- Die Situation ist ernst, die Klimakrise hat mit Hitzewellen und Dürreperioden große Auswirkungen auf unsere Zukunft.
- Diese Gefahren sieht auch Blogger Jan Hegenberg, der als "Der Graslutscher" seit Jahren über Themen wie Energiewende und pflanzliche Ernährung schreibt.
- Er sagt aber auch: "Ich finde, dass sehr oft hinten runterfällt, wie wir das alles noch lösen können."
- Ein Gespräch über den Energiebedarf Deutschlands, schwierige Diskussionen mit Andersdenkenden und Matthias Schweighöfer.
Anhand der aktuellen Berichterstattung und Diskussionen über das Klima stellt man sich das Jahr 2040 ja oft so vor, dass Großstädte unter Smogglocken verschwinden, Küstenstädte versinken und eine Hitzewelle die nächste jagt. Sie skizzieren in Ihrem Buch "Weltuntergang fällt aus" ein positiveres Bild des Jahres 2040: mit verkehrsberuhigten Innenstädten, strukturschwachen Regionen, die durch neue Technologien wieder blühen und Hightech-Bahnverbindungen quer durch Europa. Was macht Sie so optimistisch?
Jan Hegenberg: Ich weiß gar nicht, ob ich das so sagen würde. Ich bin bewusst im Jahr 2040 auf gewisse Dinge nicht eingegangen. Es kann natürlich auch sein, dass das, was ich da skizziere, unter Hitzewellen und in Dürreperioden stattfindet. Ich fand nur, dass der Fokus immer sehr stark darauf liegt, was an Gefahren droht. Das hinterlässt bei vielen Menschen Fatalismus und Hoffnungslosigkeit. Wenn sie dann noch hören, dass es keine Lösungen gibt, dann wird es schwierig, sie für Maßnahmen zu gewinnen, mit denen man etwas besser machen könnte. Und das wollte ich ein bisschen korrigieren. Ich will die Gefahren damit nicht kleinreden, die gibt es natürlich. Ich finde aber, dass es sehr oft hinten runterfällt, was es für Chancen gibt und auch, wie wir das alles noch lösen können. Denn ich habe die Beobachtung gemacht, dass oft unterschätzt wird, wie viel Einflussmöglichkeit wir noch haben.
Ist das auch der Grund, warum Sie sich entschlossen haben, humorvoll an das Thema heranzugehen?
Böse Zungen sagen, ich kann das gar nicht anders. Deswegen muss ich so schreiben, weil mir die Fähigkeit fehlt, es ernsthaft zu machen. Ich komme ja aus der veganen Ecke und da wird wichtige Aufklärungsarbeit oft schwierig kommuniziert und erreicht dadurch deutlich weniger Menschen, als es möglich gewesen wäre. Und ich habe früh angefangen, mir John Oliver (US-amerikanischer Late-Night-Talker; Anm. d. Red.) anzugucken. Der nimmt sehr sperrige Themen, die aber sehr wichtig sind und lockert sie auf, ohne dass die Botschaft dabei verloren geht. Also nicht, dass ich mich jetzt irgendwie mit John Oliver vergleichen will, aber das ist so ein bisschen der Ansatz.
Man könnte sagen, in der Klimadebatte gibt es drei große Gruppen: erstens die Klimawandelleugner. Zweitens die, die jede Hoffnung aufgegeben haben und sagen, wir können ohnehin nichts mehr machen. Und drittens diejenigen, die die auch von Ihnen skizzierten Lösungen sehen, aber desillusioniert sind, weil einfach nichts passiert. Welche dieser drei Gruppen haben Sie im Visier? Besteht nicht die Gefahr, dass Sie nur offene Türen einrennen bei denjenigen, die ohnehin schon Ihrer Meinung sind?
Tatsächlich ist die Hauptzielgruppe die, die alle Hoffnung aufgegeben hat und auch nicht glaubt, dass da noch was machbar ist. Und vielleicht zu einem gewissen Teil auch die Leute, die glauben, dass alles hoffnungslos ist und dadurch in die Klimawandelleugnerecke geraten. Das ist manchmal ja auch ein Schutzmechanismus, wenn man merkt, "Oh Gott, oh Gott – wir laufen in die absolute Katastrophe und ich kann es nicht ändern!" Dann ist es psychologisch einfach manchmal sinnvoll zu sagen: "Es gibt aber gar keine Katastrophe." Dann kann man zumindest nochmal 30 Jahre sein Leben in Ruhe leben, ohne ständig Panikattacken zu haben. Tatsächlich hoffe ich auch, dass viele Leute das Buch lesen, die mir eigentlich gar nicht folgen und dadurch vielleicht noch mal eine andere Blickweise bekommen. Deswegen auch der Titel "Weltuntergang fällt aus" und der Ton des Buches, der ohne jeden Vorwurf auskommt. Ich hoffe, dass es dadurch manche Leute erreicht, die genervt sind von dem, was sie als Panikmache empfinden.
Sie betreiben Ihren Blog "Der Graslutscher" schon einige Jahre und haben sicherlich auch schon Begegnungen dieser Art gehabt. Haben Sie aber auch schon positive Beispiele erlebt, dass Sie jemanden überzeugen konnten?
Ja, auf jeden Fall. Tatsächlich bringen Diskussionen mit solchen Menschen sehr viel, weil die meisten gerade im Internet nur Mitleser sind und sich wenig beteiligen – gerade, wenn die Diskussionen aggressiv sind. Wenn man dann versucht, sich sachlich mit der Gegenseite auseinanderzusetzen, waren da schon viele dabei, die danach geschrieben haben, sie lesen meinen Blog ganz oft und schreiben nie was. Aber aufgrund dieser und jener Diskussion habe ich sie überzeugt, dass das nächste Auto elektrisch sein wird oder man versucht seinen Fleischkonsum zu reduzieren oder irgendwie sowas. Aber wenn jemand wirklich Klimawandelleugner ist und sich da schon radikalisiert hat, dann sind die Chancen sehr gering, den noch zu erreichen.
Sie skizzieren in Ihrem Buch vier Maßnahmen für die Klimawende: erneuerbare Energien ausbauen, neue Technologien, Verkehrswende vorantreiben und pflanzliche Ernährung. Bei welchem dieser vier Themen nehmen Sie die erbittertsten Diskussionen wahr? Was treibt die Leute am ehesten auf die Palme?
Das ist natürlich total subjektiv, aber ich erlebe es am krassesten bei der Verkehrswende. Die Diskussionen über Fleischkonsum waren so vor fünf bis zehn Jahren sehr emotional, da glaube ich, eine Entwicklung beobachtet zu haben. Das ist mittlerweile mehr im Mainstream angekommen. Die Verkehrswende trifft uns jetzt ein bisschen unvorbereitet. Da gibt's auf der einen Seite Leute, die leben in der Stadt und wissen, dass es so nicht weitergeht und die treffen auf Leute, die wohnen auf dem Land und haben momentan wenig andere Möglichkeiten. Und wenn dann noch ein paar bestimmte Begriffe fallen, dann kann man die Diskussion vergessen. Dann wird nur noch ausgeteilt. Ich glaube, die Energiewende hat ein ähnliches Potenzial. Die ist momentan noch nicht so im Fokus, aber ich glaube, das blüht uns noch.
Und haben Sie für Menschen, die solche Diskussionen in ihrem Alltag führen, ein paar Tipps parat?
Ja, auf jeden Fall. Tipp 1: Immer sachlich bleiben. Man überzeugt niemanden durch Beleidigung oder durch den besten Wortwitz auf den Nachnamen seines Gegenübers oder sonst was. Damit schafft man eigentlich immer das Gegenteil. Tipp 2: Einfach mal zwischendurch fünf Minuten auf den Balkon gehen und durchatmen. Denn wer in einer Diskussion nie emotional wird, der hat Superkräfte. Tipp 3: Wenn man dasitzt und denkt, wie kann die andere Person das so sagen, dann mal versuchen, sich in die andere Person hineinzudenken und akzeptieren, dass Lebenssituationen einfach anders sein können. Wir haben nicht alle die gleichen Chancen und Startpositionen. Tipp 4: Es ist oft einfacher, wenn man sich in einem Teilbereich mal gegenseitig recht gibt und sich zumindest auf kleine Dinge einigen kann, statt immer seine Meinung zu 100 Prozent durchzudrücken.
Wo sehen Sie beim Informationsstand der Menschen den größten Nachholbedarf?
Die Menschen sollten sich darüber klar werden, wo unsere Energie heute herkommt. Ich habe auch den Eindruck, dass viele denken, die Energie kommt aus einer Zaubermaschine. Und wenn wir kein Erdöl mehr nehmen, dann nehmen wir halt Wasserstoff oder wir nehmen Methanol. Und da wird ganz oft nicht verstanden, dass auch das alles Energieträger sind und dass wir die Energie trotzdem irgendwo generieren müssen, dass sie nicht einfach so vom Himmel fällt. Und dass wir in den letzten Jahrzehnten ein bisschen auf Pump gelebt haben, auf Pump der nächsten Generationen. Und dass eben alles endlich ist. Selbst wenn es keinen Klimawandel geben würde, müssten wir uns langfristig irgendetwas anderes überlegen und schauen, dass wir uns damit als Gesellschaft ein bisschen anfreunden können. Denn was Neues ist ja nicht immer was Schlechtes.
Kommen wir zu den konkreten Dingen, die wir für die Klimawende noch tun können. In Ihrem Buch rechnen Sie vor, dass Deutschland jetzt schon seinen Strombedarf durch Wind und Solarenergie decken könnte. Das hört man in der öffentlichen Debatte relativ selten. Haben Sie da was entdeckt, was vorher noch keiner entdeckt hat?
(Lacht) Um Gottes willen, gar nicht. Der Gedanke ist schon vor Jahrzehnten zum ersten Mal seriös formuliert worden. Ich bin auch gar kein Experte für Energietechnik und es gibt tausend Leute, die sich viel besser auskennen. Es ist nur einfach so, dass dieser Gedanke überhaupt nicht präsent ist. In der Politik gibt es oft Bedenken und Ängste, die ganze Wahrheit auf den Tisch zu packen, weil das ja Stimmen kosten könnte. Und die Leute, die sich auskennen, werden in der Debatte selten gehört, weil das oft Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sind, die auf wissenschaftlicher Ebene kommunizieren und es selten in die Medien schaffen. Ich glaube, das größte Manko ist, dass damit oft der Gedanke verknüpft ist, dass wir das dann auch unbedingt genau so machen müssen. Dann kommt als erste Reaktion oft: Das ist aber viel zu teuer und unpraktisch und was weiß ich was. Und das mag auch sein. Es kann auch gut sein, dass wir später sagen, wir erzeugen 70, 80 Prozent der Energie hier und den Rest importieren wir von irgendwo. Aber der Punkt, dass es rein physikalisch möglich ist, ist weder etwas Neues noch eine große Sensation.
Sie präsentieren in Ihrem Buch auch sehr viele Zahlen. Das könnte den einen oder anderen Lesenden durchaus überfordern. Was ist aus Ihrer Sicht denn die wichtigste Zahl? Welche sollte man kennen, um mitreden zu können?
Ich habe extra für das Buch eine eigene Einheit erfunden: den Mega-Picard. Das entspricht 100 Terawattstunden Energiebedarf. Und der Energiebedarf Deutschlands in der Zukunft liegt bei 1.500 Terawattstunden – oder eben 15 Mega-Picard. Der aktuelle Stromverbrauch Deutschlands liegt übrigens bei fünf Mega-Picard. Es wäre also schön, wenn wir uns darauf einigen könnten, etwa im nächsten Wahlkampf, dass diese 15 Mega-Picard unser Ziel sind, dass wir die irgendwo herkriegen müssen. Ich bin aber gar nicht auf diese genaue Zahl festgelegt, wenn jetzt jemand ausrechnet, wir brauchen 20 Mega-Picard – auch gut. Aber die Größenordnung findet in der aktuellen Debatte gar nicht statt. Da streiten sich lieber momentan alle, ob wir drei Atomkraftwerke weiterlaufen lassen, dabei machen die nur einen winzigen Anteil dieser Menge aus.
Eine zweite Maßnahme aus Ihrer Sicht ist der Ausbau von Technologien. Auch hier: Welche sollte man kennen in diesem Zusammenhang?
Ich würde sagen, das Konzept von Power to Gas, also dass man aus erneuerbarem Strom verschiedene Gase synthetisieren kann, die man dann sehr gut speichern kann. Ein Beispiel hier wäre Methan, das man im Erdgasnetz speichert und bei Bedarf in Gaskraftwerken wieder in Strom umwandelt.
Persönlicher Konsum auf der anderen Seite hat aus Ihrer Sicht nur eine begrenzte Wirkung. Aber dennoch muss wohl auch hier ein Umdenken stattfinden. Haben Sie drei konkrete Alltagstipps?
Gut, das wird jetzt dieses Jahr wahrscheinlich kein Geheimtipp mehr sein, aber man kann das Heizen der eigenen Wohnräume optimieren. Schon durch die Reduzierung von einem Grad Raumwärme kann man sechs Prozent Energie einsparen, schreibt etwa die Stiftung Warentest. Ich weiß, das ist eine schwierige Debatte, weil das natürlich auch Teil der Grundversorgung ist. Aber wenn man jung und gesund ist, kann man sich das vielleicht erlauben.
Dann der Automobilverkehr: Natürlich weiß ich, dass es eine ganze Menge Leute gibt, die nicht so einfach aufs Auto verzichten können. Die sollten sich vielleicht nicht ganz so angesprochen fühlen. Aber alle, die in Ballungszentren leben, können zumindest mal überlegen, ob sie diese ganzen Fahrten wirklich brauchen. Und das sage ich jetzt nicht als jemand, der die Weisheit mit Löffeln gefressen hat. Ich habe bis vor wenigen Jahren ganz viel mit dem Auto gemacht und peu à peu gemerkt, dass es wirklich kein großes Ding ist, es manchmal stehen zu lassen. Und das Dritte: den Stromanbieter überprüfen und schauen, ob man einen nehmen kann, der jetzt schon auf erneuerbare Energie setzt.
Wir hatten vor Kurzem ein Interview mit dem ZDF-Meteorologen Özden Terli, der die These vertreten hat, dass wir einen Teil unseres Wohlstands aufgeben müssen. Sehen Sie das auch so?
Es ist schwer, das so pauschal zu sagen. Ich glaube, es wird bestimmte Bereiche geben, in denen Dinge teurer werden. Der Flugverkehr etwa und alles, was momentan davon profitiert, wie billig wir Erdgas zur Verfügung haben. Da werden wir uns in Teilen an ganz andere Preisschilder gewöhnen müssen. Ich schätze Özden Terli sehr, aber ich finde es nicht ganz so optimal formuliert, weil das bei vielen Menschen Ängste auslöst und sie dann denken, sie müssten in Zukunft in der Höhle leben. Ich glaube, es gibt gleichzeitig andere Bereiche, in denen wir mehr Wohlstand haben werden, weil wir mit weniger auskommen.
Welche denn beispielsweise?
Durch die Elektrifizierung des Verkehrs und der Raumwärme könnte etwa der Preis pro Kilometer Autofahrt oder pro Kilowattstunde Raumwärme sinken, weil die Technik robuster wird und weniger Energieimporte nötig sind. Außerdem könnte die Luftqualität besser werden und wir aufgrund weniger Verbrennung fossiler Brennstoffe weniger Krankheiten haben.
Zum Abschluss noch eine heikle Frage: Was haben Sie denn eigentlich gegen Matthias Schweighöfer?*
(Lacht) Also eigentlich gar nichts. Ich habe nur einfach viele seiner Filme gesehen, die alle nach demselben Schema ablaufen. Und ich habe irgendwann mal ein Interview mit ihm gesehen vor vielen Jahren, in dem er gesagt hat, er macht jetzt ein paar billige Filme und dann hat er genug Bekanntheit, um später mal richtig tolle Sachen zu machen. Ich frage mich seit Jahren, wann dieser Moment endlich kommt. Und ja, ich kann mir vorstellen, dass das 2040 immer noch genauso ist.
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