Forscherinnen und Forscher stehen seit Jahrzehnten vor einem Rätsel: Was genau ist das Tully-Monster? Gehört es zu den Wirbeltieren oder zu den Wirbellosen? Nun könnten sie endlich Antworten auf ihre Fragen gefunden haben.

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Das sogenannte Tully-Monster (Tullimonstrum gregarium) lebte vor etwa 300 Millionen Jahren unter Wasser und war durchschnittlich 15 Zentimeter lang. Bislang wurde es nur an einem Ort gefunden, in den Fossilienlagern von Mazon Creek in Illinois (USA). Das Tier verwirrt Paläontologinnen und Paläontologen bereits seit seiner Entdeckung – vor über einem halben Jahrhundert.

Tully-Monster
Das Tully-Monster (Tullimonstrum gregarium). © Takahiro Sakono/University of Tokyo

Seine Anatomie ist so seltsam, dass es kaum klassifiziert werden kann. Anders als Dinosaurierknochen oder hartschalige Kreaturen, von denen häufig Fossilien gefunden werden, hat das Tully-Monster einen weichen Körper. Gehört es also zu den Wirbeltieren, besitzt es demensprechend ein Innenskelett und eine bewegliche Wirbelsäule? Oder handelt es sich um einen Wirbellosen?

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Forscher uneins: Ist das Tully-Monster ein Wirbeltier oder wirbellos?

Eine Gruppe aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern schlug schließlich vor, dass das Tully-Monster, ähnlich wie die Rundmäuler, ein Wirbeltier ist. Rundmäuler sind kieferlose Fische, wie Neunaugen oder Schleimaale.

Sollte sich diese Annahme als wahr herausstellen, würde das Tully-Monster möglicherweise eine Lücke in der Evolutionsgeschichte der frühen Wirbeltiere schließen. Studien haben diese Hypothese bislang sowohl unterstützt als auch abgelehnt.

Nun hat ein Forschungsteam aus Japan mithilfe von 3D-Analysen detaillierte Eigenschaften des Tieres aufgedeckt. Diese weisen darauf hin, dass das Tully-Monster eben kein Wirbeltier ist. Seine genaue Klassifikation und zu welcher Art der Wirbellosen es gehört, muss noch entschieden werden. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler im Fachmagazin "Palaeontology".

Tully-Monster hat Eigenschaft, die mit keiner Wirbeltier-Linie vereinbar ist

"Basierend auf mehreren Beweislinien, ist die Wirbeltier-Hypothese des Tully-Monsters unhaltbar", erklärt Tomoyuki Mikami, Doktorand an der University of Tokyo, in einer Pressemitteilung der Universität. Dabei sei ein wichtiger Punkt, dass Analysen der Kopfregion eine Segmentierung zeigen, die sich von seinem Körper aus erstreckt. "Diese Eigenschaft ist von keiner Wirbeltier-Linie bekannt." Dies lege eine Verwandtschaft mit den Wirbellosen nahe.

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Die Paläontologen analysierten dabei mehr als 150 versteinerte Tully-Monster und über 70 andere unterschiedliche Tiere, die aus Mazon Creek stammen. Solche problematischen Fossilien zeigen einmal mehr die Herausforderung, die dynamische Geschichte der Erde und die vielfältigen Organismen, die sie bewohnen, zusammenzusetzen. "Es gab viele interessante Tiere, die nicht als Fossilien erhalten geblieben sind", so Mikami.

Verwendete Quellen:

  • u-tokyo.ac.jp/ja/index.html: New details of Tully monster revealed
  • onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/pala.12646: Three-dimensional anatomy of the Tully monster casts doubt on its presumed vertebrate affinities
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