Der Japankäfer, der Felder abfrisst, die Pazifische Auster, die die Strömungen im Wattenmeer verändert, und ein neuer Pilz, der Salamander tötet: Invasive Arten richten riesige Schäden an. Wie groß diese sind, zeigt ein Bericht des Weltbiodiversitätsrats.
Sie verdrängen einheimische Tiere und Pflanzen, zerstören ganze Ökosysteme und verursachen jedes Jahr Hunderte Milliarden Euro an Schäden: Sogenannte invasive Arten sind einem internationalen Bericht zufolge ein bisher massiv unterschätztes Problem.
So gelten die eingeschleppten oder absichtlich angesiedelten Spezies als eine der Hauptursachen für den weltweiten Artenrückgang. Und da immer mehr Menschen reisen und immer größere Warenströme ausgetauscht werden, dürfte das Problem in Zukunft noch zunehmen.
Der Bericht wurde von dem in Bonn angesiedelten Weltbiodiversitätsrat (IPBES) veröffentlicht. 86 Expertinnen und Experten aus 49 Ländern haben daran vier Jahre gearbeitet.
"Es ist der erste Bericht, der das Problem so global und umfassend behandelt", sagte Sven Bacher, Professor für Ökologie und Evolution an der schweizerischen Universität Freiburg, der dpa. "Jetzt haben wir endlich eine Datengrundlage, mit der wir zeigen können, wie groß das Ausmaß dieses Phänomens ist."
Etwa 3.500 invasive Arten richten Schaden im dreistelligen Milliardenbereich an
Insgesamt sind vorsichtigen Schätzungen zufolge mittlerweile 37.000 gebietsfremde Arten durch das Einwirken des Menschen aus ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in andere Regionen gebracht worden. Etwa 3.500 dieser Arten richten Schäden an - sie sind die invasiven Arten. Die jährlichen wirtschaftlichen Kosten betrugen dem Bericht zufolge im Jahr 2019 423 Milliarden Dollar (392 Milliarden Euro).
Für Deutschland gibt das Bundesamt für Naturschutz (BfN) 900 gebietsfremde Arten an, von denen etwa 90 invasiv sind. "Diese Zahlen sind sehr zurückhaltend", sagt dazu der IPBES-Experte Hanno Seebens. "Nach unseren Datenbanken haben wir in Deutschland mindestens 2.600 etablierte gebietsfremde Arten, von denen ein Teil invasiv ist." All diese Zahlen bezögen sich nur auf dokumentierte Arten - es gebe mit Sicherheit eine hohe Dunkelziffer.
Invasive Arten können ganze Ökosysteme verändern
Eine invasive Art ist zum Beispiel ein Pilz mit dem Namen Salamanderpest, der tödlich für Feuersalamander-Populationen ist. Er hat sich von den Niederlanden aus nach Deutschland verbreitet. "In den letzten Jahren haben wir den auch schon in Bayern gefunden, und jetzt haben wir große Angst, dass er sich noch weiter ausbreitet", erläutert Bacher.
Es gebe aber auch invasive Arten, die ganze Ökosysteme veränderten. "Da könnte man die Pazifische Auster anführen, die in der Nordsee große Austernbänke bildet und dadurch sogar die Strömungsverhältnisse im Wattenmeer verändert. So wird der Lebensraum als Ganzes durch eine einzige invasive Art stark beeinflusst."
Neben diesen Naturschäden gibt es aber auch große wirtschaftliche Schäden. So zerstören Bisamratten - ursprünglich wegen ihres Pelzes eingeführt - vielerorts Uferbefestigungen. Der Japankäfer wiederum fällt wie eine biblische Plage über Felder her und frisst alles kahl. In der Schweiz wird mit Pestiziden auch in privaten Gärten gegen ihn vorgegangen.
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Der Mensch löst die Entwicklung aus, nicht die Pflanzen und Tiere selbst
Seebens ist es wichtig zu betonen, dass nicht die invasiven Arten selbst diese Entwicklung auslösen, sondern der Mensch, der sie von einem Kontinent auf den anderen verpflanzt. Seit den 1950er Jahren nimmt die Verbreitung gebietsfremder Arten weltweit zu - und das immer schneller.
"Aktuell erreichen wir eine Dimension von etwa 200 neuen Arten weltweit jährlich", sagt Seebens. Die dahinter liegenden Triebkräfte wie der internationale Handel, aber auch die Zerstörung von Habitaten nähmen immer weiter zu. "Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sich dieser Trend irgendwie abschwächen wird - im Gegenteil."
Die positive Nachricht ist, dass es nach dem einhelligen Urteil der Forschenden erprobte und effiziente Maßnahmen zum Gegensteuern gibt. "Am besten ist es natürlich, die Verbreitung solcher Arten von vornherein zu verhindern - durch Prävention", betont Bacher. "Es gibt schon internationale Abkommen, etwa für Schifffahrt, für Ballastwasser, aber das Problem ist, dass sie nicht richtig eingehalten werden."
Die Wissenschaftler fordern deshalb strengere Kontrollen. Auch sei ein koordinierteres Vorgehen wichtig. Es mache wenig Sinn, nur auf lokaler Ebene gegen das Problem anzukämpfen, denn invasive Arten halten sich natürlich nicht an Verwaltungs- und Ländergrenzen.
Auch der Einzelne ist gefragt. "Viele von uns haben zum Beispiel gebietsfremde, vielleicht sogar invasive exotische Pflanzen im Garten stehen", so Bacher. "Oder ein anderes Beispiel: Wir bereisen immer entlegenere Gebiete, fliegen dann zurück und benutzen hier die Wanderschuhe, an denen sich noch Erde vom anderen Ende der Welt befindet. Auf diese Weise tragen wir unter Umständen selbst dazu bei, völlig fremde Arten hier anzusiedeln." (Christoph Driessen, dpa/sbi)
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