-Angaben am besten Katzenfutter mit hohem Fleischanteil.
Erste Hilfe für Igel: Womit Sie ihn füttern dürfen
Der Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern e.V. gibt weitere Tipps zur richtigen Versorgung von Igeln: Nehmen Sie im Spätherbst oder Winter einen Igel nur auf, wenn die Tagestemperaturen dauerhaft bei unter sechs Grad Celsius liegen. Ist dies der Fall, sollten Sie ihm eine Notunterkunft in einer Kiste einrichten. Wichtig zu beachten ist dann, dass das Tier dauerhaft Zugang zu Wasser hat und Erstnahrung erhält.
Für die Erstnahrung eignet sich:
- eine flache Schale mit Wasser
- Katzenfutter
- ungewürztes, gekochtes Ei oder Rührei
- angebratenes, ungewürztes und nicht gesalzenes Hackfleisch. Wichtig aber: Kein Hack vom Schwein verwenden!
Sollte der Igel sehr geschwächt sein, können Sie ihm mit einer Einwegspritze (ohne Nadel!) warmes Wasser, Fenchel- oder Kamillentee ins Maul träufeln. Verboten ist zudem Milch, da Igel eine Laktoseintoleranz haben und Milchzucker nicht abbauen und verdauen können.
Was Gartenbesitzer tun können
Gartenbesitzer können Igeln auf der Suche nach einem passenden Winterquartier behilflich sein. Laub sowie Grün-, Baum- und Heckenschnitt sollte etwa in einer Gartenecke liegen bleiben oder aufgehäuft werden, empfiehlt der Naturschutzbund Nabu. Eine Umrandung aus Feldsteinen halte alles zusammen.
Auch Igelhäuschen, Mauern mit Höhlungen und Komposthaufen werden von den stacheligen Tieren gerne genutzt. Ihr Winterquartier suchen die Igel auf, wenn es nachts am Boden dauerhaft frostig wird. Erst gehen die Männchen, dann die Weibchen und zuletzt die Jungigel in den Winterschlaf.
Wer einen Igel in seinem Garten trifft, sollte diesen aufmerksam beobachten. Wenn er etwa taumelt, umfällt, apathisch wirkt, verletzt ist oder stark hustet, sollte ein Tierarzt oder eine Igelauffangstation kontaktiert werden. Das Gleiche gilt, wenn das Tier so aussieht, als habe es sich in Sägespänen gewälzt. Dabei handelt es sich um Fliegeneier oder Maden. Diese sollten als Erste-Hilfe-Maßnahme mit einer Pinzette oder einer trockenen Zahnbürste entfernt werden.
Ob der Igel genügend Gewicht für den Winterschlaf hat, kann der Mitteilung zufolge an seiner Statur erkannt werden - diese sollte tropfenförmig sein. Hat er eher eine walzenförmige Figur, können Sie ihm noch vor Ort mit einer Erstversorgung durch Futter, wie oben beschrieben, helfen. (dpa/bearbeitet von mak)
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