Die Suche nach einem Endlager für radioaktiven Abfall gestaltet sich schwierig. Experten diskutieren verschiedene Möglichkeiten. Diese reichen von Mülldeponien im Weltall bis zum Einlagern im Bergwerk.
Der Atomausstieg ist beschlossen, das Problem mit dem Atommüll bleibt. Weltweit gibt es bisher kein sicheres Endlager für die hochgiftigen Stoffe, die etwa bei der Stromerzeugung in Atomkraftwerken oder in geringen Mengen auch in Forschung und Medizin entstehen. Geht das letzte Kernkraftwerk in Deutschland vom Netz, bleiben etwa 1.900 Castoren, die sicher untergebracht werden müssen.
Ins Weltall oder in den Meeresboden?
Mit Beginn der friedlichen Nutzung der Atomkraft kam die Frage auf, was man mit den radioaktiven Abfällen machen soll. Bis heute gibt es weltweit keine Lösung. Ins Weltall schießen oder tief unter dem Meeresboden deponieren? Was zunächst exotisch klingt, wird in der Endlager-Diskussion durchaus thematisiert.
Schon in den 1970er und 1980er Jahren wurde eine Entsorgung radioaktiver Abfälle außerhalb der Erde in Betracht gezogen und erforscht. 1979 stellte zum Beispiel der deutsche Wissenschaftler Harry Ruppe eine Projektstudie vor, die sich mit der Idee befasste, den Atommüll ins Weltall zu befördern.
Dabei drehten sich die Vorschläge, die am Institut für Raumfahrttechnik der Technischen Universität München entwickelt wurden, darum, den Schrott auf dem Mond zu deponieren, ihn in die Umlaufbahn des Mars zu schießen oder sogar in der Gluthölle der Sonne zu versenken. Gegen diese Art der Entsorgung standen die immens hohen Kosten und raumfahrtspezifische Risiken.
Risikoreiches Unterfangen
Aus den Augen, aus dem Sinn - für Tobias Riedl, Atomexperte bei der internationalen Umweltorganisation Greenpeace fällt die Weltall-Variante unter die Kategorie Wunschdenken. "Ich sehe darin den Wunsch der Menschen, das Problem einfach loszuwerden", erklärt Riedl im Gespräch mit unserem Portal.
Für umsetzbar hält er die Methode nicht. Zu hoch sind in seinen Augen die Risiken, dass etwa beim Start etwas schief gehen könnte. Auch die Idee, Atommüll tief unter dem Meeresboden verschwinden zu lassen, hält der Atom-Experte für zu gefährlich. Das belegten negative Beispiele aus der Vergangenheit.
Auf der Suche nach dem bestmöglichen Standort für eine dauerhafte Lagerung hat die Kommission "Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe" diese Möglichkeit ebenfalls diskutiert. Seit Mai 2014 bereitet die 33-köpfige Kommission die Suche nach einem Endlager vor.
In einem mehrstufigen Verfahren soll bis zum Jahr 2031 der Standort gefunden werden, an dem hochradioaktive Abfälle über einen Zeitraum von etwa einer Million Jahre gelagert werden können. Eine wirkliche Option stelle die Weltall-Variante bei der Atommüllbeseitigung nicht dar, weiß Monika Hotopp vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Die Risiken seien zu hoch. Selbst wenn die Technik ausgereift wäre, dann wären die Transportkosten vermutlich viel zu hoch, nennt die BfS-Sprecherin Gründe, die dagegen sprechen.
Tiefengeologische Lagerung
"In Deutschland sowie international empfehlen die meisten Experten die tiefengeologische Lagerung in stabilen Gesteinsformationen", sagt Hotopp. Aktuell gibt es im Land vier Endlagerprojekte, für die das BfS zuständig ist: Konrad, Morsleben, Asse und ehemals Gorleben.
In Morsleben und der Asse befinden sich bereits schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Beide Standorte sind aber alte Bergwerke, die nicht den notwendigen Anforderungen genügen. Sie wurden später dem BfS übertragen, das sie derzeit saniert und stilllegen will. Die Schachtanlage Konrad wird gegenwärtig als erstes nach dem Atomrecht genehmigtes Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle errichtet.
Als Standort für hochradioaktive Abfälle wurde in der Vergangenheit bisher nur Gorleben untersucht. Kritiker des Standorts sowie das BfS als Betreiber forderten lange eine Standortsuche, bei der verschiedene Alternativen verglichen werden. Das wurde 2013 dann parteiübergreifend beschlossen.
Erforderliche geologische Eigenschaften
Welche Anforderungen gibt es an ein Endlager? Für die Lagerung radioaktiver Abfälle sind bestimmte geologische Eigenschaften notwendig. Als Wirtsgesteine kommen Salz, Ton oder Granit in Frage. Gesucht wird in Tiefen von 300 bis zu 1.500 Metern. Ziel der Tiefenlagerung ist es, schädliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt für lange Zeiträume auszuschließen.
Dafür müssen unter anderem seismische und geologische Bedingungen sowie das Isolationsvermögen des Gesteins stimmen. Deutschland hat sich entschieden, nicht nur hochradioaktive Stoffe sondern auch schwach- und mittelradioaktive Abfälle untertägig zu lagern.
Rückholbar oder nicht?
"Für Lager mit hochaktiven Abfällen versucht man, die sicherheitstechnischen Vorteile eines langfristigen Verschlusses mit Aspekten der Rückholbarkeit zu kombinieren. Das bedeutet, man möchte den Atommüll so in einem Bergwerk einlagern und verschließen, dass er von Mensch und Umwelt abgetrennt wird und nicht ohne weiteres zugänglich ist", erklärt Monika Hotopp.
Die Lagerbehälter sollen dafür aber lange haltbar sein, die Abfälle geordnet und wiederauffindbar eingelagert werden. Dadurch wäre der Atommüll sozusagen wartungsfrei, bliebe aber bergbar. Diese Variante hat in den vergangenen Jahren international an Einfluss gewonnen.
Eine andere Alternative wäre, die Abfälle komplett zugänglich zu lagern, etwa in Zwischenlagern an der Oberfläche oder in frei zugänglichen Bergwerken. "Dann muss aber für unvorstellbar lange Zeiträume sicher gestellt werden, dass künstliche Barrieren wie Beton oder Stacheldraht oder Wachmannschaften Menschen und Umwelt schützen", so Hotopp.
Schwere Entscheidungen
Das Für und Wider dieser verschiedenen Ansätze wird in der Endlager-Kommission diskutiert. Die Empfehlungen zu Kriterien und Regeln für die Suche nach einem passenden Standort fasst die Kommission in einem Endbericht zusammen, der im Juni an Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung übergeben werden soll.
"Es ist eine große Bürde, die uns mit dem Atommüll auferlegt wurde", sagt Greenpeace-Mitarbeiter Tobias Riedl. Einen Favorit in der Endlager-Diskussion hat der Atom-Fachmann nicht. Auch das sogenannte "Hüte-Konzept", dass eine oberirdische, bewachte Lagerung vorsieht, birgt Risiken. "Wir wissen nicht, wie sich die Gesellschaft verändert. Immerhin bleibt es weiterhin hochgefährliches Material", sagt Riedl. "Es ist und bleibt ein Dilemma, vor dem wir stehen."
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