Sind Jungen und Mädchen, die sehr gute Noten haben, wirklich unbeliebt bei ihren Mitschülerinnen und Mitschülern? Eine Studie mit Neuntklässlern ging dem häufig verbreiteten "Nerd"-Klischee auf den Grund - mit einem überraschenden Ergebnis.
Es sind Stereotypen, die seit vielen Jahren kursieren – nicht zuletzt auch, weil sie in Filmen und Serien wie "The Big Bang Theory" vermittelt werden: Jungen, die in Naturwissenschaften glänzen, oder Mädchen, die ein Geschick für Mathematik haben, gelten als "Nerds". Sie bleiben lieber unter sich oder haben kaum soziale Kontakte. In der Schule werden sie wegen ihrer guten Noten als Streber verpönt, vielleicht sogar gemobbt.
Das Klischee vom unbeliebten Genie, das sein Pausenbrot allein in einer Ecke verspeist, trifft allerdings nicht zu. Eine neue Studie räumt mit dem Stereotyp auf, das sich hartnäckig in der Gesellschaft hält.
Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler meist besser in Klassen integriert als leistungsschwache
Ein Forschungsteam vom Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung an der Universität Tübingen und dem Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität zu Berlin untersuchte, wie gut leistungsstarke Schülerinnen und Schüler in ihren Klassen integriert sind.
Die Erkenntnisse widersprechen den Klischees. "Jugendliche, die gute Schulleistungen erbringen, sind in der Regel auch besser in ihre Klassen integriert als solche, die schlechter abschneiden", heißt es in einer Mitteilung zur Studie. Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler würden außerdem wesentlich häufiger um Hilfe gebeten als leistungsschwächere, vor allem Jungen und Mädchen, die in gleich mehreren Fächern sehr gut sind.
"Die Botschaft unserer Studie lautet, dass viele leistungsstarke Kinder sehr gut sozial integriert sind, unabhängig davon, ob ihre Leistungen vermeintlich gender-konform oder non-konform sind", wird Studienleiterin Dr. Claudia Neuendorf zitiert. Diese Erkenntnis sei "hoffentlich ein weiterer Baustein, um Ängste und Vorurteile in der Hinsicht abzubauen".
In der Studie, die im Fachjournal "Journal of Educational Psychology" veröffentlicht wurde, heißt es: "Wir kommen zu dem Schluss, dass leistungsstarke Schüler kein höheres Risiko für soziale Ausgrenzung haben und dass Stereotype nicht mit den tatsächlichen sozialen Beziehungen in deutschen Sekundar-Schulklassen übereinzustimmen scheinen."
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Für die Untersuchung wertete das Team um Dr. Neuendorf Daten aus dem IQB-Bildungstrend von rund 45.000 Schülerinnen und Schülern der neunten Jahrgangsstufe in Deutschland aus. Unter anderem wurden die Teenager gefragt, mit wem sie in der Klasse befreundet sind und neben wem sie sitzen wollen. Aus den Antworten schloss das Forschungsteam, wie beliebt, akzeptiert und integriert die jeweiligen Schülerinnen und Schüler sind. Zudem sollten die Neuntklässler selbst einschätzen, wie gut integriert sie sich fühlen.
Ein Augenmerk legten die Forschenden in ihrer Studie auf genderspezifische Klischees. Sie untersuchten, ob Jungen und Mädchen weniger gemocht werden, wenn sie in Fächern glänzen, die dem jeweils anderen Geschlechterstereotyp zugeordnet werden. Dabei zeigte sich, "dass auch Jungen, die leistungsstark in Sprachen und Biologie sind, und Mädchen, die gut in Mathematik und Physik sind, eine gute soziale Integration aufweisen".
Laut Neuendorf sei es wichtig, Stereotype aller Art in allen Bereichen der Gesellschaft aufzulösen. Dadurch könnten Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrem Geschlecht ihr Potenzial entfalten.
Verwendete Quellen
- Pressemitteilung der Eberhard Karls Universität Tübingen: "Wer gute Noten schreibt, ist in der Regel auch beliebt"
- psycnet.apa.org: Studie: "Comparing different facets of the social integration of high-achieving students in their classroom: No gender stereotyping, but some nonlinear relationships"
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