Der Grüne Punkt gehört in die Tonne. Das finden viele Kommunen. Der Grund: Das duale System und der Grüne Punkt sind zu teuer und zu kompliziert – und das, obwohl Deutschland als Weltmeister der Mülltrennung gilt. Wie steht es denn nun um Recycling in Deutschland?
Schwarze Tonne, Biotonne, gelber Sack oder gelbe Tonne: Die Deutschen trennen ihren Müll. Seit über 20 Jahren ist der Grüne Punkt aus deutschen Kommunen nicht mehr wegzudenken. Allerdings regt sich Widerstand gegen das System: Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) plädiert für eine Abschaffung der Wertstoffsammlung über den Grünen Punkt. Bereits 2013 rechnet VKU-Chef Hans-Joachim Reck der "Bild"-Zeitung vor: "Allein die Existenz der dualen Systembetreiber kostet den Verbraucher jährlich rund 120 Millionen Euro, ohne dass ein gelber Sack eingesammelt worden ist. Die Verpackungsentsorgung in Deutschland ist teuer und die ökologische Bilanz ist schlecht." Recycling und Mülltrennung sollen teuer und zudem schlecht für die Umwelt sein? Was zunächst paradox klingt, hat einen wahren Kern.
Hintergrund: das Duale System Deutschland
Vor über 20 Jahren wurde das Duale System Deutschland (DSD) gegründet, um der wachsenden Müllberge durch Recycling Herr zu werden. Seitdem organisiert es die Wiederverwertung von Verpackungsmüll wie Joghurtbecher oder Konservendosen. Diese tragen einen grünen Punkt, für dessen Verwendung die Hersteller dem DSD Lizenzgebühren zahlen, die nach Material und Gewicht der Verpackung berechnet werden. Das ist ein Problem für Verbraucher und Betreiber.
Denn im Endeffekt sind es die Verbraucher, die das System finanzieren. Hersteller von Produkten entrichten zwar Lizenzgebühren, allerdings werden diese auf den Verkaufspreis aufgeschlagen. Nach Recherchen des ARD-Magazins "Plusminus" beläuft sich dieser Betrag auf etwa ein bis zwei Cent pro Verpackung. Wie viele Verpackungen tatsächlich abgesetzt werden und wie hoch damit der genaue Lizenzbetrag wäre, lässt sich nicht ermitteln – und dieses Schlupfloch wird ausgenutzt, wie das ARD-Magazin Anfang des Jahres berichtet. So wurde 2012 noch für 1,2 Millionen Tonnen Verpackungen gezahlt, inzwischen sind es nur noch 0,8 Millionen Tonnen – bei gleichbleibender Müllmenge. Den Betreibern fehlen daher 150 Millionen Euro.
Nutzt Mülltrennung wirklich der Umwelt?
Neben finanziellen Problemen erhält die Mülltrennung des Dualen Systems auch Gegenwind aus der Fachwelt. Laut Greenpeace bezweifele kein Abfallexperte die Mülltrennung bei Papier und Glas, hier liegt die Recyclingquote bei über 80 Prozent. Die Gelbe Tonne bereite den Abfallspezialisten hingegen "Unbehagen": Zwar ließen sich Metalle recht einfach und günstig mithilfe technischer Maßnahmen vom Rest des Mülls trennen, das Sortieren und Aufarbeiten von Kunststoff sei hingegen aufwendig und teuer. Das hat zur Folge, dass nur etwa die Hälfte des Plastikmülls tatsächlich wiederverwertet würde, also tatsächlich wieder zu neuen Produkten verarbeitet wird. Der Rest lande in der "energetischen Verwertung", sprich der Müllverbrennungsanlage.
Kritiker bemängeln zudem die hohe Zahl an Fehlwürfen durch den Verbraucher – denn es dürfen nur bestimmte Verpackungen in den Sack. Ein Beispiel – der Blumentopf: Wird eine Pflanze umgetopft und ist der Topf für den Verkauf bestimmt, darf er in die Wertstoffsammlung. Bleibt die Pflanze bis zum Verdorren im gleichen Plastikbehälter, gehören beide in den Restmüll. Auch andere Metall- und Plastikgegenstände wie beispielsweise alte Bratpfannen oder Zahnbürsten sind ein Fall für den Restmüll. Klarheit für den Verbraucher? Fehlanzeige.
Kommunen machen gegen Mülltrennung mobil
Hinzu kommt, dass Maschinen inzwischen Müll besser trennen als der Mensch, wie Versuche in anderen Ländern zeigen. Allerdings ist eine Zusammenlegung von Restmüll- und Wertstofftonne in Deutschland vom Gesetzgeber nicht gewünscht. Es ist in Deutschland per Gesetz verboten, Plastik und Restmüll in eine Tonne zu werfen, aller technischer Entwicklung zum Trotz.
Doch dagegen formiert sich Widerstand aus den Kommunen, die für die Organisation der Müllentsorgung verantwortlich sind. Ihr Argument: Zwei zusätzliche Leerungen im Monat kosten nicht nur Extra-Geld, sondern steigern auch den CO2-Ausstoß der Müllwagenflotte. Eine Einheitstonne könnte diese Bilanz deutlich verbessern.
Fazit: Der Gesetzgeber ist gefragt
Eine Reform des Dualen Systems ist dringend nötig, denn im aktuellen Zustand belastet es Verbraucher, Betreiber und Umwelt gleichermaßen. Etwa 1,5 Milliarden Euro jährlich kostet laut dem Magazin "Brand eins" allein der Grüne Punkt die Kunden. Sie zahlen an der Supermarktkasse den Aufpreis für jede Verpackung. Doch dieses Geld kommt aufgrund zahlreicher Schlupflöcher im System nicht bei den Betreibern an. Daneben blockiert die aktuelle Gesetzeslage eine effektivere maschinelle Mülltrennung und umweltschonendere Lösungen der Müllabholung.
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