Iran war 2002 vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush zur "Achse des Bösen" gezählt worden. Mit dem Ende der Sanktionen sind nun Hoffnungen verbunden - wirtschaftliche ebenso wie politische. Doch wie realistisch ist eine Öffnung Irans gen Westen? Und was für Folgen hat die Entwicklung für die Krisenregion?
Die Beteiligten an dem Atomdeal mit Iran waren sich am Wochenende weitgehend einig. "Dieser Tag verdient wirklich, historisch genannt zu werden", sagte der deutsche Außenminister
Kerry: Die Welt wird sicherer
Für seinen US-amerikanischen Amtskollegen John Kerry markierte der Samstag "den ersten Tag einer sichereren Welt" und Irans Präsident Hassan Rohani sprach von einem neuen Kapitel, das zwischen Iran und der Welt aufgeschlagen werde.
Die Wirtschaftsbeziehungen des Westens mit Iran waren seit zehn Jahren unterbrochen, das Land vom Weltmarkt isoliert.
Auch deutsche Firmen, die vor Beginn der Sanktionen gute Beziehungen mit dem Land im Nahen Osten hatten, konnten dort also keine Geschäfte machen.
Mit der Nachricht vom Ende der Sanktionen macht sich vor allem unter ihnen Aufbruchsstimmung breit.
Deutschland habe viele Jahrzehnte lang "praktisch die gesamte industrielle Ausrüstung" des Iran geliefert, sagte der Präsident der Deutsch-Iranischen Handelskammer, Norbert Eisenmenger, im ZDF.
Die iranische Industrie warte nur darauf, "mit den Deutschen ins Geschäft kommen zu können, weil sie von der Qualität der deutschen Produkte absolut überzeugt ist".
Starke Konkurrenz aus Asien
In der Vergangenheit waren deutsche Firmen in Iran vor allem dann gefragt, wenn es um den Bau von Industrieanlagen, Infrastruktur und Autos ging.
Dass sie dort auf Anhieb wieder eine so große Rolle spielen wie einst, ist aber nicht sicher.
"Es hat schon jetzt ein Wettlauf um Großaufträge begonnen und die gesamte europäische Wirtschaft sieht sich mit einer starken Konkurrenz aus Asien konfrontiert, vor allem aus Südkorea und Japan", sagt die Nahost-Expertin Karin Kneissl.
Wegen der Sanktionen und weil aus Asien weniger Einmischung in die eigene Politik zu befürchten sei, habe sich der Iran schon vor einiger Zeit in diese Richtung orientiert.
"Und nicht nur in der Automobilbranche haben asiatische Firmen heute einen ähnlich hohen Qualitätsstandard wie europäische", meint Kneissl.
Mancher Politiker rät den deutschen Firmen auch aus politischen Gründen, sich mit der Rückkehr auf den iranischen Markt noch Zeit zu lassen.
Es sei noch völlig unklar, wohin das Land steuere, sagte der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripur, im Deutschlandfunk.
"Wir haben hochdramatische Parlamentswahlen vor uns, bei denen über 90 Prozent der Reformer-Kandidaten nicht zugelassen worden sind."
Viele Machtzentren mit eigenen Interessen
Es ist demnach auch noch unklar, ob der wirtschaftlichen Öffnung eine politische folgt. Hoffnung darauf gibt es offenbar.
So sagte der Iran-Experte Wilfried Buchta im ZDF: "Wenn Hassan Rohani durch die wirtschaftliche Öffnung auch mehr Unterstützung der Bevölkerung erfährt, wird sich die Machtbalance zugunsten der Pragmatiker und Reformer verschieben."
Das könne eine Öffnung zur Folge haben, die der Jugend, Frauen, Minderheiten und Menschenrechtsaktivisten zugute komme.
Karin Kneissl ist skeptischer. Sie glaubt, dass Schritten der Öffnung ebenso viele Rückschläge folgen werden. Rohani werde in diesem Punkt überschätzt: "Es gibt im Iran viele verschiedene Machtzentren, die nicht alle an einem Strang ziehen."
Die komplexe Machtstruktur in dem Land macht auch aus einem anderen Grund Sorge: Nach dem Ende der Sanktionen wird viel Geld ins Land kommen und es wird für Außenstehende kaum nachzuvollziehen sein, wohin es geht.
Nouripur glaubt, es bestehe das Risiko, dass ein Teil des Geldes in die Terrorfinanzierung fließe - zumindest aber für die Unterstützung des syrischen Regimes im dortigen Bürgerkrieg verwendet werde.
"Wir sehen ja, dass die Iraner in Syrien am Boden mit vertreten sind und es gibt natürlich die Möglichkeit, dass das Geld dort (...) ankommen wird, auch in Waffen."
Auf die aktuell größte terroristische Bedrohung, den "Islamischen Staat", hat das Ende der Sanktionen aus Sicht von Karin Kneissl keine Auswirkungen.
Der IS als hauptsächlich von Sunniten getragene Terrormiliz sei "definitiv keine in Teheran ansässige Organisation".
Rückkehr an den Ölmarkt zum falschen Zeitpunkt?
Mit starken Auswirkungen wird aber der Ölmarkt rechnen dürfen. Zum Handelsauftakt an den asiatischen Börsen am Montag sanken die Ölpreise bereits deutlich: Die Nordseesorte Brent fiel auf 27,67 Dollar je Barrel und war damit so billig wie seit 2003 nicht mehr.
"Einige Analysten hatten gesagt, die Rückkehr des Iran in den Ölmarkt sei im jetzigen niedrigen Ölpreis schon eingepreist, aber offensichtlich ist das nicht der Fall", sagt Kneissl.
Die Ölpreise fallen seit rund eineinhalb Jahren. Gründe sind die sinkende Nachfrage in Schwellenländern wie China, deren Wirtschaft sich nicht mehr so gut entwickelt wie erhofft, und das bereits aktuell zu große Angebot an Erdöl. Jetzt kommt noch Iran dazu.
Experten vom Handelshaus Phillip Futures sagten der Nachrichtenagentur Reuters, die Rückkehr des Iran an den Ölmarkt komme "zum falschen Zeitpunkt sowohl für den Markt als auch für den Iran".
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