Es gibt immer weniger Insekten auf der Welt, davor warnen Naturschützer schon seit Jahren. Die Auswertung von über 70 Einzelstudien bringt die Dramatik nun auf den Punkt: Demnach werden Insekten in 100 Jahren ausgestorben sein, wenn sich nicht bald etwas ändert - mit katastrophalen Folgen für das Ökosystem.
Hunderttausende Bürger in Bayern haben das Volksbegehren "Artenvielfalt - Rettet die Bienen" binnen weniger Tage unterzeichnet - es könnte das erfolgreichste seiner Art werden.
Dass der Grüne mit dieser Aussage nicht überdramatisiert, belegt nun auch eine die Auswertung von 73 Einzelstudien zu dem Thema, die in der Fachzeitschrift "Biological Conservation" erschienen ist.
Insekten könnten in 100 Jahren aussterben
Die meisten der ausgewerteten Studien beschäftigen sich mit dem Rückgang einzelner Insektenarten. Das Forscherteam um Francisco Sánchez-Bayo vom Sydney Institute of Agriculture hat die Ergebnisse nun zu einem großen Gesamtbild zusammengefasst - und kommt zu einem düsteren Ergebnis: Nicht nur Bienen seien betroffen, sondern bei 40 Prozent aller Insektenarten gehe der Bestand stark zurück. Ein Drittel sei demnach sogar vom Aussterben bedroht.
Und das weltweite Insektensterben geht offenbar dramatisch schnell vonstatten. Laut der Übersicht geht die Biomasse der Insekten pro Jahr um 2,5 Prozent zurück - ein Trend, der bereits seit 25 bis 30 Jahren vorherrscht. Diese Erkenntnis bezeichnen die Forscher als "schockierend". Gehe es so rasant weiter, so Sánchez-Bayo im Interview mit dem britischen "Guardian", seien Insekten in 100 Jahren womöglich ausgestorben.
Das hätte einen Kollaps des Ökosystems zur Folge, denn Insekten spielen darin mit ihren verschiedenen Funktionen - Nahrungsquelle, Bestäuber und Nährstoffrecycler - eine essentielle Rolle. Sie sind systemrelevant. "Wenn der Verlust von Insektenarten nicht gestoppt werden kann, wird dies katastrophale Folgen sowohl für die Ökosysteme des Planeten als auch für das Überleben der Menschheit haben", sagte Sánchez-Bayo weiter.
Auch anpassungsfähige Insektenarten betroffen
Besonders dramatisch sei der Rückgang bei Schmetterlingen, Hautflüglern, wie etwa Bienen oder Hummeln, und Dungkäfern. So ist beispielsweise die Zahl der verbreiteten Schmetterlingsarten zwischen 2000 und 2009 in England auf landwirtschaftlich genutzten Flächen um 58 Prozent zurückgegangen.
Doch auch Populationen sehr anpassungsfähiger Arten, die sich in unterschiedlichsten Lebensräumen wohlfühlen können und nicht nur auf eine Futterquelle angewiesen sind, gehen stark zurück - ein akutes Alarmsignal, denn diese Arten gelten aufgrund ihrer Flexibilität eigentlich als weniger gefährdet.
Die Ursachen für das Insektensterben
Für die dramatische Entwicklung machen Sánchez-Bayo und sein Team vor allem vier Faktoren verantwortlich: Zum einen gehe der Lebensraum vieler Insekten durch intensive Landwirtschaft sowie die zunehmende Flächenversiegelung durch den Bau von Städten und Straßen verloren. Auch den massiven Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden haben die Forscher als eine der Hauptursachen identifiziert. Hinzu komme außerdem, dass die Insektenpopulationen durch eingeschleppte Parasiten und Krankheitserreger zunehmend unter Druck geraten, und auch der Klimawandel setze vielen Arten massiv zu.
Die Bürger in Bayern haben den Ernst der Lage offenbar erkannt. Das nötige Quorum von 950.000 Unterschriften dürfte bei Weitem übertroffen werden. Doch um den weltweit dramatischen Rückgang aufzuhalten, wird eine Gesetzesänderung in Bayern allein nicht reichen. (jwo)
Verwendete Quellen:
- The Guardian: "Plummeting insect numbers 'threaten collapse of nature'"
- Science Direct: Worldwide decline of the entomofauna: A review of its drivers
- Süddeutsche Zeitung: "In 100 Jahren ausgestorben?"
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